Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Der Personalkredit des ländlichen Kleingrundbesitzes

die Schuld nach diesem Zeitraum uicht abgezahlt werden kann, lästige und
zeitraubende Verlängerungen erheischt.

Ihrer ganzen Organisation nach sind die Sparkassen, insbesondre die
städtischen Kassen, darauf angewiesen, Geld zu verdienen; wenn dieses auch oft
zu gemeinnützigen Zwecken verwandt wird, so darf doch dabei nicht übersehen
werden, daß die Kassen nur den Zweck haben, mit den billigen Einlagen der
kleinen Leute und durch hohe Zinsen von den Darlehnsnehmern, die zu einem
Teil auch kleinere Landwirte sind, große Kapitalien anzusammeln, die dann
für das Wohl der Gemeinde verwendet werden. Die Einleger also mit ihrem
kleinen Zins und die Darlehnsnehmer sind es, die die Kosten dieses Gewinns
tragen, die Unternehmerin, die Sparkasse, hat den Gewinn. Die Kommunal¬
sparkassen sind, weil ihnen das ihre ganze Organisation gebietet, nur dem
Hhpothekarkredit, der Realsicherheit nutzbar, während es ihnen ihre ganze Ein¬
richtung erschwert, dem Personalkredir zu genügen. Wenn sie solchen dennoch
gewähren, so geschieht es in einer Form, die mit dem natürlichen Begriff des
Persvnalkredits nicht übereinstimmt.

Aus demselben Grunde können und dürfen anch alle andern ähnlichen
Kreditinstitute, wie Kreissparkassen, Landesbanken, Stiftungen usw., nur dem
Realkredit dienen; sie kommen daher bei der Regelung des Personalkredits für
den kleinen Landwirt gar nicht in Frage. Diesem Verhältnis entsprechend
wurden z. B. in Hannover bei den hundertsechzig Sparkassen nur vier Prozent
der ausgelieheuen Kapitalien, in Baiern noch nicht zwei Prozent zur Be¬
friedigung des Personalkredits verwandt; ja von einer Reihe von Sparkassen
liegt die Erklärung vor, daß sie überhaupt keinen Personalkredit gewähren.

Sieht man von der Provinz Posen ab, wo die "Indolenz der niedern
Polnischen Bevölkerung" die genossenschaftlichen Organisationsformen ungeeignet
und die Kreissparkassen als die allgemein zweckmäßige Form für den Personal¬
kredit erscheinen läßt, so haben sich die öffentlichen Sparkassen nur in einem
kleinen Gebiet, in dem preußischen Saarrevier, auf dem Gebiete des ländlichen
Kredits bewährt, eine Ausnahme, die sich aus der ganz eigentümlichen Be¬
schaffenheit der Bevölkerungsverteilung in diesem Gebiet erklärt. Hier mangeln
nämlich vielfach die Vorbedingungen für eine gedeihliche Entwicklung der Ge¬
nossenschaften. Die vielen, oft 6000 bis 12000 Einwohner umfassenden Dorf¬
gemeinden mit größtenteils wechselnder industrieller Bevölkerung erschweren die
Prüfung der Kreditwürdigkeit der Darlehnssucher im Vergleich mit den meist
einfachern Verhältnissen der kleinen ackerbautreibenden Ortschaften mit seßhafter
Bevölkerung. Auch lassen sich hier schwer Ehrenvorstände finden, wie sie zur
Verwaltung von Gcnossenschaftskassen erforderlich sind; denn die Bevölkerung
hat wegen der das ganze Jahr ununterbrochen dauernden Beschäftigung nicht
die Ruhetage, die bei der rein ackerbautreibenden Bevölkerung die Übernahme
von Ehrenämtern bei der Verwaltung der Genosfenschaftskasfen ermöglichen.


Grenzboten III I8V7 W
Der Personalkredit des ländlichen Kleingrundbesitzes

die Schuld nach diesem Zeitraum uicht abgezahlt werden kann, lästige und
zeitraubende Verlängerungen erheischt.

Ihrer ganzen Organisation nach sind die Sparkassen, insbesondre die
städtischen Kassen, darauf angewiesen, Geld zu verdienen; wenn dieses auch oft
zu gemeinnützigen Zwecken verwandt wird, so darf doch dabei nicht übersehen
werden, daß die Kassen nur den Zweck haben, mit den billigen Einlagen der
kleinen Leute und durch hohe Zinsen von den Darlehnsnehmern, die zu einem
Teil auch kleinere Landwirte sind, große Kapitalien anzusammeln, die dann
für das Wohl der Gemeinde verwendet werden. Die Einleger also mit ihrem
kleinen Zins und die Darlehnsnehmer sind es, die die Kosten dieses Gewinns
tragen, die Unternehmerin, die Sparkasse, hat den Gewinn. Die Kommunal¬
sparkassen sind, weil ihnen das ihre ganze Organisation gebietet, nur dem
Hhpothekarkredit, der Realsicherheit nutzbar, während es ihnen ihre ganze Ein¬
richtung erschwert, dem Personalkredir zu genügen. Wenn sie solchen dennoch
gewähren, so geschieht es in einer Form, die mit dem natürlichen Begriff des
Persvnalkredits nicht übereinstimmt.

Aus demselben Grunde können und dürfen anch alle andern ähnlichen
Kreditinstitute, wie Kreissparkassen, Landesbanken, Stiftungen usw., nur dem
Realkredit dienen; sie kommen daher bei der Regelung des Personalkredits für
den kleinen Landwirt gar nicht in Frage. Diesem Verhältnis entsprechend
wurden z. B. in Hannover bei den hundertsechzig Sparkassen nur vier Prozent
der ausgelieheuen Kapitalien, in Baiern noch nicht zwei Prozent zur Be¬
friedigung des Personalkredits verwandt; ja von einer Reihe von Sparkassen
liegt die Erklärung vor, daß sie überhaupt keinen Personalkredit gewähren.

Sieht man von der Provinz Posen ab, wo die „Indolenz der niedern
Polnischen Bevölkerung" die genossenschaftlichen Organisationsformen ungeeignet
und die Kreissparkassen als die allgemein zweckmäßige Form für den Personal¬
kredit erscheinen läßt, so haben sich die öffentlichen Sparkassen nur in einem
kleinen Gebiet, in dem preußischen Saarrevier, auf dem Gebiete des ländlichen
Kredits bewährt, eine Ausnahme, die sich aus der ganz eigentümlichen Be¬
schaffenheit der Bevölkerungsverteilung in diesem Gebiet erklärt. Hier mangeln
nämlich vielfach die Vorbedingungen für eine gedeihliche Entwicklung der Ge¬
nossenschaften. Die vielen, oft 6000 bis 12000 Einwohner umfassenden Dorf¬
gemeinden mit größtenteils wechselnder industrieller Bevölkerung erschweren die
Prüfung der Kreditwürdigkeit der Darlehnssucher im Vergleich mit den meist
einfachern Verhältnissen der kleinen ackerbautreibenden Ortschaften mit seßhafter
Bevölkerung. Auch lassen sich hier schwer Ehrenvorstände finden, wie sie zur
Verwaltung von Gcnossenschaftskassen erforderlich sind; denn die Bevölkerung
hat wegen der das ganze Jahr ununterbrochen dauernden Beschäftigung nicht
die Ruhetage, die bei der rein ackerbautreibenden Bevölkerung die Übernahme
von Ehrenämtern bei der Verwaltung der Genosfenschaftskasfen ermöglichen.


Grenzboten III I8V7 W
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0545" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/226131"/>
          <fw type="header" place="top"> Der Personalkredit des ländlichen Kleingrundbesitzes</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1355" prev="#ID_1354"> die Schuld nach diesem Zeitraum uicht abgezahlt werden kann, lästige und<lb/>
zeitraubende Verlängerungen erheischt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1356"> Ihrer ganzen Organisation nach sind die Sparkassen, insbesondre die<lb/>
städtischen Kassen, darauf angewiesen, Geld zu verdienen; wenn dieses auch oft<lb/>
zu gemeinnützigen Zwecken verwandt wird, so darf doch dabei nicht übersehen<lb/>
werden, daß die Kassen nur den Zweck haben, mit den billigen Einlagen der<lb/>
kleinen Leute und durch hohe Zinsen von den Darlehnsnehmern, die zu einem<lb/>
Teil auch kleinere Landwirte sind, große Kapitalien anzusammeln, die dann<lb/>
für das Wohl der Gemeinde verwendet werden. Die Einleger also mit ihrem<lb/>
kleinen Zins und die Darlehnsnehmer sind es, die die Kosten dieses Gewinns<lb/>
tragen, die Unternehmerin, die Sparkasse, hat den Gewinn. Die Kommunal¬<lb/>
sparkassen sind, weil ihnen das ihre ganze Organisation gebietet, nur dem<lb/>
Hhpothekarkredit, der Realsicherheit nutzbar, während es ihnen ihre ganze Ein¬<lb/>
richtung erschwert, dem Personalkredir zu genügen. Wenn sie solchen dennoch<lb/>
gewähren, so geschieht es in einer Form, die mit dem natürlichen Begriff des<lb/>
Persvnalkredits nicht übereinstimmt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1357"> Aus demselben Grunde können und dürfen anch alle andern ähnlichen<lb/>
Kreditinstitute, wie Kreissparkassen, Landesbanken, Stiftungen usw., nur dem<lb/>
Realkredit dienen; sie kommen daher bei der Regelung des Personalkredits für<lb/>
den kleinen Landwirt gar nicht in Frage. Diesem Verhältnis entsprechend<lb/>
wurden z. B. in Hannover bei den hundertsechzig Sparkassen nur vier Prozent<lb/>
der ausgelieheuen Kapitalien, in Baiern noch nicht zwei Prozent zur Be¬<lb/>
friedigung des Personalkredits verwandt; ja von einer Reihe von Sparkassen<lb/>
liegt die Erklärung vor, daß sie überhaupt keinen Personalkredit gewähren.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1358" next="#ID_1359"> Sieht man von der Provinz Posen ab, wo die &#x201E;Indolenz der niedern<lb/>
Polnischen Bevölkerung" die genossenschaftlichen Organisationsformen ungeeignet<lb/>
und die Kreissparkassen als die allgemein zweckmäßige Form für den Personal¬<lb/>
kredit erscheinen läßt, so haben sich die öffentlichen Sparkassen nur in einem<lb/>
kleinen Gebiet, in dem preußischen Saarrevier, auf dem Gebiete des ländlichen<lb/>
Kredits bewährt, eine Ausnahme, die sich aus der ganz eigentümlichen Be¬<lb/>
schaffenheit der Bevölkerungsverteilung in diesem Gebiet erklärt. Hier mangeln<lb/>
nämlich vielfach die Vorbedingungen für eine gedeihliche Entwicklung der Ge¬<lb/>
nossenschaften. Die vielen, oft 6000 bis 12000 Einwohner umfassenden Dorf¬<lb/>
gemeinden mit größtenteils wechselnder industrieller Bevölkerung erschweren die<lb/>
Prüfung der Kreditwürdigkeit der Darlehnssucher im Vergleich mit den meist<lb/>
einfachern Verhältnissen der kleinen ackerbautreibenden Ortschaften mit seßhafter<lb/>
Bevölkerung. Auch lassen sich hier schwer Ehrenvorstände finden, wie sie zur<lb/>
Verwaltung von Gcnossenschaftskassen erforderlich sind; denn die Bevölkerung<lb/>
hat wegen der das ganze Jahr ununterbrochen dauernden Beschäftigung nicht<lb/>
die Ruhetage, die bei der rein ackerbautreibenden Bevölkerung die Übernahme<lb/>
von Ehrenämtern bei der Verwaltung der Genosfenschaftskasfen ermöglichen.</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten III I8V7 W</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0545] Der Personalkredit des ländlichen Kleingrundbesitzes die Schuld nach diesem Zeitraum uicht abgezahlt werden kann, lästige und zeitraubende Verlängerungen erheischt. Ihrer ganzen Organisation nach sind die Sparkassen, insbesondre die städtischen Kassen, darauf angewiesen, Geld zu verdienen; wenn dieses auch oft zu gemeinnützigen Zwecken verwandt wird, so darf doch dabei nicht übersehen werden, daß die Kassen nur den Zweck haben, mit den billigen Einlagen der kleinen Leute und durch hohe Zinsen von den Darlehnsnehmern, die zu einem Teil auch kleinere Landwirte sind, große Kapitalien anzusammeln, die dann für das Wohl der Gemeinde verwendet werden. Die Einleger also mit ihrem kleinen Zins und die Darlehnsnehmer sind es, die die Kosten dieses Gewinns tragen, die Unternehmerin, die Sparkasse, hat den Gewinn. Die Kommunal¬ sparkassen sind, weil ihnen das ihre ganze Organisation gebietet, nur dem Hhpothekarkredit, der Realsicherheit nutzbar, während es ihnen ihre ganze Ein¬ richtung erschwert, dem Personalkredir zu genügen. Wenn sie solchen dennoch gewähren, so geschieht es in einer Form, die mit dem natürlichen Begriff des Persvnalkredits nicht übereinstimmt. Aus demselben Grunde können und dürfen anch alle andern ähnlichen Kreditinstitute, wie Kreissparkassen, Landesbanken, Stiftungen usw., nur dem Realkredit dienen; sie kommen daher bei der Regelung des Personalkredits für den kleinen Landwirt gar nicht in Frage. Diesem Verhältnis entsprechend wurden z. B. in Hannover bei den hundertsechzig Sparkassen nur vier Prozent der ausgelieheuen Kapitalien, in Baiern noch nicht zwei Prozent zur Be¬ friedigung des Personalkredits verwandt; ja von einer Reihe von Sparkassen liegt die Erklärung vor, daß sie überhaupt keinen Personalkredit gewähren. Sieht man von der Provinz Posen ab, wo die „Indolenz der niedern Polnischen Bevölkerung" die genossenschaftlichen Organisationsformen ungeeignet und die Kreissparkassen als die allgemein zweckmäßige Form für den Personal¬ kredit erscheinen läßt, so haben sich die öffentlichen Sparkassen nur in einem kleinen Gebiet, in dem preußischen Saarrevier, auf dem Gebiete des ländlichen Kredits bewährt, eine Ausnahme, die sich aus der ganz eigentümlichen Be¬ schaffenheit der Bevölkerungsverteilung in diesem Gebiet erklärt. Hier mangeln nämlich vielfach die Vorbedingungen für eine gedeihliche Entwicklung der Ge¬ nossenschaften. Die vielen, oft 6000 bis 12000 Einwohner umfassenden Dorf¬ gemeinden mit größtenteils wechselnder industrieller Bevölkerung erschweren die Prüfung der Kreditwürdigkeit der Darlehnssucher im Vergleich mit den meist einfachern Verhältnissen der kleinen ackerbautreibenden Ortschaften mit seßhafter Bevölkerung. Auch lassen sich hier schwer Ehrenvorstände finden, wie sie zur Verwaltung von Gcnossenschaftskassen erforderlich sind; denn die Bevölkerung hat wegen der das ganze Jahr ununterbrochen dauernden Beschäftigung nicht die Ruhetage, die bei der rein ackerbautreibenden Bevölkerung die Übernahme von Ehrenämtern bei der Verwaltung der Genosfenschaftskasfen ermöglichen. Grenzboten III I8V7 W

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_225585
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_225585/545
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_225585/545>, abgerufen am 29.12.2024.