Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Der Personalkredit des ländlichen Aleingrnndbesitzes

gebiet z. B. bezog der Rendant eines solchen Vereins eine Tantieme von
25 Prozent des Reingewinns (angeblich bis zu 10000 Mark jährlich); auch
die übrigen Vorstandsmitglieder bezogen für den Umfang ihrer Thätigkeit hohe
Besoldungen (zwei Mitglieder je 2000 Mark), während man an die Genossen-
fchafter eine jährliche Dividende von 10 Prozent zu verteilen Pflegte. Um
einen solchen GeschäftSgcminn herauszuwirtschaften, müssen natürlich die Schuld¬
zinsen sehr hoch bemessen werden, sodaß für Darlehen oft 6 bis 7 Prozent
und außerdem bei der DarlehnSentnahme eine Provision von ^8 bis '/^ Pro¬
zent, bei Verlängerungen sogar von 1 bis 1^/z Prozent verlangt wird.

Daher erklären alle Gutachten bis auf eins deu Kredit, den die Schulze-
Delitzschschen Vorschußvcreine gewähren, für zu teuer für den Bauer; höchstens
der kapitalkräftige Grundbesitzer könne aus den Vorschußvereincn Nutzen ziehen.
Der abweichende Bericht, der die Vorschußvereiue für die passendste ländliche
Kreditorganisativn ausgiebt, stammt aus einer Provinz, wo vorwiegend Gro߬
grundbesitzer sind, aus Ostpreußen. Wie bei dem Knebelschen Verfahren im Saar¬
gebiet, handelt es sich auch hier um eine besondre Gestaltung der örtlichen Ver¬
hältnisse, aus der die abweichende Anschauung zu erklären ist. In Ostpreußen
sind Stadt und Land in der Kreditwirtschaft auf Zusammenschluß angewiesen;
der Mangel an geschlossenen Gemeinden, an leistungsfähigen Gemeinden über¬
haupt, wie die ganzen Bcfiedlungsverhältnissc der Provinz, die die Einrichtung
der einzelnen Vanernhöfe begünstigen, drängen die Landbevölkerung zum An¬
schluß an die städtische Kreditorganisativn. So einleuchtend wie bei dem Ver¬
fahren Knebels ist hier allerdings die Notwendigkeit einer eigentümlichen Kredit-
vrgcmisativu uicht dargethan; besonders steigen einem Zweifel an der Unpartei¬
lichkeit und Sachlichkeit des Berichterstatters auf, wenn man ans der einen
Seite seine offenbare Voreingenommenheit gegen die Naiffeiseuvereine sieht -- er
selbst ist Mitglied eines Vorschußvereins --, auf der andern Seite hört, daß auch
ni Ostpreußen Naiffeiseuvereine bestehen, die noch so jung sind, daß sich erst
ni spätern Jahren feststellen lassen wird, ob sie sich wie anderswo bewähren
oder nicht.

Wir wenden uns nun zu der dritten Organisationsform des ländlichen
Personalkredits, den ländlichen Spar- und Darlehuskasseu auf genossenschaft¬
licher Grundlage. Mit wenigen Ausnahmen erklären die Gutachten diese
Kassen als ihrer ganzen Einrichtung nach außerordentlich geeignet, die Auf¬
gabe der Beschaffung des Personalkredits in befriedigender Weise zu lösen.

Am verbreitetsten sind die Vereine nach dem Muster Naiffeisens, obwohl
die meisten erst in jüngster Zeit, in den neunziger Jahren, gegründet worden
sind. Sie vereinigen alle die Vorzüge, deren Mangel bei den Sparkassen und
Vvrschußvereinen von dem kreditbedürftigen Landmann als Nachteil empfunden
wurde. Wechsel werden grundsätzlich uicht ausgegeben; zur Kreditgewährung
genügt der von einem Bürgen unterzeichnete Schuldschein. Der Kredit wird


Der Personalkredit des ländlichen Aleingrnndbesitzes

gebiet z. B. bezog der Rendant eines solchen Vereins eine Tantieme von
25 Prozent des Reingewinns (angeblich bis zu 10000 Mark jährlich); auch
die übrigen Vorstandsmitglieder bezogen für den Umfang ihrer Thätigkeit hohe
Besoldungen (zwei Mitglieder je 2000 Mark), während man an die Genossen-
fchafter eine jährliche Dividende von 10 Prozent zu verteilen Pflegte. Um
einen solchen GeschäftSgcminn herauszuwirtschaften, müssen natürlich die Schuld¬
zinsen sehr hoch bemessen werden, sodaß für Darlehen oft 6 bis 7 Prozent
und außerdem bei der DarlehnSentnahme eine Provision von ^8 bis '/^ Pro¬
zent, bei Verlängerungen sogar von 1 bis 1^/z Prozent verlangt wird.

Daher erklären alle Gutachten bis auf eins deu Kredit, den die Schulze-
Delitzschschen Vorschußvcreine gewähren, für zu teuer für den Bauer; höchstens
der kapitalkräftige Grundbesitzer könne aus den Vorschußvereincn Nutzen ziehen.
Der abweichende Bericht, der die Vorschußvereiue für die passendste ländliche
Kreditorganisativn ausgiebt, stammt aus einer Provinz, wo vorwiegend Gro߬
grundbesitzer sind, aus Ostpreußen. Wie bei dem Knebelschen Verfahren im Saar¬
gebiet, handelt es sich auch hier um eine besondre Gestaltung der örtlichen Ver¬
hältnisse, aus der die abweichende Anschauung zu erklären ist. In Ostpreußen
sind Stadt und Land in der Kreditwirtschaft auf Zusammenschluß angewiesen;
der Mangel an geschlossenen Gemeinden, an leistungsfähigen Gemeinden über¬
haupt, wie die ganzen Bcfiedlungsverhältnissc der Provinz, die die Einrichtung
der einzelnen Vanernhöfe begünstigen, drängen die Landbevölkerung zum An¬
schluß an die städtische Kreditorganisativn. So einleuchtend wie bei dem Ver¬
fahren Knebels ist hier allerdings die Notwendigkeit einer eigentümlichen Kredit-
vrgcmisativu uicht dargethan; besonders steigen einem Zweifel an der Unpartei¬
lichkeit und Sachlichkeit des Berichterstatters auf, wenn man ans der einen
Seite seine offenbare Voreingenommenheit gegen die Naiffeiseuvereine sieht — er
selbst ist Mitglied eines Vorschußvereins —, auf der andern Seite hört, daß auch
ni Ostpreußen Naiffeiseuvereine bestehen, die noch so jung sind, daß sich erst
ni spätern Jahren feststellen lassen wird, ob sie sich wie anderswo bewähren
oder nicht.

Wir wenden uns nun zu der dritten Organisationsform des ländlichen
Personalkredits, den ländlichen Spar- und Darlehuskasseu auf genossenschaft¬
licher Grundlage. Mit wenigen Ausnahmen erklären die Gutachten diese
Kassen als ihrer ganzen Einrichtung nach außerordentlich geeignet, die Auf¬
gabe der Beschaffung des Personalkredits in befriedigender Weise zu lösen.

Am verbreitetsten sind die Vereine nach dem Muster Naiffeisens, obwohl
die meisten erst in jüngster Zeit, in den neunziger Jahren, gegründet worden
sind. Sie vereinigen alle die Vorzüge, deren Mangel bei den Sparkassen und
Vvrschußvereinen von dem kreditbedürftigen Landmann als Nachteil empfunden
wurde. Wechsel werden grundsätzlich uicht ausgegeben; zur Kreditgewährung
genügt der von einem Bürgen unterzeichnete Schuldschein. Der Kredit wird


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0547" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/226133"/>
          <fw type="header" place="top"> Der Personalkredit des ländlichen Aleingrnndbesitzes</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1364" prev="#ID_1363"> gebiet z. B. bezog der Rendant eines solchen Vereins eine Tantieme von<lb/>
25 Prozent des Reingewinns (angeblich bis zu 10000 Mark jährlich); auch<lb/>
die übrigen Vorstandsmitglieder bezogen für den Umfang ihrer Thätigkeit hohe<lb/>
Besoldungen (zwei Mitglieder je 2000 Mark), während man an die Genossen-<lb/>
fchafter eine jährliche Dividende von 10 Prozent zu verteilen Pflegte. Um<lb/>
einen solchen GeschäftSgcminn herauszuwirtschaften, müssen natürlich die Schuld¬<lb/>
zinsen sehr hoch bemessen werden, sodaß für Darlehen oft 6 bis 7 Prozent<lb/>
und außerdem bei der DarlehnSentnahme eine Provision von ^8 bis '/^ Pro¬<lb/>
zent, bei Verlängerungen sogar von 1 bis 1^/z Prozent verlangt wird.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1365"> Daher erklären alle Gutachten bis auf eins deu Kredit, den die Schulze-<lb/>
Delitzschschen Vorschußvcreine gewähren, für zu teuer für den Bauer; höchstens<lb/>
der kapitalkräftige Grundbesitzer könne aus den Vorschußvereincn Nutzen ziehen.<lb/>
Der abweichende Bericht, der die Vorschußvereiue für die passendste ländliche<lb/>
Kreditorganisativn ausgiebt, stammt aus einer Provinz, wo vorwiegend Gro߬<lb/>
grundbesitzer sind, aus Ostpreußen. Wie bei dem Knebelschen Verfahren im Saar¬<lb/>
gebiet, handelt es sich auch hier um eine besondre Gestaltung der örtlichen Ver¬<lb/>
hältnisse, aus der die abweichende Anschauung zu erklären ist. In Ostpreußen<lb/>
sind Stadt und Land in der Kreditwirtschaft auf Zusammenschluß angewiesen;<lb/>
der Mangel an geschlossenen Gemeinden, an leistungsfähigen Gemeinden über¬<lb/>
haupt, wie die ganzen Bcfiedlungsverhältnissc der Provinz, die die Einrichtung<lb/>
der einzelnen Vanernhöfe begünstigen, drängen die Landbevölkerung zum An¬<lb/>
schluß an die städtische Kreditorganisativn. So einleuchtend wie bei dem Ver¬<lb/>
fahren Knebels ist hier allerdings die Notwendigkeit einer eigentümlichen Kredit-<lb/>
vrgcmisativu uicht dargethan; besonders steigen einem Zweifel an der Unpartei¬<lb/>
lichkeit und Sachlichkeit des Berichterstatters auf, wenn man ans der einen<lb/>
Seite seine offenbare Voreingenommenheit gegen die Naiffeiseuvereine sieht &#x2014; er<lb/>
selbst ist Mitglied eines Vorschußvereins &#x2014;, auf der andern Seite hört, daß auch<lb/>
ni Ostpreußen Naiffeiseuvereine bestehen, die noch so jung sind, daß sich erst<lb/>
ni spätern Jahren feststellen lassen wird, ob sie sich wie anderswo bewähren<lb/>
oder nicht.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1366"> Wir wenden uns nun zu der dritten Organisationsform des ländlichen<lb/>
Personalkredits, den ländlichen Spar- und Darlehuskasseu auf genossenschaft¬<lb/>
licher Grundlage. Mit wenigen Ausnahmen erklären die Gutachten diese<lb/>
Kassen als ihrer ganzen Einrichtung nach außerordentlich geeignet, die Auf¬<lb/>
gabe der Beschaffung des Personalkredits in befriedigender Weise zu lösen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1367" next="#ID_1368"> Am verbreitetsten sind die Vereine nach dem Muster Naiffeisens, obwohl<lb/>
die meisten erst in jüngster Zeit, in den neunziger Jahren, gegründet worden<lb/>
sind. Sie vereinigen alle die Vorzüge, deren Mangel bei den Sparkassen und<lb/>
Vvrschußvereinen von dem kreditbedürftigen Landmann als Nachteil empfunden<lb/>
wurde. Wechsel werden grundsätzlich uicht ausgegeben; zur Kreditgewährung<lb/>
genügt der von einem Bürgen unterzeichnete Schuldschein.  Der Kredit wird</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0547] Der Personalkredit des ländlichen Aleingrnndbesitzes gebiet z. B. bezog der Rendant eines solchen Vereins eine Tantieme von 25 Prozent des Reingewinns (angeblich bis zu 10000 Mark jährlich); auch die übrigen Vorstandsmitglieder bezogen für den Umfang ihrer Thätigkeit hohe Besoldungen (zwei Mitglieder je 2000 Mark), während man an die Genossen- fchafter eine jährliche Dividende von 10 Prozent zu verteilen Pflegte. Um einen solchen GeschäftSgcminn herauszuwirtschaften, müssen natürlich die Schuld¬ zinsen sehr hoch bemessen werden, sodaß für Darlehen oft 6 bis 7 Prozent und außerdem bei der DarlehnSentnahme eine Provision von ^8 bis '/^ Pro¬ zent, bei Verlängerungen sogar von 1 bis 1^/z Prozent verlangt wird. Daher erklären alle Gutachten bis auf eins deu Kredit, den die Schulze- Delitzschschen Vorschußvcreine gewähren, für zu teuer für den Bauer; höchstens der kapitalkräftige Grundbesitzer könne aus den Vorschußvereincn Nutzen ziehen. Der abweichende Bericht, der die Vorschußvereiue für die passendste ländliche Kreditorganisativn ausgiebt, stammt aus einer Provinz, wo vorwiegend Gro߬ grundbesitzer sind, aus Ostpreußen. Wie bei dem Knebelschen Verfahren im Saar¬ gebiet, handelt es sich auch hier um eine besondre Gestaltung der örtlichen Ver¬ hältnisse, aus der die abweichende Anschauung zu erklären ist. In Ostpreußen sind Stadt und Land in der Kreditwirtschaft auf Zusammenschluß angewiesen; der Mangel an geschlossenen Gemeinden, an leistungsfähigen Gemeinden über¬ haupt, wie die ganzen Bcfiedlungsverhältnissc der Provinz, die die Einrichtung der einzelnen Vanernhöfe begünstigen, drängen die Landbevölkerung zum An¬ schluß an die städtische Kreditorganisativn. So einleuchtend wie bei dem Ver¬ fahren Knebels ist hier allerdings die Notwendigkeit einer eigentümlichen Kredit- vrgcmisativu uicht dargethan; besonders steigen einem Zweifel an der Unpartei¬ lichkeit und Sachlichkeit des Berichterstatters auf, wenn man ans der einen Seite seine offenbare Voreingenommenheit gegen die Naiffeiseuvereine sieht — er selbst ist Mitglied eines Vorschußvereins —, auf der andern Seite hört, daß auch ni Ostpreußen Naiffeiseuvereine bestehen, die noch so jung sind, daß sich erst ni spätern Jahren feststellen lassen wird, ob sie sich wie anderswo bewähren oder nicht. Wir wenden uns nun zu der dritten Organisationsform des ländlichen Personalkredits, den ländlichen Spar- und Darlehuskasseu auf genossenschaft¬ licher Grundlage. Mit wenigen Ausnahmen erklären die Gutachten diese Kassen als ihrer ganzen Einrichtung nach außerordentlich geeignet, die Auf¬ gabe der Beschaffung des Personalkredits in befriedigender Weise zu lösen. Am verbreitetsten sind die Vereine nach dem Muster Naiffeisens, obwohl die meisten erst in jüngster Zeit, in den neunziger Jahren, gegründet worden sind. Sie vereinigen alle die Vorzüge, deren Mangel bei den Sparkassen und Vvrschußvereinen von dem kreditbedürftigen Landmann als Nachteil empfunden wurde. Wechsel werden grundsätzlich uicht ausgegeben; zur Kreditgewährung genügt der von einem Bürgen unterzeichnete Schuldschein. Der Kredit wird

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_225585
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_225585/547
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_225585/547>, abgerufen am 24.07.2024.