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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Drittes Vierteljahr.

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Jakob Vurckhardt

>n einem Sonntagnachmittag, am 8. August, entschlief in Basel
sauft, ohne Todeskampf, in seinem Lehnstuhl ein neunuudsiebzig-
jährigcr, äußerlich unscheinbarer Mann, der, man darf es getrost
sagen, zu den Fürsten im Reiche der Geister gehört hat. Sollte
überhaupt einer unter uusern Lesern sein, der nicht mit dem
Namen Jakob Vurckhardt wenigstens eine Vorstellung verbände? Aber wenige
kennen ihn jedenfalls so, wie er gekannt zu werden verdient. Denn eine Haupt¬
sache, ans der sein Wesen beruhte, daß er nämlich einer der treuesten Sohne
seiner Vaterstadt war. konnte Fernerstehenden leicht wie eine Sonderbarkeit er¬
scheinen und für sie das Bild eines Mannes trüben, der ihnen in we große
Welt zu gehören schien, weil er als Schriftsteller für die große Welt wirkte,
den aber niemals nach Ruhm und Reichtum verlangt hat. Einige Worte
ans einem Nachruf in der Basler Allgemeinen Schweizer Zeitung sprechen
darüber so, daß man es nicht besser ausdrücken könnte. "Was er seiner Vater¬
stadt gegeben hat an geistiger Anregung und Belehrung, ist unermeßlich; darum
wird auch die Trauer um diesen großen Toten weithin schmerzlichen Widerhall
finden. Mit Burckhardts Namen verbindet sich für Hunderte und Tausende
die Erinnerung an Stunden des feinsten Genusses, die ihnen ein eminent gerst¬
voller Mann, der zugleich ein Künstler des Wortes war. aus der unerschöpf¬
lichen Fülle seines Wissens bot. Kein Name eines Hochschullehrers ist denn
auch wohl populärer gewesen und geblieben, als der Jakob Burckhardts. Der
Verstorbne war stolz darauf, und er äußerte gern seine Freude darüber; daß
ihn durch seiue Vorträge in Basel viele Leute liebgewonnen hätten, das schien
ihm fast höherer Gewinn, als die litterarische Berühmtheit." Anderwärts wird
man es kaum begreifen, daß der berühmte Mann, der den Lehrstuhl Rankes
in Berlin ausgeschlagen hatte, bis zum Jahre 1883 noch am Pädagogium in


Grenzboten III 1897


Jakob Vurckhardt

>n einem Sonntagnachmittag, am 8. August, entschlief in Basel
sauft, ohne Todeskampf, in seinem Lehnstuhl ein neunuudsiebzig-
jährigcr, äußerlich unscheinbarer Mann, der, man darf es getrost
sagen, zu den Fürsten im Reiche der Geister gehört hat. Sollte
überhaupt einer unter uusern Lesern sein, der nicht mit dem
Namen Jakob Vurckhardt wenigstens eine Vorstellung verbände? Aber wenige
kennen ihn jedenfalls so, wie er gekannt zu werden verdient. Denn eine Haupt¬
sache, ans der sein Wesen beruhte, daß er nämlich einer der treuesten Sohne
seiner Vaterstadt war. konnte Fernerstehenden leicht wie eine Sonderbarkeit er¬
scheinen und für sie das Bild eines Mannes trüben, der ihnen in we große
Welt zu gehören schien, weil er als Schriftsteller für die große Welt wirkte,
den aber niemals nach Ruhm und Reichtum verlangt hat. Einige Worte
ans einem Nachruf in der Basler Allgemeinen Schweizer Zeitung sprechen
darüber so, daß man es nicht besser ausdrücken könnte. „Was er seiner Vater¬
stadt gegeben hat an geistiger Anregung und Belehrung, ist unermeßlich; darum
wird auch die Trauer um diesen großen Toten weithin schmerzlichen Widerhall
finden. Mit Burckhardts Namen verbindet sich für Hunderte und Tausende
die Erinnerung an Stunden des feinsten Genusses, die ihnen ein eminent gerst¬
voller Mann, der zugleich ein Künstler des Wortes war. aus der unerschöpf¬
lichen Fülle seines Wissens bot. Kein Name eines Hochschullehrers ist denn
auch wohl populärer gewesen und geblieben, als der Jakob Burckhardts. Der
Verstorbne war stolz darauf, und er äußerte gern seine Freude darüber; daß
ihn durch seiue Vorträge in Basel viele Leute liebgewonnen hätten, das schien
ihm fast höherer Gewinn, als die litterarische Berühmtheit." Anderwärts wird
man es kaum begreifen, daß der berühmte Mann, der den Lehrstuhl Rankes
in Berlin ausgeschlagen hatte, bis zum Jahre 1883 noch am Pädagogium in


Grenzboten III 1897
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[0393] [Abbildung] Jakob Vurckhardt >n einem Sonntagnachmittag, am 8. August, entschlief in Basel sauft, ohne Todeskampf, in seinem Lehnstuhl ein neunuudsiebzig- jährigcr, äußerlich unscheinbarer Mann, der, man darf es getrost sagen, zu den Fürsten im Reiche der Geister gehört hat. Sollte überhaupt einer unter uusern Lesern sein, der nicht mit dem Namen Jakob Vurckhardt wenigstens eine Vorstellung verbände? Aber wenige kennen ihn jedenfalls so, wie er gekannt zu werden verdient. Denn eine Haupt¬ sache, ans der sein Wesen beruhte, daß er nämlich einer der treuesten Sohne seiner Vaterstadt war. konnte Fernerstehenden leicht wie eine Sonderbarkeit er¬ scheinen und für sie das Bild eines Mannes trüben, der ihnen in we große Welt zu gehören schien, weil er als Schriftsteller für die große Welt wirkte, den aber niemals nach Ruhm und Reichtum verlangt hat. Einige Worte ans einem Nachruf in der Basler Allgemeinen Schweizer Zeitung sprechen darüber so, daß man es nicht besser ausdrücken könnte. „Was er seiner Vater¬ stadt gegeben hat an geistiger Anregung und Belehrung, ist unermeßlich; darum wird auch die Trauer um diesen großen Toten weithin schmerzlichen Widerhall finden. Mit Burckhardts Namen verbindet sich für Hunderte und Tausende die Erinnerung an Stunden des feinsten Genusses, die ihnen ein eminent gerst¬ voller Mann, der zugleich ein Künstler des Wortes war. aus der unerschöpf¬ lichen Fülle seines Wissens bot. Kein Name eines Hochschullehrers ist denn auch wohl populärer gewesen und geblieben, als der Jakob Burckhardts. Der Verstorbne war stolz darauf, und er äußerte gern seine Freude darüber; daß ihn durch seiue Vorträge in Basel viele Leute liebgewonnen hätten, das schien ihm fast höherer Gewinn, als die litterarische Berühmtheit." Anderwärts wird man es kaum begreifen, daß der berühmte Mann, der den Lehrstuhl Rankes in Berlin ausgeschlagen hatte, bis zum Jahre 1883 noch am Pädagogium in Grenzboten III 1897

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_225585/393>, abgerufen am 01.07.2024.