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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Drittes Vierteljahr.

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Litteratur

tümlichern Ausdrücke sind außerdem hochdeutsch unter den Text gesetzt. Die Ge¬
schichte rückt zuerst nicht recht vorwärts und schleppt bedenklich, da die Ereignisse
etwas trivial sind und weit auseinandergezogen werden. Allmählich gewinnt sie
aber Interesse, und daß der Leser, der sich eben für die Familie A zu erwärmen
angefangen hat, nun plötzlich durch die Familie B noch mehr gefesselt zu werden
meint und bald darauf nicht mehr weiß, welche der beiden ihm die liebere ist,
zeigt doch, daß wirkliches Leben darin enthalten ist, und daß der Verfasser die
Kunst des Schilderns versteht. Den Landesangehörigen wird das Buch sogar sehr
zusagen, sie haben frühere Geschichten desselben Verfassers mit großem Beifall auf¬
genommen. Litterarisch erfahrnere Leser, die mit dem holsteinischen Volkstum nicht
vertraut sind, werden ebenfalls einzelne große Schönheiten darin finden, von ihrem
Standpunkt aus aber wahrscheinlich mit uns das Urteil abgeben, daß ihnen eine
etwas mehr idealisirte, im Dialekt leicht retouchirte und dadurch im ganzen des
sprachlichen Ausdrucks mehr künstlerisch zusciinmengestimmte Darstellung lieber wäre.
Aber die Kunstdevise des Jahrhundertschlusses lautet nun einmal: Natur und wieder
Natur! und so kann es auch wohl nicht mehr (um lessingisch zu reden) des Kunst¬
richters Sache sein, zu nehmen oder gar zu bestimmen, wie viel in diesem Betracht
das Publikum der nächsten Zeit noch werde vertragen könne". Der Strom, der
überläuft, hat sich ja immer noch wieder in sein Bett zurückgefunden.


Zu Shakespeare. Shakespeare als Mensch und als Christ.

Eine
Studie von Julius Schiller (Leipzig, Deichert) ist hübsch ausgestattet und fein
geschrieben. Eingehender werden Maebeth und Hamlet behandelt. Das Thema
ist berechtigt und ergiebig. Vielleicht hat für den Verfasser der Hinweis auf eine
nun wohl fast vergessene sehr geistreiche und umfassende Erörterung des Gegen¬
standes Interesse. Sie steht in der Hengstenbergischen Evangelischen Kirchenzeitung,
in einem der Jahrgänge aus dem Ende der fünfziger Jahre und ist K. v. H. unter¬
zeichnet.


Shakespeares Selbstbekenntnisse.

Hamlet und sein Urbild von Her¬
mann Conrad (Stuttgart, Metzler). Geistreich und interessant! Das Buch be¬
ruht auf sorgfältigen Studien über die zeitgenössische englische Gesellschaft. Der
Freund der Sonette ist nach dem Verfasser Graf Robert Essex, der Sohn des
Grafen Walter, und derselbe hätte auch zu dem Charakter Hamlets viele Züge
geliefert. Sehr vieles leuchtet unmittelbar ein. Das letzte Wort ist allerdings
noch nicht gesprochen,, aber des Verfassers Buch steht hoch über den vielerlei äußerlich
ähnlichen Veröffentlichungen der Shakespearelitteratur.






Für die Redaktion verantwortlich! Johannes Grunow in Leipzig
Verlag von Fr. Will). Grunow in Leipzig. -- Druck von Carl Marquart in Leipzig
Litteratur

tümlichern Ausdrücke sind außerdem hochdeutsch unter den Text gesetzt. Die Ge¬
schichte rückt zuerst nicht recht vorwärts und schleppt bedenklich, da die Ereignisse
etwas trivial sind und weit auseinandergezogen werden. Allmählich gewinnt sie
aber Interesse, und daß der Leser, der sich eben für die Familie A zu erwärmen
angefangen hat, nun plötzlich durch die Familie B noch mehr gefesselt zu werden
meint und bald darauf nicht mehr weiß, welche der beiden ihm die liebere ist,
zeigt doch, daß wirkliches Leben darin enthalten ist, und daß der Verfasser die
Kunst des Schilderns versteht. Den Landesangehörigen wird das Buch sogar sehr
zusagen, sie haben frühere Geschichten desselben Verfassers mit großem Beifall auf¬
genommen. Litterarisch erfahrnere Leser, die mit dem holsteinischen Volkstum nicht
vertraut sind, werden ebenfalls einzelne große Schönheiten darin finden, von ihrem
Standpunkt aus aber wahrscheinlich mit uns das Urteil abgeben, daß ihnen eine
etwas mehr idealisirte, im Dialekt leicht retouchirte und dadurch im ganzen des
sprachlichen Ausdrucks mehr künstlerisch zusciinmengestimmte Darstellung lieber wäre.
Aber die Kunstdevise des Jahrhundertschlusses lautet nun einmal: Natur und wieder
Natur! und so kann es auch wohl nicht mehr (um lessingisch zu reden) des Kunst¬
richters Sache sein, zu nehmen oder gar zu bestimmen, wie viel in diesem Betracht
das Publikum der nächsten Zeit noch werde vertragen könne». Der Strom, der
überläuft, hat sich ja immer noch wieder in sein Bett zurückgefunden.


Zu Shakespeare. Shakespeare als Mensch und als Christ.

Eine
Studie von Julius Schiller (Leipzig, Deichert) ist hübsch ausgestattet und fein
geschrieben. Eingehender werden Maebeth und Hamlet behandelt. Das Thema
ist berechtigt und ergiebig. Vielleicht hat für den Verfasser der Hinweis auf eine
nun wohl fast vergessene sehr geistreiche und umfassende Erörterung des Gegen¬
standes Interesse. Sie steht in der Hengstenbergischen Evangelischen Kirchenzeitung,
in einem der Jahrgänge aus dem Ende der fünfziger Jahre und ist K. v. H. unter¬
zeichnet.


Shakespeares Selbstbekenntnisse.

Hamlet und sein Urbild von Her¬
mann Conrad (Stuttgart, Metzler). Geistreich und interessant! Das Buch be¬
ruht auf sorgfältigen Studien über die zeitgenössische englische Gesellschaft. Der
Freund der Sonette ist nach dem Verfasser Graf Robert Essex, der Sohn des
Grafen Walter, und derselbe hätte auch zu dem Charakter Hamlets viele Züge
geliefert. Sehr vieles leuchtet unmittelbar ein. Das letzte Wort ist allerdings
noch nicht gesprochen,, aber des Verfassers Buch steht hoch über den vielerlei äußerlich
ähnlichen Veröffentlichungen der Shakespearelitteratur.






Für die Redaktion verantwortlich! Johannes Grunow in Leipzig
Verlag von Fr. Will). Grunow in Leipzig. — Druck von Carl Marquart in Leipzig
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[0392] Litteratur tümlichern Ausdrücke sind außerdem hochdeutsch unter den Text gesetzt. Die Ge¬ schichte rückt zuerst nicht recht vorwärts und schleppt bedenklich, da die Ereignisse etwas trivial sind und weit auseinandergezogen werden. Allmählich gewinnt sie aber Interesse, und daß der Leser, der sich eben für die Familie A zu erwärmen angefangen hat, nun plötzlich durch die Familie B noch mehr gefesselt zu werden meint und bald darauf nicht mehr weiß, welche der beiden ihm die liebere ist, zeigt doch, daß wirkliches Leben darin enthalten ist, und daß der Verfasser die Kunst des Schilderns versteht. Den Landesangehörigen wird das Buch sogar sehr zusagen, sie haben frühere Geschichten desselben Verfassers mit großem Beifall auf¬ genommen. Litterarisch erfahrnere Leser, die mit dem holsteinischen Volkstum nicht vertraut sind, werden ebenfalls einzelne große Schönheiten darin finden, von ihrem Standpunkt aus aber wahrscheinlich mit uns das Urteil abgeben, daß ihnen eine etwas mehr idealisirte, im Dialekt leicht retouchirte und dadurch im ganzen des sprachlichen Ausdrucks mehr künstlerisch zusciinmengestimmte Darstellung lieber wäre. Aber die Kunstdevise des Jahrhundertschlusses lautet nun einmal: Natur und wieder Natur! und so kann es auch wohl nicht mehr (um lessingisch zu reden) des Kunst¬ richters Sache sein, zu nehmen oder gar zu bestimmen, wie viel in diesem Betracht das Publikum der nächsten Zeit noch werde vertragen könne». Der Strom, der überläuft, hat sich ja immer noch wieder in sein Bett zurückgefunden. Zu Shakespeare. Shakespeare als Mensch und als Christ. Eine Studie von Julius Schiller (Leipzig, Deichert) ist hübsch ausgestattet und fein geschrieben. Eingehender werden Maebeth und Hamlet behandelt. Das Thema ist berechtigt und ergiebig. Vielleicht hat für den Verfasser der Hinweis auf eine nun wohl fast vergessene sehr geistreiche und umfassende Erörterung des Gegen¬ standes Interesse. Sie steht in der Hengstenbergischen Evangelischen Kirchenzeitung, in einem der Jahrgänge aus dem Ende der fünfziger Jahre und ist K. v. H. unter¬ zeichnet. Shakespeares Selbstbekenntnisse. Hamlet und sein Urbild von Her¬ mann Conrad (Stuttgart, Metzler). Geistreich und interessant! Das Buch be¬ ruht auf sorgfältigen Studien über die zeitgenössische englische Gesellschaft. Der Freund der Sonette ist nach dem Verfasser Graf Robert Essex, der Sohn des Grafen Walter, und derselbe hätte auch zu dem Charakter Hamlets viele Züge geliefert. Sehr vieles leuchtet unmittelbar ein. Das letzte Wort ist allerdings noch nicht gesprochen,, aber des Verfassers Buch steht hoch über den vielerlei äußerlich ähnlichen Veröffentlichungen der Shakespearelitteratur. Für die Redaktion verantwortlich! Johannes Grunow in Leipzig Verlag von Fr. Will). Grunow in Leipzig. — Druck von Carl Marquart in Leipzig

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_225585/392>, abgerufen am 29.06.2024.