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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Zweites Vierteljahr.

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Das Nationaldenkmal Aaiser Wilhelms I. in Berlin

führen zu lassen, fand in weiten Kreisen der Berliner Bevölkerung, die nach Vor¬
bereitungen, die sich ein Vierteljahrhundert hingezogen hatten, endlich etwas sehen
wollten, ebenso lebhafte Zustimmung, wie er in den Kreisen der Architekten
Mißstimmung hervorrief; denn diese sind der Meinung, daß etwas Großes
oder gar relativ Bestes nur aus dem Zusammenwirken möglichst vieler künst¬
lerischer Kräfte, d. h. ans dem Wege eines allgemeinen Wettbewerbes gewonnen
werden könne. Bald sollte es sich aber in einem zweiten, noch drastischern
Falle zeigen, daß der Kaiser kein Freund vou ausgedehnten Konkurrenzen ist,
daß er vielmehr die Meinung derer teilt, die da glauben, daß die Ausführung
großer Pläne durch solche Konkurrenzen eher verschleppt als gefördert wird,
und daß in den großen Konkurrenzen der letzten Jahrzehnte eine Menge künst¬
lerischer Kraft nutzlos verzettelt worden ist, die besser hätte verwendet werden
können.

Als nach den schweren Verlusten, die das deutsche Volk in der ersten
Hälfte des Jahres 1888 erlitten hatte, Ruhe, Sammlung und feste Hoffnung
auf die Zukunft wiedergekehrt waren, fand der Gedanke, dem ersten Kaiser
des neuen Reichs an der Stätte seines gesegneten Wirkens ein Nationaldenkmal
zu errichten, in ganz Deutschland freudigen Wiederhall. Daß man etwas des
großen Kaisers würdiges, d. h. also in diesem Falle etwas außergewöhnliches
zu schaffen hatte, war ebenso selbstverständlich wie das Mittel, das zur Er¬
reichung dieses Zieles anzuwenden war. Wieder also ein allgemeiner Wett¬
bewerb, bei dem die Architekten in den Vordergrund traten, weil die Meinung
aufkam, daß große Denkmalanlagen nur mit hervorragender, sogar über¬
wiegender Mitwirkung der Architektur ausgeführt werden könnten. Aber plötzlich
wendete sich das Blatt: die Architektur, die bis dahin bei öffentlichen Denk¬
mälern nur die Rolle einer Dienerin gespielt hatte, wollte die Herrin sein,
und die Bildhauer wurden zu Handlangern der Architekten herabgedrückt.
Daß diese Meinung wirklich die vorherrschende war, kam in der Mehrzahl
der Konkurrenzentwürfe zum Ausdruck, die im Herbst 1889 ausgestellt wurden.
Um den Konkurrenten einen möglichst freien Spielraum zu lassen, hatte das
Programm fünf Plätze zur Wahl gestellt, und zunächst sollte mit Hilfe der
Konkurrenz der zweckmäßigste Platz ermittelt werden. Die Architekten ent¬
schieden sich natürlich fast sämtlich für die größten, die zu haben waren, um
Raum für die Ausführung ihrer bisweilen höchst phantastischen Pläne zu
gewinnen, für Plätze außerhalb des Brandenburger Thores, wozu große Teile
des Tiergartens ausgerodet werden sollten. Die Volksstimme dagegen sprach
stärker für ein Reiterstandbild ohne architektonische Umgebung auf dem Pariser
Platz, auf der Stätte, die dreimal den Einzug und die feierliche Begrüßung
des ruhmgekrönten Siegers um der Spitze seines todesmutigen Heeres gesehen
hatte. Es wäre die Erfüllung eines idealen Traumes gewesen: am Ostende
der Linden, der großen Triumphstraße, das Reiterstandbild des großen Königs,


Das Nationaldenkmal Aaiser Wilhelms I. in Berlin

führen zu lassen, fand in weiten Kreisen der Berliner Bevölkerung, die nach Vor¬
bereitungen, die sich ein Vierteljahrhundert hingezogen hatten, endlich etwas sehen
wollten, ebenso lebhafte Zustimmung, wie er in den Kreisen der Architekten
Mißstimmung hervorrief; denn diese sind der Meinung, daß etwas Großes
oder gar relativ Bestes nur aus dem Zusammenwirken möglichst vieler künst¬
lerischer Kräfte, d. h. ans dem Wege eines allgemeinen Wettbewerbes gewonnen
werden könne. Bald sollte es sich aber in einem zweiten, noch drastischern
Falle zeigen, daß der Kaiser kein Freund vou ausgedehnten Konkurrenzen ist,
daß er vielmehr die Meinung derer teilt, die da glauben, daß die Ausführung
großer Pläne durch solche Konkurrenzen eher verschleppt als gefördert wird,
und daß in den großen Konkurrenzen der letzten Jahrzehnte eine Menge künst¬
lerischer Kraft nutzlos verzettelt worden ist, die besser hätte verwendet werden
können.

Als nach den schweren Verlusten, die das deutsche Volk in der ersten
Hälfte des Jahres 1888 erlitten hatte, Ruhe, Sammlung und feste Hoffnung
auf die Zukunft wiedergekehrt waren, fand der Gedanke, dem ersten Kaiser
des neuen Reichs an der Stätte seines gesegneten Wirkens ein Nationaldenkmal
zu errichten, in ganz Deutschland freudigen Wiederhall. Daß man etwas des
großen Kaisers würdiges, d. h. also in diesem Falle etwas außergewöhnliches
zu schaffen hatte, war ebenso selbstverständlich wie das Mittel, das zur Er¬
reichung dieses Zieles anzuwenden war. Wieder also ein allgemeiner Wett¬
bewerb, bei dem die Architekten in den Vordergrund traten, weil die Meinung
aufkam, daß große Denkmalanlagen nur mit hervorragender, sogar über¬
wiegender Mitwirkung der Architektur ausgeführt werden könnten. Aber plötzlich
wendete sich das Blatt: die Architektur, die bis dahin bei öffentlichen Denk¬
mälern nur die Rolle einer Dienerin gespielt hatte, wollte die Herrin sein,
und die Bildhauer wurden zu Handlangern der Architekten herabgedrückt.
Daß diese Meinung wirklich die vorherrschende war, kam in der Mehrzahl
der Konkurrenzentwürfe zum Ausdruck, die im Herbst 1889 ausgestellt wurden.
Um den Konkurrenten einen möglichst freien Spielraum zu lassen, hatte das
Programm fünf Plätze zur Wahl gestellt, und zunächst sollte mit Hilfe der
Konkurrenz der zweckmäßigste Platz ermittelt werden. Die Architekten ent¬
schieden sich natürlich fast sämtlich für die größten, die zu haben waren, um
Raum für die Ausführung ihrer bisweilen höchst phantastischen Pläne zu
gewinnen, für Plätze außerhalb des Brandenburger Thores, wozu große Teile
des Tiergartens ausgerodet werden sollten. Die Volksstimme dagegen sprach
stärker für ein Reiterstandbild ohne architektonische Umgebung auf dem Pariser
Platz, auf der Stätte, die dreimal den Einzug und die feierliche Begrüßung
des ruhmgekrönten Siegers um der Spitze seines todesmutigen Heeres gesehen
hatte. Es wäre die Erfüllung eines idealen Traumes gewesen: am Ostende
der Linden, der großen Triumphstraße, das Reiterstandbild des großen Königs,


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[0091] Das Nationaldenkmal Aaiser Wilhelms I. in Berlin führen zu lassen, fand in weiten Kreisen der Berliner Bevölkerung, die nach Vor¬ bereitungen, die sich ein Vierteljahrhundert hingezogen hatten, endlich etwas sehen wollten, ebenso lebhafte Zustimmung, wie er in den Kreisen der Architekten Mißstimmung hervorrief; denn diese sind der Meinung, daß etwas Großes oder gar relativ Bestes nur aus dem Zusammenwirken möglichst vieler künst¬ lerischer Kräfte, d. h. ans dem Wege eines allgemeinen Wettbewerbes gewonnen werden könne. Bald sollte es sich aber in einem zweiten, noch drastischern Falle zeigen, daß der Kaiser kein Freund vou ausgedehnten Konkurrenzen ist, daß er vielmehr die Meinung derer teilt, die da glauben, daß die Ausführung großer Pläne durch solche Konkurrenzen eher verschleppt als gefördert wird, und daß in den großen Konkurrenzen der letzten Jahrzehnte eine Menge künst¬ lerischer Kraft nutzlos verzettelt worden ist, die besser hätte verwendet werden können. Als nach den schweren Verlusten, die das deutsche Volk in der ersten Hälfte des Jahres 1888 erlitten hatte, Ruhe, Sammlung und feste Hoffnung auf die Zukunft wiedergekehrt waren, fand der Gedanke, dem ersten Kaiser des neuen Reichs an der Stätte seines gesegneten Wirkens ein Nationaldenkmal zu errichten, in ganz Deutschland freudigen Wiederhall. Daß man etwas des großen Kaisers würdiges, d. h. also in diesem Falle etwas außergewöhnliches zu schaffen hatte, war ebenso selbstverständlich wie das Mittel, das zur Er¬ reichung dieses Zieles anzuwenden war. Wieder also ein allgemeiner Wett¬ bewerb, bei dem die Architekten in den Vordergrund traten, weil die Meinung aufkam, daß große Denkmalanlagen nur mit hervorragender, sogar über¬ wiegender Mitwirkung der Architektur ausgeführt werden könnten. Aber plötzlich wendete sich das Blatt: die Architektur, die bis dahin bei öffentlichen Denk¬ mälern nur die Rolle einer Dienerin gespielt hatte, wollte die Herrin sein, und die Bildhauer wurden zu Handlangern der Architekten herabgedrückt. Daß diese Meinung wirklich die vorherrschende war, kam in der Mehrzahl der Konkurrenzentwürfe zum Ausdruck, die im Herbst 1889 ausgestellt wurden. Um den Konkurrenten einen möglichst freien Spielraum zu lassen, hatte das Programm fünf Plätze zur Wahl gestellt, und zunächst sollte mit Hilfe der Konkurrenz der zweckmäßigste Platz ermittelt werden. Die Architekten ent¬ schieden sich natürlich fast sämtlich für die größten, die zu haben waren, um Raum für die Ausführung ihrer bisweilen höchst phantastischen Pläne zu gewinnen, für Plätze außerhalb des Brandenburger Thores, wozu große Teile des Tiergartens ausgerodet werden sollten. Die Volksstimme dagegen sprach stärker für ein Reiterstandbild ohne architektonische Umgebung auf dem Pariser Platz, auf der Stätte, die dreimal den Einzug und die feierliche Begrüßung des ruhmgekrönten Siegers um der Spitze seines todesmutigen Heeres gesehen hatte. Es wäre die Erfüllung eines idealen Traumes gewesen: am Ostende der Linden, der großen Triumphstraße, das Reiterstandbild des großen Königs,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_224927/91>, abgerufen am 23.07.2024.