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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Drittes Vierteljahr.

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Die Alten und die Jungen in der Flottenfrage

Mangel einer Seemacht liegt! Da aber auch "abstrakte Deduktionen" sehr
wichtige Ergebnisse haben können, so ist es gleichgiltig, welche Bezeichnung
Mars und seine Gesinnungsgenossen für unsre Beweisführung wählen wollen.

Unser Heer kann unsre Interessen nur gegen die beiden Nachbarn im
Osten und Westen des Festlands schützen. Die Gegensätze zu diesen Nachbarn
haben sich ja stark abgeschwächt und werden sich voraussichtlich noch mehr
abschwächen, in demselben Maße, wie sich die wirtschaftlichen Interessen auf
dem Festlande gegen den einen großen wirtschaftlichen Gegner zusammenschließen
müssen. Deutschland ist nächst England am stärksten am Weltverkehr, am
Seehandel und an der Schiffahrt beteiligt; in Hamburg könnte Mars lernen,
daß Merkur Erzeugnisse des deutschen Gewerbfleißes nach allen Ländern des
Erdballs sührt. In Hamburg und Bremen kann aber auch jeder lernen, daß
der wirtschaftliche Wettkampf zwischen den Völkern der Erde täglich hitziger
wird. Nur Macht schafft Recht in diesem Wettstreit, oder wie die Berliner
Neuesten Nachrichten kürzlich treffend ausführten: "Die Streitkräfte großer
Nationen haben im Wesentlichen den Beruf, ihren Völkern die wirtschaftliche
Existenz zu sichern, auf der die politische Existenz beruht." Dieser Kampf
unsrer Landsleute um die wirtschaftliche Existenz ist in den dreiundeinhalb Jahr¬
zehnten, seit das Heer geschaffen wurde, ungeheuer gewachsen, sowohl in der
Höhe des Warenumsatzes, als auch in seiner Ausdehnung über die Länder der
Erde. Welchen Schaden die Hemmung dieser Entwicklung Deutschland bringen
würde, hat der allbekannte Artikel des LxsotAtor im vorigen Jahre drastisch
genug geschildert. Da es sich dabei fast nur um überseeische Handels¬
verbindungen handelt, so ist Deutschland ohne ausreichende Flotte gänzlich
unfähig, seine wirtschaftlichen Interessen genügend zu vertreten. Alle Opfer
an Gut und Blut, alle Millionen und Milliarden, die für Deutschlands
Einigung und Kultnrentfaltung aufgewendet worden sind, wären vergeudet,
wenn es nicht gelänge, dem Reiche einen sichern Schutz in dem wirtschaftlichen
Kampfe mit den übrigen Mächten zu schaffen. Diesen Schutz kann aber allein
eine starke Flotte gewähren, weil ihre Kraft so weit reicht wie unsre Handels¬
interessen, während für das Landheer das Meer die Grenze des Machtbereichs
bildet. Als Schützerin unsrer wirtschaftlichen Existenz ist aber eine starke Flotte
auch zur zweckmüßigen, also verständigen Lösung unsrer sozialen Frage berufen;
denn sie sichert und fördert die Stetigkeit der Gewerbthütigkeit schon in Friedens¬
zeiten. Nur durch starken Export und bei hinreichenden Absatzgebieten kann
das leibliche und geistige Wohl unsrer Arbeitermassen und damit auch ihre
Freude am Dasein und an der Entwicklung der Macht des Vaterlands gehoben
werden. Eine starke Flotte bringt den Arbeitern hohe Löhne; in England
haben die Arbeiter das längst begriffen. Bei uns werden sie sich ohne Zweifel
auch noch davon überzeugen lassen, denn die Wahrheit des Satzes liegt klar
vor aller Augen.


Die Alten und die Jungen in der Flottenfrage

Mangel einer Seemacht liegt! Da aber auch „abstrakte Deduktionen" sehr
wichtige Ergebnisse haben können, so ist es gleichgiltig, welche Bezeichnung
Mars und seine Gesinnungsgenossen für unsre Beweisführung wählen wollen.

Unser Heer kann unsre Interessen nur gegen die beiden Nachbarn im
Osten und Westen des Festlands schützen. Die Gegensätze zu diesen Nachbarn
haben sich ja stark abgeschwächt und werden sich voraussichtlich noch mehr
abschwächen, in demselben Maße, wie sich die wirtschaftlichen Interessen auf
dem Festlande gegen den einen großen wirtschaftlichen Gegner zusammenschließen
müssen. Deutschland ist nächst England am stärksten am Weltverkehr, am
Seehandel und an der Schiffahrt beteiligt; in Hamburg könnte Mars lernen,
daß Merkur Erzeugnisse des deutschen Gewerbfleißes nach allen Ländern des
Erdballs sührt. In Hamburg und Bremen kann aber auch jeder lernen, daß
der wirtschaftliche Wettkampf zwischen den Völkern der Erde täglich hitziger
wird. Nur Macht schafft Recht in diesem Wettstreit, oder wie die Berliner
Neuesten Nachrichten kürzlich treffend ausführten: „Die Streitkräfte großer
Nationen haben im Wesentlichen den Beruf, ihren Völkern die wirtschaftliche
Existenz zu sichern, auf der die politische Existenz beruht." Dieser Kampf
unsrer Landsleute um die wirtschaftliche Existenz ist in den dreiundeinhalb Jahr¬
zehnten, seit das Heer geschaffen wurde, ungeheuer gewachsen, sowohl in der
Höhe des Warenumsatzes, als auch in seiner Ausdehnung über die Länder der
Erde. Welchen Schaden die Hemmung dieser Entwicklung Deutschland bringen
würde, hat der allbekannte Artikel des LxsotAtor im vorigen Jahre drastisch
genug geschildert. Da es sich dabei fast nur um überseeische Handels¬
verbindungen handelt, so ist Deutschland ohne ausreichende Flotte gänzlich
unfähig, seine wirtschaftlichen Interessen genügend zu vertreten. Alle Opfer
an Gut und Blut, alle Millionen und Milliarden, die für Deutschlands
Einigung und Kultnrentfaltung aufgewendet worden sind, wären vergeudet,
wenn es nicht gelänge, dem Reiche einen sichern Schutz in dem wirtschaftlichen
Kampfe mit den übrigen Mächten zu schaffen. Diesen Schutz kann aber allein
eine starke Flotte gewähren, weil ihre Kraft so weit reicht wie unsre Handels¬
interessen, während für das Landheer das Meer die Grenze des Machtbereichs
bildet. Als Schützerin unsrer wirtschaftlichen Existenz ist aber eine starke Flotte
auch zur zweckmüßigen, also verständigen Lösung unsrer sozialen Frage berufen;
denn sie sichert und fördert die Stetigkeit der Gewerbthütigkeit schon in Friedens¬
zeiten. Nur durch starken Export und bei hinreichenden Absatzgebieten kann
das leibliche und geistige Wohl unsrer Arbeitermassen und damit auch ihre
Freude am Dasein und an der Entwicklung der Macht des Vaterlands gehoben
werden. Eine starke Flotte bringt den Arbeitern hohe Löhne; in England
haben die Arbeiter das längst begriffen. Bei uns werden sie sich ohne Zweifel
auch noch davon überzeugen lassen, denn die Wahrheit des Satzes liegt klar
vor aller Augen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_225585/252>, abgerufen am 29.12.2024.