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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Zweites Vierteljahr.

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Das Nationaldenkmal Kaiser Wilhelms I. in Berlin

is in den ersten Jahren nach dem Regierungsantritt Kaiser
Wilhelms II. ein frischer, belebender Zug dnrch alle Gebiete des
öffentlichen Lebens strich, empfand man diese Wohlthat nicht am
wenigsten in dem engern Reiche, das die Künste umfaßt. Wenn
man auch in einem Staate, zu dessen Grundfesten immer noch
die altpreußische Sparsamkeit gehört, nicht den Beginn eines neuen augusteischen
oder mediceischen Zeitalters erwartete, so wußte man doch von Kaiser Wilhelm II.
so viel, daß in ihm, dem gebornen Soldaten, auch ein warmes Herz für die
Künste des Friedens schlug, und daß er zu dem guten Willen, die Künste zu
fördern, Verständnis und Urteil mitbrachte. Kaiser Wilhelm I. hatte dieses
Verständnis nicht, und er war groß und selbstlos genug, das einzusehen und
die Führung und Entscheidung auf diesem Gebiete, soweit es auf das Staats¬
oberhaupt ankam, Berufnern zu überlassen. Wo seine Person selbst als Gegen¬
stand künstlerischer Darstellung in Frage kam, beschränkte er sich immer nur
auf die Kritik des sachlichen, und in rein künstlerischen Dingen ordnete er
seine persönliche Meinung, seinen Geschmack dem Urteil der Fachmänner unter.
Im Gegensatz zu ihm war Kaiser Wilhelm II. von Anfang an entschlossen,
auch auf diesem Gebiete seine eignen Ansichten, sein künstlerisches Glaubens¬
bekenntnis zur Geltung zu bringen. Er nahm jede Gelegenheit wahr, über
seine Ansichten keinen Zweifel aufkommen zu lassen, und es ist -- wir nennen
nur ein Beispiel -- wohl noch in frischer Ecinnernng, wie er, unter dem
Eindruck der Baudenkmäler des alten Roms, über das Reichstagsgebände
Wallvts geurteilt hat, im Gegensatz zu der überwiegenden Mehrheit der Archi¬
tekten, die in ihren Fachblättern und den ihnen zu Gebote stehenden Zeit¬
schriften und Tageblättern ihre absolute Hochschätzung dieses Bauwerks umso
nachdrücklicher betonten.

Im Widerspruch mit ihnen hatte der Kaiser auch um dem Vermächtnis
seines Vaters festgehalten, dem die Errichtung eines protestantischen Doms
in der Hauptstadt zur Herzenssache geworden war und der noch als Kronprinz
einem hervorragenden Baukünstler den Auftrag gegeben hatte, einen von ihm
gefaßten Vangedanken in eine künstlerisch durchgebildete, praktisch durchführbare
Form zu bringen. Der rasche Entschluß Kaiser Wilhelms II., diesen Plan aus-




Das Nationaldenkmal Kaiser Wilhelms I. in Berlin

is in den ersten Jahren nach dem Regierungsantritt Kaiser
Wilhelms II. ein frischer, belebender Zug dnrch alle Gebiete des
öffentlichen Lebens strich, empfand man diese Wohlthat nicht am
wenigsten in dem engern Reiche, das die Künste umfaßt. Wenn
man auch in einem Staate, zu dessen Grundfesten immer noch
die altpreußische Sparsamkeit gehört, nicht den Beginn eines neuen augusteischen
oder mediceischen Zeitalters erwartete, so wußte man doch von Kaiser Wilhelm II.
so viel, daß in ihm, dem gebornen Soldaten, auch ein warmes Herz für die
Künste des Friedens schlug, und daß er zu dem guten Willen, die Künste zu
fördern, Verständnis und Urteil mitbrachte. Kaiser Wilhelm I. hatte dieses
Verständnis nicht, und er war groß und selbstlos genug, das einzusehen und
die Führung und Entscheidung auf diesem Gebiete, soweit es auf das Staats¬
oberhaupt ankam, Berufnern zu überlassen. Wo seine Person selbst als Gegen¬
stand künstlerischer Darstellung in Frage kam, beschränkte er sich immer nur
auf die Kritik des sachlichen, und in rein künstlerischen Dingen ordnete er
seine persönliche Meinung, seinen Geschmack dem Urteil der Fachmänner unter.
Im Gegensatz zu ihm war Kaiser Wilhelm II. von Anfang an entschlossen,
auch auf diesem Gebiete seine eignen Ansichten, sein künstlerisches Glaubens¬
bekenntnis zur Geltung zu bringen. Er nahm jede Gelegenheit wahr, über
seine Ansichten keinen Zweifel aufkommen zu lassen, und es ist — wir nennen
nur ein Beispiel — wohl noch in frischer Ecinnernng, wie er, unter dem
Eindruck der Baudenkmäler des alten Roms, über das Reichstagsgebände
Wallvts geurteilt hat, im Gegensatz zu der überwiegenden Mehrheit der Archi¬
tekten, die in ihren Fachblättern und den ihnen zu Gebote stehenden Zeit¬
schriften und Tageblättern ihre absolute Hochschätzung dieses Bauwerks umso
nachdrücklicher betonten.

Im Widerspruch mit ihnen hatte der Kaiser auch um dem Vermächtnis
seines Vaters festgehalten, dem die Errichtung eines protestantischen Doms
in der Hauptstadt zur Herzenssache geworden war und der noch als Kronprinz
einem hervorragenden Baukünstler den Auftrag gegeben hatte, einen von ihm
gefaßten Vangedanken in eine künstlerisch durchgebildete, praktisch durchführbare
Form zu bringen. Der rasche Entschluß Kaiser Wilhelms II., diesen Plan aus-


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[0090] [Abbildung] Das Nationaldenkmal Kaiser Wilhelms I. in Berlin is in den ersten Jahren nach dem Regierungsantritt Kaiser Wilhelms II. ein frischer, belebender Zug dnrch alle Gebiete des öffentlichen Lebens strich, empfand man diese Wohlthat nicht am wenigsten in dem engern Reiche, das die Künste umfaßt. Wenn man auch in einem Staate, zu dessen Grundfesten immer noch die altpreußische Sparsamkeit gehört, nicht den Beginn eines neuen augusteischen oder mediceischen Zeitalters erwartete, so wußte man doch von Kaiser Wilhelm II. so viel, daß in ihm, dem gebornen Soldaten, auch ein warmes Herz für die Künste des Friedens schlug, und daß er zu dem guten Willen, die Künste zu fördern, Verständnis und Urteil mitbrachte. Kaiser Wilhelm I. hatte dieses Verständnis nicht, und er war groß und selbstlos genug, das einzusehen und die Führung und Entscheidung auf diesem Gebiete, soweit es auf das Staats¬ oberhaupt ankam, Berufnern zu überlassen. Wo seine Person selbst als Gegen¬ stand künstlerischer Darstellung in Frage kam, beschränkte er sich immer nur auf die Kritik des sachlichen, und in rein künstlerischen Dingen ordnete er seine persönliche Meinung, seinen Geschmack dem Urteil der Fachmänner unter. Im Gegensatz zu ihm war Kaiser Wilhelm II. von Anfang an entschlossen, auch auf diesem Gebiete seine eignen Ansichten, sein künstlerisches Glaubens¬ bekenntnis zur Geltung zu bringen. Er nahm jede Gelegenheit wahr, über seine Ansichten keinen Zweifel aufkommen zu lassen, und es ist — wir nennen nur ein Beispiel — wohl noch in frischer Ecinnernng, wie er, unter dem Eindruck der Baudenkmäler des alten Roms, über das Reichstagsgebände Wallvts geurteilt hat, im Gegensatz zu der überwiegenden Mehrheit der Archi¬ tekten, die in ihren Fachblättern und den ihnen zu Gebote stehenden Zeit¬ schriften und Tageblättern ihre absolute Hochschätzung dieses Bauwerks umso nachdrücklicher betonten. Im Widerspruch mit ihnen hatte der Kaiser auch um dem Vermächtnis seines Vaters festgehalten, dem die Errichtung eines protestantischen Doms in der Hauptstadt zur Herzenssache geworden war und der noch als Kronprinz einem hervorragenden Baukünstler den Auftrag gegeben hatte, einen von ihm gefaßten Vangedanken in eine künstlerisch durchgebildete, praktisch durchführbare Form zu bringen. Der rasche Entschluß Kaiser Wilhelms II., diesen Plan aus-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_224927/90>, abgerufen am 23.07.2024.