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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Drittes Vierteljahr.

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Zur Beförderung und Verabschiedung der Offiziere

Sammlungen, ja selbst im Reichstage während des Kampfes um die Heeres¬
vorlagen des letzten Jahrzehnts vergegenwärtigt, wird dem beipflichten. Nach
allem, was von der preußischen Armeeverwaltung 1866 und 1870 geleistet
worden ist, hat man das unbedingte Vertrauen, daß die deutsche Armee die
erste der Welt ist, und daß sie alles haben wird, wenn es für sie wieder not¬
wendig sein sollte, im Felde aufzutreten. Im übrigen zerbricht man sich den
Kopf nicht und ist ohne weiteres überzeugt, daß es in aller Zukunft auch
immer so sein muß, und Deutschland eine so überlegne Heeres-Macht und
-Leitung entwickeln wird, wie damals, wo nach beispiellosen Siegen noch eine
so gewaltige Armee dastand, daß das Ausland nicht ernstlich wagte, in die
Gestaltung des neuen Reiches durch seinen ersten Kanzler hineinzureden. Die
Diplomaten konnten nicht wieder wie 1815 verderben, "was das Schwert mit
so großen Anstrengungen errungen hatte." Die Wenigsten sind sich darüber
klar, wie viel inzwischen das Ausland von uns gelernt und nachgeahmt hat.
Trotzdem ist das Vertrauen auf unsre Armeeleitung vollauf berechtigt, denn
sie wird bei einer etwaigen Mobilmachung wieder alle Welt überraschendes
leisten. Aber mit einem allgemeinen und unbestimmten Vertrauen wird der
Sache uicht gedient, eher geschadet. Man muß es auch rückhaltlos beweisen,
und nicht aus Gesichtspunkten, die sozialen und bürgerlichen Verhältnissen
entnommen sind, Schwierigkeiten bereiten, die sich bei genaueren Zusehen als
unüberlegt und verkehrt erweisen. In der Peusionirungsfrage ist das leider
geschehen.

Die Pensionirung von Offizieren bezweckt eine Verjüngung des Offizier¬
korps, und die Frage, ob das Heer selbst dadurch geschädigt wird, läßt sich
ohne weiteres verneinen. Mit zu alt gewordnen Offizieren haben schon ver-
schiedne Armeen üble Erfahrungen gemacht. Der möglichen Abschreckung, die
auf häufigern Pensionirungen beruhen könnte, hält auf der andern Seite die
Aussicht ans schnellere Beförderung sicherlich die Wage. Eine Schädigung der
Armee liegt daher in keinem Falle vor. Es kann sich also nur darum handeln,
ob durch die jetzt geübte Art der Penstouirungen das gebotene und vernünftige
Maß überschritten und der Pensionsfonds in ungebührlicher Weise belastet
werde. Zunächst leuchtet ein, daß dieser zunehmen mußte, weil seit anderthalb
Jahrzehnten die Armee, mithin auch das Offizierkorps, eine ansehnliche Ver¬
mehrung erfahren hat. Man braucht diesen Zuwachs nicht für besonders wichtig
anzusehen, weil der größte Teil der verwendeten Gelder auf ältere Offiziere
fällt, die der Mehrzahl nach so wie so pensionirt worden wären; er ist mehr
für die Zukunft von Wichtigkeit, weil sich daraus ergiebt, daß auch nach Durch¬
führung der Verjüngung des Offizierkorps auf eine Erniedrigung des Pensions¬
fonds kaum gerechnet werden kann.

Die Handhabung unsers Veförderungssystems erfordert eine gewisse Stetig¬
keit. Wird diese durch Rücksichten und Verhältnisse aufgehalten, so ist ein


Zur Beförderung und Verabschiedung der Offiziere

Sammlungen, ja selbst im Reichstage während des Kampfes um die Heeres¬
vorlagen des letzten Jahrzehnts vergegenwärtigt, wird dem beipflichten. Nach
allem, was von der preußischen Armeeverwaltung 1866 und 1870 geleistet
worden ist, hat man das unbedingte Vertrauen, daß die deutsche Armee die
erste der Welt ist, und daß sie alles haben wird, wenn es für sie wieder not¬
wendig sein sollte, im Felde aufzutreten. Im übrigen zerbricht man sich den
Kopf nicht und ist ohne weiteres überzeugt, daß es in aller Zukunft auch
immer so sein muß, und Deutschland eine so überlegne Heeres-Macht und
-Leitung entwickeln wird, wie damals, wo nach beispiellosen Siegen noch eine
so gewaltige Armee dastand, daß das Ausland nicht ernstlich wagte, in die
Gestaltung des neuen Reiches durch seinen ersten Kanzler hineinzureden. Die
Diplomaten konnten nicht wieder wie 1815 verderben, „was das Schwert mit
so großen Anstrengungen errungen hatte." Die Wenigsten sind sich darüber
klar, wie viel inzwischen das Ausland von uns gelernt und nachgeahmt hat.
Trotzdem ist das Vertrauen auf unsre Armeeleitung vollauf berechtigt, denn
sie wird bei einer etwaigen Mobilmachung wieder alle Welt überraschendes
leisten. Aber mit einem allgemeinen und unbestimmten Vertrauen wird der
Sache uicht gedient, eher geschadet. Man muß es auch rückhaltlos beweisen,
und nicht aus Gesichtspunkten, die sozialen und bürgerlichen Verhältnissen
entnommen sind, Schwierigkeiten bereiten, die sich bei genaueren Zusehen als
unüberlegt und verkehrt erweisen. In der Peusionirungsfrage ist das leider
geschehen.

Die Pensionirung von Offizieren bezweckt eine Verjüngung des Offizier¬
korps, und die Frage, ob das Heer selbst dadurch geschädigt wird, läßt sich
ohne weiteres verneinen. Mit zu alt gewordnen Offizieren haben schon ver-
schiedne Armeen üble Erfahrungen gemacht. Der möglichen Abschreckung, die
auf häufigern Pensionirungen beruhen könnte, hält auf der andern Seite die
Aussicht ans schnellere Beförderung sicherlich die Wage. Eine Schädigung der
Armee liegt daher in keinem Falle vor. Es kann sich also nur darum handeln,
ob durch die jetzt geübte Art der Penstouirungen das gebotene und vernünftige
Maß überschritten und der Pensionsfonds in ungebührlicher Weise belastet
werde. Zunächst leuchtet ein, daß dieser zunehmen mußte, weil seit anderthalb
Jahrzehnten die Armee, mithin auch das Offizierkorps, eine ansehnliche Ver¬
mehrung erfahren hat. Man braucht diesen Zuwachs nicht für besonders wichtig
anzusehen, weil der größte Teil der verwendeten Gelder auf ältere Offiziere
fällt, die der Mehrzahl nach so wie so pensionirt worden wären; er ist mehr
für die Zukunft von Wichtigkeit, weil sich daraus ergiebt, daß auch nach Durch¬
führung der Verjüngung des Offizierkorps auf eine Erniedrigung des Pensions¬
fonds kaum gerechnet werden kann.

Die Handhabung unsers Veförderungssystems erfordert eine gewisse Stetig¬
keit. Wird diese durch Rücksichten und Verhältnisse aufgehalten, so ist ein


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[0301] Zur Beförderung und Verabschiedung der Offiziere Sammlungen, ja selbst im Reichstage während des Kampfes um die Heeres¬ vorlagen des letzten Jahrzehnts vergegenwärtigt, wird dem beipflichten. Nach allem, was von der preußischen Armeeverwaltung 1866 und 1870 geleistet worden ist, hat man das unbedingte Vertrauen, daß die deutsche Armee die erste der Welt ist, und daß sie alles haben wird, wenn es für sie wieder not¬ wendig sein sollte, im Felde aufzutreten. Im übrigen zerbricht man sich den Kopf nicht und ist ohne weiteres überzeugt, daß es in aller Zukunft auch immer so sein muß, und Deutschland eine so überlegne Heeres-Macht und -Leitung entwickeln wird, wie damals, wo nach beispiellosen Siegen noch eine so gewaltige Armee dastand, daß das Ausland nicht ernstlich wagte, in die Gestaltung des neuen Reiches durch seinen ersten Kanzler hineinzureden. Die Diplomaten konnten nicht wieder wie 1815 verderben, „was das Schwert mit so großen Anstrengungen errungen hatte." Die Wenigsten sind sich darüber klar, wie viel inzwischen das Ausland von uns gelernt und nachgeahmt hat. Trotzdem ist das Vertrauen auf unsre Armeeleitung vollauf berechtigt, denn sie wird bei einer etwaigen Mobilmachung wieder alle Welt überraschendes leisten. Aber mit einem allgemeinen und unbestimmten Vertrauen wird der Sache uicht gedient, eher geschadet. Man muß es auch rückhaltlos beweisen, und nicht aus Gesichtspunkten, die sozialen und bürgerlichen Verhältnissen entnommen sind, Schwierigkeiten bereiten, die sich bei genaueren Zusehen als unüberlegt und verkehrt erweisen. In der Peusionirungsfrage ist das leider geschehen. Die Pensionirung von Offizieren bezweckt eine Verjüngung des Offizier¬ korps, und die Frage, ob das Heer selbst dadurch geschädigt wird, läßt sich ohne weiteres verneinen. Mit zu alt gewordnen Offizieren haben schon ver- schiedne Armeen üble Erfahrungen gemacht. Der möglichen Abschreckung, die auf häufigern Pensionirungen beruhen könnte, hält auf der andern Seite die Aussicht ans schnellere Beförderung sicherlich die Wage. Eine Schädigung der Armee liegt daher in keinem Falle vor. Es kann sich also nur darum handeln, ob durch die jetzt geübte Art der Penstouirungen das gebotene und vernünftige Maß überschritten und der Pensionsfonds in ungebührlicher Weise belastet werde. Zunächst leuchtet ein, daß dieser zunehmen mußte, weil seit anderthalb Jahrzehnten die Armee, mithin auch das Offizierkorps, eine ansehnliche Ver¬ mehrung erfahren hat. Man braucht diesen Zuwachs nicht für besonders wichtig anzusehen, weil der größte Teil der verwendeten Gelder auf ältere Offiziere fällt, die der Mehrzahl nach so wie so pensionirt worden wären; er ist mehr für die Zukunft von Wichtigkeit, weil sich daraus ergiebt, daß auch nach Durch¬ führung der Verjüngung des Offizierkorps auf eine Erniedrigung des Pensions¬ fonds kaum gerechnet werden kann. Die Handhabung unsers Veförderungssystems erfordert eine gewisse Stetig¬ keit. Wird diese durch Rücksichten und Verhältnisse aufgehalten, so ist ein

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_225585/301>, abgerufen am 29.12.2024.