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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Drittes Vierteljahr.

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Gin Grundübel unsrer Strafrechtspflege

dem Handwerk und erhält, da er einen Fleischerladen mit einem Friseurladen
verwechselt und dort ein Stückchen Wurst gebettelt hat, obwohl bisher noch
nie bestraft, sofort zwanzig Tage Haft. V. D. aus L., Fabrikarbeiter, eben¬
falls auf der Wanderschaft begriffen, wird in derselben Stadt beim Vetteln
betroffen und obwohl noch nie bestraft, auf zwanzig Tage eingesperrt.
Th. O. aus U., Knecht, neunzehn Jahre alt, einmal wegen Widerstands mit
sieben Wochen Gefängnis bestraft, erhält zum erstenmale wegen Bettelns er¬
griffen zwanzig Tage Haft. I. K. aus K., Fleischergeselle, Handwerksbursche,
achtzehn Jahre alt, noch nie bestraft, wird wegen Bettelns mit zwanzig Tagen
Haft belegt. C. G. K., Gärtner, aus dem Gefängnis zu B. nach dreijähriger
Strafe entlassen, die er wegen falscher Anschuldigung verbüßt hat, geht wegen
Arbeitslosigkeit auf die Wanderschaft. Beim Betteln betroffen, wandert er
sofort auf dreißig Tage in Haft. H. M. aus B., einundfünfzig Jahre alt,
Tischlergeselle, einmal wegen Bettelns mit einem Tag Haft bestraft, bettelt aus
Hunger. Urteil: dreißig Tage Haft. F. M. aus K., einunddreißig Jahre alt,
Gerber, noch nie bestraft, erhält als erste Strafe wegen Bettelns zwanzig Tage
Haft. Der Tagelöhner Chr. E., fünfzig Jahre alt, noch nicht bestraft, bettelt
in der Not; Urteil: zehn Tage Haft. Der Tischler K. H. aus L., neunzehn
Jahre alt, noch nicht bestraft, als Handwerksbursche auf Wanderschaft, erhält
wegen Bettelns als erste Strafe dreißig Tage Haft. Außer diesen Füllen, die
hauptsächlich Handwerksburschen oder arbeitslose junge Leute betreffen, hier
noch einige andre Fülle. Ein sechzigjähriger Tagelöhner I. sah. aus M. ist
seit dem 18. Januar 1893, wo er wegen Bettelns drei Tage Haft verbüßte,
nicht in der Strafanstalt gewesen, scheint sich also ehrlich bemüht zu haben,
sein tägliches Brot zu verdienen. Jetzt erhält er wegen Bettelns -- infolge
des ungünstigen Frühjahrs haben die Erdarbeiten zeitweilig unterbrochen
werden müssen -- dreißig Tage Haft. Der sechsundvierzigjührige C. H. hat
am 28. November 1891 eine fünftägige Haststrafe verbüßt. Seit dieser Zeit
ist er nicht wiedergekommen. Arbeitslos geworden, erhält er jetzt wegen
Bettelns vierzig Tage Haft. Der zweiundfünfzigjührige Tagelöhner C. B.
aus G- hat seine letzte fünftägige Haftstrafe am 9. März 1894 verbüßt. Nach
mehr als drei Jahren erhält er wegen Bettelns eine Strafe von zwanzig Tagen.
Der fünfundfünfzigjährige H. H. aus E., einmal wegen Diebstahls mit drei
Jahren Zuchthaus bestraft, bettelt aus Not und erhält als erste Bettelstrafe
fünfundzwanzig Tage Haft. Der schon unzähligem"! wegen Bettelns bestrafte
achtundfünfzigjährige I. G. aus G. hat vor vielen Jahren einmal ein Auge
verloren. In diesem Frühjahr bricht er zum zweitenmal den Arm. Am 4. Mai
aus dem Krankenhause entlassen, findet der alte Mann, innerhalb von vier
Tagen, nicht sofort Arbeit und erhält am 8. Mai wieder zwanzig Tage Haft,
da die Polizei von jedem Bettler und Arbeitslosen verlangt, daß er einen
Schein unterzeichnet, auf dem er sich verpflichtet, sich binnen vier Tagen


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dem Handwerk und erhält, da er einen Fleischerladen mit einem Friseurladen
verwechselt und dort ein Stückchen Wurst gebettelt hat, obwohl bisher noch
nie bestraft, sofort zwanzig Tage Haft. V. D. aus L., Fabrikarbeiter, eben¬
falls auf der Wanderschaft begriffen, wird in derselben Stadt beim Vetteln
betroffen und obwohl noch nie bestraft, auf zwanzig Tage eingesperrt.
Th. O. aus U., Knecht, neunzehn Jahre alt, einmal wegen Widerstands mit
sieben Wochen Gefängnis bestraft, erhält zum erstenmale wegen Bettelns er¬
griffen zwanzig Tage Haft. I. K. aus K., Fleischergeselle, Handwerksbursche,
achtzehn Jahre alt, noch nie bestraft, wird wegen Bettelns mit zwanzig Tagen
Haft belegt. C. G. K., Gärtner, aus dem Gefängnis zu B. nach dreijähriger
Strafe entlassen, die er wegen falscher Anschuldigung verbüßt hat, geht wegen
Arbeitslosigkeit auf die Wanderschaft. Beim Betteln betroffen, wandert er
sofort auf dreißig Tage in Haft. H. M. aus B., einundfünfzig Jahre alt,
Tischlergeselle, einmal wegen Bettelns mit einem Tag Haft bestraft, bettelt aus
Hunger. Urteil: dreißig Tage Haft. F. M. aus K., einunddreißig Jahre alt,
Gerber, noch nie bestraft, erhält als erste Strafe wegen Bettelns zwanzig Tage
Haft. Der Tagelöhner Chr. E., fünfzig Jahre alt, noch nicht bestraft, bettelt
in der Not; Urteil: zehn Tage Haft. Der Tischler K. H. aus L., neunzehn
Jahre alt, noch nicht bestraft, als Handwerksbursche auf Wanderschaft, erhält
wegen Bettelns als erste Strafe dreißig Tage Haft. Außer diesen Füllen, die
hauptsächlich Handwerksburschen oder arbeitslose junge Leute betreffen, hier
noch einige andre Fülle. Ein sechzigjähriger Tagelöhner I. sah. aus M. ist
seit dem 18. Januar 1893, wo er wegen Bettelns drei Tage Haft verbüßte,
nicht in der Strafanstalt gewesen, scheint sich also ehrlich bemüht zu haben,
sein tägliches Brot zu verdienen. Jetzt erhält er wegen Bettelns — infolge
des ungünstigen Frühjahrs haben die Erdarbeiten zeitweilig unterbrochen
werden müssen — dreißig Tage Haft. Der sechsundvierzigjührige C. H. hat
am 28. November 1891 eine fünftägige Haststrafe verbüßt. Seit dieser Zeit
ist er nicht wiedergekommen. Arbeitslos geworden, erhält er jetzt wegen
Bettelns vierzig Tage Haft. Der zweiundfünfzigjührige Tagelöhner C. B.
aus G- hat seine letzte fünftägige Haftstrafe am 9. März 1894 verbüßt. Nach
mehr als drei Jahren erhält er wegen Bettelns eine Strafe von zwanzig Tagen.
Der fünfundfünfzigjährige H. H. aus E., einmal wegen Diebstahls mit drei
Jahren Zuchthaus bestraft, bettelt aus Not und erhält als erste Bettelstrafe
fünfundzwanzig Tage Haft. Der schon unzähligem«! wegen Bettelns bestrafte
achtundfünfzigjährige I. G. aus G. hat vor vielen Jahren einmal ein Auge
verloren. In diesem Frühjahr bricht er zum zweitenmal den Arm. Am 4. Mai
aus dem Krankenhause entlassen, findet der alte Mann, innerhalb von vier
Tagen, nicht sofort Arbeit und erhält am 8. Mai wieder zwanzig Tage Haft,
da die Polizei von jedem Bettler und Arbeitslosen verlangt, daß er einen
Schein unterzeichnet, auf dem er sich verpflichtet, sich binnen vier Tagen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_225585/260>, abgerufen am 29.12.2024.