Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Drittes Vierteljahr.Miquel und Bennigsen gern über das Wesen irgend eines Gegenstandes belehren lassen. Die Er¬ Wenns weiter nichts ist! sagt der deutsche Philister und legt sich aufs Miquel und Bennigsen gern über das Wesen irgend eines Gegenstandes belehren lassen. Die Er¬ Wenns weiter nichts ist! sagt der deutsche Philister und legt sich aufs <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0348" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/225934"/> <fw type="header" place="top"> Miquel und Bennigsen</fw><lb/> <p xml:id="ID_852" prev="#ID_851"> gern über das Wesen irgend eines Gegenstandes belehren lassen. Die Er¬<lb/> eignisse, die sich bei Gelegenheit des Baues einer Sekundärbahn abspielen,<lb/> haben für das Fassungsvermögen des gewöhnlichen Menschen nicht die Beweis¬<lb/> kraft wie dieselben Vorgänge, die vielleicht die Herstellung einer Weltverbindung<lb/> mit sich führen würde. Im Hannoverschen wird auf dem Gebiete eines 1803<lb/> mediatisirten Reichsfürsten eine Kreisbahn gebaut. Aus allen irgend in Be¬<lb/> tracht kommenden Gründen hätte der Anschluß an die Hauptbahn in dem<lb/> Orte hergestellt werden müssen, der auf Grund einer großen Industrie, eines<lb/> lebhaften Handels und einer seinem Reichtum entsprechenden Steuerquote über<lb/> den dritten Teil der Bedeutung des ganzen Kreises in Anspruch nimmt.<lb/> Dennoch wird die Verbindung in dem Städtchen bewerkstelligt, über dessen<lb/> gleichgiltigen Nauchfängen sich die krenelirten Mauern des alten Feudal¬<lb/> schlosses erheben, und auf dem Eröffnungsbankett sagt in Gegenwart des<lb/> Oberpräsidenten von Bennigsen dessen Untergebner, der dem Kreise vorstehende<lb/> Regierungspräsident, daß aus wirtschaftlichen und historischen Gründen der<lb/> Anschluß in der fürstlichen Residenz habe gemacht werden müssen. Für das<lb/> „historisch" könnte einer, der Humor hat, billigerweise einiges Verständnis<lb/> haben, denn da im Mittelalter dem Bauern die Hosen stramm gezogen<lb/> wurden, so zuckt schon aus Gewohnheit die Hand des gebietenden Herrn<lb/> darnach, dieselbe Thätigkeit auch in der Neuzeit zu üben. Dagegen wollen<lb/> bei dem Umwege, den die Bahn macht, und bei der dadurch verursachten Ver¬<lb/> teuerung der Transportkosten die wirtschaftlichen Gründe den reisenden Leuten<lb/> und denen, die Waren zu versenden oder zu empfangen haben, noch immer<lb/> nicht einleuchten. Trotzdem hat diese sonderbare Weisheit Billigung bei einem<lb/> Manne gefunden, der im Jahre 1866 den Partikularismus an einer andern<lb/> Stelle so gründlich abgethan hat.</p><lb/> <p xml:id="ID_853" next="#ID_854"> Wenns weiter nichts ist! sagt der deutsche Philister und legt sich aufs<lb/> andre Ohr, um weiter zu schlafen. — Verzeihung, ein Panamaskandal ist das<lb/> zwar nicht; aber er hat doch allerlei an sich, woran sehr wohl eine zeitgemäße<lb/> Betrachtung geknüpft werden kann. — So? Also darauf läuft die Anzapfung<lb/> hinaus? Aber denken Sie an den Rektor Ahlwardt. Rudolf von Bennigsen<lb/> ist über alle moralischen Verdächtigungen erhaben. — Noch einmal Verzeihung,<lb/> daß ich störe. An eine moralische Verunglimpfung ist nicht im entferntesten<lb/> gedacht worden. Wenn irgend etwas dazu gesagt werden darf, so ist es<lb/> das — — Nun, wenn Bennigsen moralisch unantastbar ist, so mögen Sie<lb/> sich beruhigen. Dergleichen Dinge kommen überall und alle Tage in der Welt<lb/> vor. — Gewiß, aber Sie wollen es mir zu gute halten, daß ich das Ding<lb/> an dem Führer der Nationalliberalen nicht loben kann. Ob es moralisch ist<lb/> oder nicht, darüber naße ich mir kein Urteil an, aber ich frage, wo der Libe¬<lb/> ralismus bleibt, dessen Hort der vornehme Herr ist, wenn er es geschehen läßt,<lb/> daß dem fürstlichen Standesherrn zugewendet wurde, was der Allgemeinheit</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0348]
Miquel und Bennigsen
gern über das Wesen irgend eines Gegenstandes belehren lassen. Die Er¬
eignisse, die sich bei Gelegenheit des Baues einer Sekundärbahn abspielen,
haben für das Fassungsvermögen des gewöhnlichen Menschen nicht die Beweis¬
kraft wie dieselben Vorgänge, die vielleicht die Herstellung einer Weltverbindung
mit sich führen würde. Im Hannoverschen wird auf dem Gebiete eines 1803
mediatisirten Reichsfürsten eine Kreisbahn gebaut. Aus allen irgend in Be¬
tracht kommenden Gründen hätte der Anschluß an die Hauptbahn in dem
Orte hergestellt werden müssen, der auf Grund einer großen Industrie, eines
lebhaften Handels und einer seinem Reichtum entsprechenden Steuerquote über
den dritten Teil der Bedeutung des ganzen Kreises in Anspruch nimmt.
Dennoch wird die Verbindung in dem Städtchen bewerkstelligt, über dessen
gleichgiltigen Nauchfängen sich die krenelirten Mauern des alten Feudal¬
schlosses erheben, und auf dem Eröffnungsbankett sagt in Gegenwart des
Oberpräsidenten von Bennigsen dessen Untergebner, der dem Kreise vorstehende
Regierungspräsident, daß aus wirtschaftlichen und historischen Gründen der
Anschluß in der fürstlichen Residenz habe gemacht werden müssen. Für das
„historisch" könnte einer, der Humor hat, billigerweise einiges Verständnis
haben, denn da im Mittelalter dem Bauern die Hosen stramm gezogen
wurden, so zuckt schon aus Gewohnheit die Hand des gebietenden Herrn
darnach, dieselbe Thätigkeit auch in der Neuzeit zu üben. Dagegen wollen
bei dem Umwege, den die Bahn macht, und bei der dadurch verursachten Ver¬
teuerung der Transportkosten die wirtschaftlichen Gründe den reisenden Leuten
und denen, die Waren zu versenden oder zu empfangen haben, noch immer
nicht einleuchten. Trotzdem hat diese sonderbare Weisheit Billigung bei einem
Manne gefunden, der im Jahre 1866 den Partikularismus an einer andern
Stelle so gründlich abgethan hat.
Wenns weiter nichts ist! sagt der deutsche Philister und legt sich aufs
andre Ohr, um weiter zu schlafen. — Verzeihung, ein Panamaskandal ist das
zwar nicht; aber er hat doch allerlei an sich, woran sehr wohl eine zeitgemäße
Betrachtung geknüpft werden kann. — So? Also darauf läuft die Anzapfung
hinaus? Aber denken Sie an den Rektor Ahlwardt. Rudolf von Bennigsen
ist über alle moralischen Verdächtigungen erhaben. — Noch einmal Verzeihung,
daß ich störe. An eine moralische Verunglimpfung ist nicht im entferntesten
gedacht worden. Wenn irgend etwas dazu gesagt werden darf, so ist es
das — — Nun, wenn Bennigsen moralisch unantastbar ist, so mögen Sie
sich beruhigen. Dergleichen Dinge kommen überall und alle Tage in der Welt
vor. — Gewiß, aber Sie wollen es mir zu gute halten, daß ich das Ding
an dem Führer der Nationalliberalen nicht loben kann. Ob es moralisch ist
oder nicht, darüber naße ich mir kein Urteil an, aber ich frage, wo der Libe¬
ralismus bleibt, dessen Hort der vornehme Herr ist, wenn er es geschehen läßt,
daß dem fürstlichen Standesherrn zugewendet wurde, was der Allgemeinheit
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