Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Drittes Vierteljahr.Ans unsrer Gstmark nicht gehindert werden; Siege auf politischem Felde werden die Deutschen erst Die Kräftigung des Deutschtums und sein Sieg über das Polentum ist Die Staatsregierung thut hier heute ihre Pflicht; die Zeit, wo Shstem- ') In einem Dorfe nahe der schlesischen Grenze gab eS vor zwanzig Jahren etwa zwanzig
deutsche Bauern, heute noch drei. Ans unsrer Gstmark nicht gehindert werden; Siege auf politischem Felde werden die Deutschen erst Die Kräftigung des Deutschtums und sein Sieg über das Polentum ist Die Staatsregierung thut hier heute ihre Pflicht; die Zeit, wo Shstem- ') In einem Dorfe nahe der schlesischen Grenze gab eS vor zwanzig Jahren etwa zwanzig
deutsche Bauern, heute noch drei. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0455" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/226041"/> <fw type="header" place="top"> Ans unsrer Gstmark</fw><lb/> <p xml:id="ID_1124" prev="#ID_1123"> nicht gehindert werden; Siege auf politischem Felde werden die Deutschen erst<lb/> dann wieder erfechten, wenn sie sämtlich deutsch von Gesinnung geworden sind<lb/> (beim bedarf es der Arbeit langer Jahre), und wenn das Deutschtum im wirt¬<lb/> schaftlichen Kampfe gesiegt haben wird.</p><lb/> <p xml:id="ID_1125"> Die Kräftigung des Deutschtums und sein Sieg über das Polentum ist<lb/> nur zu erreichen, wenn sich die Deutschen der Ostmark aufraffen, alle Sonder¬<lb/> interessen schweigen heißen, die sozialen und Parteigegensätze ausgleichen, einig<lb/> und geschlossen in den Kampf eintreten und ihn überwiegend auf wirtschaftlichem<lb/> Gebiete führen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1126" next="#ID_1127"> Die Staatsregierung thut hier heute ihre Pflicht; die Zeit, wo Shstem-<lb/> losigkeit ihr System den Polen gegenüber war, ist, wie sich annehmen läßt<lb/> und die Polen annehmen, für alle Zeiten vorüber. Sie könnte mehr thun,<lb/> als sie thut, aber sie kann nicht alles thun und soll nicht zu viel thun. Auf<lb/> zwei Gebieten leistet sie großes von nachhaltiger Wirkung: durch die Schule und<lb/> durch die Ansiedlungskommission. Durch die Ansiedlungskommission vermehrt<lb/> sie allmählich den in einen gewissen Rückgang*) geratneu deutschen Bauernstand,<lb/> indem sie einerseits deutschen Nachwuchs in den Ansicdlungsprovinzen festhält,<lb/> andrerseits tüchtige Leute ans allen deutschen Gauen in diese Lande zieht.<lb/> Freilich arbeitet die Kommission nur langsam; äußerlich erscheinen ihre Lei¬<lb/> stungen patriotischer Ungeduld gering; aber es wird bleibendes und gutes ge¬<lb/> schaffen. Zu bedauern ist, daß sie aus bekannten Gründen gezwungen ist, sich<lb/> überwiegend auf Protestanten zu beschränken, und dadurch der Meinung vieler<lb/> Katholiken Vorschub leistet, die „Germanisirung und die Protestantisirung der<lb/> Ostmark," mit Herrn von Skarzynski zu sprechen, seien „Zwillinge desselben<lb/> Geistes." Wenigstens in Westpreußen, wo unter einem deutschgesinnten Ober¬<lb/> hirten auch deutsche Geistliche wirken, die aus ihrer patriotischen Gesinnung kein<lb/> Hehl machen, sollten recht zahlreiche Katholiken angesiedelt werden, um jenem<lb/> Vorwurf die Spitze der Berechtigung abzubrechen; gerade die katholische» West¬<lb/> falen sind vorzüglich zur Ansiedlung geeignet. Für die deutsche Schule hat<lb/> die Staatsregierung in den letzten Jahrzehnten, namentlich in Westpreußen,<lb/> wo viel nachzuholen war, bedeutendes gethan und eine große Anzahl neuer<lb/> Schulen gegründet. Die Leistungen sind gut, wie der starke Rückgang der<lb/> Zahl der Analphabeten (1871 in der Provinz Posen 15^, 1W3 lV.l Prozent)<lb/> in den Ansiedlungsgebieten von dem Augenblick an beweist, wo die Wirkung<lb/> der deutscheu Unterrichtssprache hervorzutreten anfing; so schlecht die Schulen,<lb/> und so jämmerlich die polnisch unterrichtenden Lehrer waren, und so tief die<lb/> Kultur zur Zeit der polnischen Unterrichtssprache stand, so gut sind die Schulen,<lb/> seit sie unter fachmännischer Oberleitung stehen, geworden, und so ersichtlich</p><lb/> <note xml:id="FID_42" place="foot"> ') In einem Dorfe nahe der schlesischen Grenze gab eS vor zwanzig Jahren etwa zwanzig<lb/> deutsche Bauern, heute noch drei.</note><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0455]
Ans unsrer Gstmark
nicht gehindert werden; Siege auf politischem Felde werden die Deutschen erst
dann wieder erfechten, wenn sie sämtlich deutsch von Gesinnung geworden sind
(beim bedarf es der Arbeit langer Jahre), und wenn das Deutschtum im wirt¬
schaftlichen Kampfe gesiegt haben wird.
Die Kräftigung des Deutschtums und sein Sieg über das Polentum ist
nur zu erreichen, wenn sich die Deutschen der Ostmark aufraffen, alle Sonder¬
interessen schweigen heißen, die sozialen und Parteigegensätze ausgleichen, einig
und geschlossen in den Kampf eintreten und ihn überwiegend auf wirtschaftlichem
Gebiete führen.
Die Staatsregierung thut hier heute ihre Pflicht; die Zeit, wo Shstem-
losigkeit ihr System den Polen gegenüber war, ist, wie sich annehmen läßt
und die Polen annehmen, für alle Zeiten vorüber. Sie könnte mehr thun,
als sie thut, aber sie kann nicht alles thun und soll nicht zu viel thun. Auf
zwei Gebieten leistet sie großes von nachhaltiger Wirkung: durch die Schule und
durch die Ansiedlungskommission. Durch die Ansiedlungskommission vermehrt
sie allmählich den in einen gewissen Rückgang*) geratneu deutschen Bauernstand,
indem sie einerseits deutschen Nachwuchs in den Ansicdlungsprovinzen festhält,
andrerseits tüchtige Leute ans allen deutschen Gauen in diese Lande zieht.
Freilich arbeitet die Kommission nur langsam; äußerlich erscheinen ihre Lei¬
stungen patriotischer Ungeduld gering; aber es wird bleibendes und gutes ge¬
schaffen. Zu bedauern ist, daß sie aus bekannten Gründen gezwungen ist, sich
überwiegend auf Protestanten zu beschränken, und dadurch der Meinung vieler
Katholiken Vorschub leistet, die „Germanisirung und die Protestantisirung der
Ostmark," mit Herrn von Skarzynski zu sprechen, seien „Zwillinge desselben
Geistes." Wenigstens in Westpreußen, wo unter einem deutschgesinnten Ober¬
hirten auch deutsche Geistliche wirken, die aus ihrer patriotischen Gesinnung kein
Hehl machen, sollten recht zahlreiche Katholiken angesiedelt werden, um jenem
Vorwurf die Spitze der Berechtigung abzubrechen; gerade die katholische» West¬
falen sind vorzüglich zur Ansiedlung geeignet. Für die deutsche Schule hat
die Staatsregierung in den letzten Jahrzehnten, namentlich in Westpreußen,
wo viel nachzuholen war, bedeutendes gethan und eine große Anzahl neuer
Schulen gegründet. Die Leistungen sind gut, wie der starke Rückgang der
Zahl der Analphabeten (1871 in der Provinz Posen 15^, 1W3 lV.l Prozent)
in den Ansiedlungsgebieten von dem Augenblick an beweist, wo die Wirkung
der deutscheu Unterrichtssprache hervorzutreten anfing; so schlecht die Schulen,
und so jämmerlich die polnisch unterrichtenden Lehrer waren, und so tief die
Kultur zur Zeit der polnischen Unterrichtssprache stand, so gut sind die Schulen,
seit sie unter fachmännischer Oberleitung stehen, geworden, und so ersichtlich
') In einem Dorfe nahe der schlesischen Grenze gab eS vor zwanzig Jahren etwa zwanzig
deutsche Bauern, heute noch drei.
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