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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Zweites Vierteljahr.

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Das Nationaldenkmal Kaiser Wilhelms I. in Berlin

der Schlesien erobert und Posen gewonnen hat, am westlichen Ende das Reiter¬
bild des großen Kaisers, der Elsaß und Lothringen dem Erbfeinde wieder
entrissen hat, den Blick auf das Viergespann mit der Siegesgöttin gerichtet,
die er als Jüngling mit seinem doppelt und dreifach von ihm gerächten Vater
aus dem eroberten Paris zurückgeholt hat. Aus dieser schönen Symbolik ist
ebensowenig etwas geworden wie aus den himmelstürmenden Plänen der
Architekten, die mit Millionen wie mit Rechenpfennigen um sich geworfen hatten.

Die Absicht Kaiser Wilhelms II. trat bei der Konkurrenz des Jahres
1889 noch nicht deutlich hervor, obwohl es aufgefallen war, daß nach
Schluß des Ablieferungstermins noch ein Konkurreuzentwurf der Ausstellung
eingereiht wurde, der überdies nicht den Bedingungen des Programms
entsprach. Dieser Entwurf war ganz neutral, und man glaubte daher,
daß sein Schöpfer, Reinhold Begas, damit uur eine Visitenkarte habe ab¬
geben wollen, um wenigstens bei einem großen Wettbewerb nicht unvertreten
zu sein. Es scheint jedoch, daß damals schon der Entschluß des Kaisers fest¬
stand, der sich sowohl für den Platz wie für den ausführenden Künstler ent¬
schieden hatte. Nachdem er sich das alte Kurfürsteuschloß an der Spree zum
Wohnsitz erkoren hatte, war er gewillt, die ganze architektonische Umgebung
mit der künstlerischen Physiognomie des Schlosses in Einklang zu bringen.
Die Häuserreihe an der der Westseite des Schlosses zugekehrten, Schloßfreiheit
genannten Straße verletzte sein ästhetisches Gefühl. Sie wurde denn auch
durch Mittel, die eine Lotterie aufgebracht hatte, beseitigt, und nachdem da¬
durch ein Platz gewonnen war, der zugleich zur Errichtung eines National-
denkmals für ausreichend erachtet wurde, kam die Angelegenheit zur Beschlu߬
fassung an den Bundesrat und den Reichstag. Dieser war damals -- im Juli
1890 -- noch bei weitem nicht so oppositionslustig gestimmt wie heute. Die
Entlassung Bismarcks hatte die einen mit Befriedigung, ja mit Freude erfüllt,
die Thatkraft der andern gelähmt, und so fand sich eine große Mehrheit, die
beschloß, alle weitern Entscheidungen dem Kaiser selbst zu überlasse" und sich
jedes weitern Einspruchs -- bis auf die Geldfrage -- zu enthalten. Bald
darauf fand noch eine engere Konkurrenz statt, an der sich aber nur, weil das
Ergebnis vorauszusehen war, drei Bildhauer und ein Architekt beteiligten.
Das Ergebnis war denn auch, daß Reinhold Vegas zunächst mit einem
detaillirtcn Entwurf für das Denkmal an der festgesetzten Stelle beauftragt
wurde. Zwischen dem Entwurf und der Ausführung verstrich aber ein geraume
Zeit, trotzdem daß die ganze Angelegenheit mit einer selbst am Ende des neun¬
zehnten Jahrhunderts beispiellosen Schnelligkeit betrieben wurde.

Allmühlich war aber die Stimmung im Reichstage dem "neuen Kurs"
gegenüber kühler geworden, und als die Geldfrage zur Entscheidung kam, konnte
es der Reichstag wagen, die geforderte Summe fast um die Hülste zu verkürzen,
weil die Neichöboten wußten, daß die Mehrheit des deutschen Volkes hinter


Das Nationaldenkmal Kaiser Wilhelms I. in Berlin

der Schlesien erobert und Posen gewonnen hat, am westlichen Ende das Reiter¬
bild des großen Kaisers, der Elsaß und Lothringen dem Erbfeinde wieder
entrissen hat, den Blick auf das Viergespann mit der Siegesgöttin gerichtet,
die er als Jüngling mit seinem doppelt und dreifach von ihm gerächten Vater
aus dem eroberten Paris zurückgeholt hat. Aus dieser schönen Symbolik ist
ebensowenig etwas geworden wie aus den himmelstürmenden Plänen der
Architekten, die mit Millionen wie mit Rechenpfennigen um sich geworfen hatten.

Die Absicht Kaiser Wilhelms II. trat bei der Konkurrenz des Jahres
1889 noch nicht deutlich hervor, obwohl es aufgefallen war, daß nach
Schluß des Ablieferungstermins noch ein Konkurreuzentwurf der Ausstellung
eingereiht wurde, der überdies nicht den Bedingungen des Programms
entsprach. Dieser Entwurf war ganz neutral, und man glaubte daher,
daß sein Schöpfer, Reinhold Begas, damit uur eine Visitenkarte habe ab¬
geben wollen, um wenigstens bei einem großen Wettbewerb nicht unvertreten
zu sein. Es scheint jedoch, daß damals schon der Entschluß des Kaisers fest¬
stand, der sich sowohl für den Platz wie für den ausführenden Künstler ent¬
schieden hatte. Nachdem er sich das alte Kurfürsteuschloß an der Spree zum
Wohnsitz erkoren hatte, war er gewillt, die ganze architektonische Umgebung
mit der künstlerischen Physiognomie des Schlosses in Einklang zu bringen.
Die Häuserreihe an der der Westseite des Schlosses zugekehrten, Schloßfreiheit
genannten Straße verletzte sein ästhetisches Gefühl. Sie wurde denn auch
durch Mittel, die eine Lotterie aufgebracht hatte, beseitigt, und nachdem da¬
durch ein Platz gewonnen war, der zugleich zur Errichtung eines National-
denkmals für ausreichend erachtet wurde, kam die Angelegenheit zur Beschlu߬
fassung an den Bundesrat und den Reichstag. Dieser war damals — im Juli
1890 — noch bei weitem nicht so oppositionslustig gestimmt wie heute. Die
Entlassung Bismarcks hatte die einen mit Befriedigung, ja mit Freude erfüllt,
die Thatkraft der andern gelähmt, und so fand sich eine große Mehrheit, die
beschloß, alle weitern Entscheidungen dem Kaiser selbst zu überlasse» und sich
jedes weitern Einspruchs — bis auf die Geldfrage — zu enthalten. Bald
darauf fand noch eine engere Konkurrenz statt, an der sich aber nur, weil das
Ergebnis vorauszusehen war, drei Bildhauer und ein Architekt beteiligten.
Das Ergebnis war denn auch, daß Reinhold Vegas zunächst mit einem
detaillirtcn Entwurf für das Denkmal an der festgesetzten Stelle beauftragt
wurde. Zwischen dem Entwurf und der Ausführung verstrich aber ein geraume
Zeit, trotzdem daß die ganze Angelegenheit mit einer selbst am Ende des neun¬
zehnten Jahrhunderts beispiellosen Schnelligkeit betrieben wurde.

Allmühlich war aber die Stimmung im Reichstage dem „neuen Kurs"
gegenüber kühler geworden, und als die Geldfrage zur Entscheidung kam, konnte
es der Reichstag wagen, die geforderte Summe fast um die Hülste zu verkürzen,
weil die Neichöboten wußten, daß die Mehrheit des deutschen Volkes hinter


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[0092] Das Nationaldenkmal Kaiser Wilhelms I. in Berlin der Schlesien erobert und Posen gewonnen hat, am westlichen Ende das Reiter¬ bild des großen Kaisers, der Elsaß und Lothringen dem Erbfeinde wieder entrissen hat, den Blick auf das Viergespann mit der Siegesgöttin gerichtet, die er als Jüngling mit seinem doppelt und dreifach von ihm gerächten Vater aus dem eroberten Paris zurückgeholt hat. Aus dieser schönen Symbolik ist ebensowenig etwas geworden wie aus den himmelstürmenden Plänen der Architekten, die mit Millionen wie mit Rechenpfennigen um sich geworfen hatten. Die Absicht Kaiser Wilhelms II. trat bei der Konkurrenz des Jahres 1889 noch nicht deutlich hervor, obwohl es aufgefallen war, daß nach Schluß des Ablieferungstermins noch ein Konkurreuzentwurf der Ausstellung eingereiht wurde, der überdies nicht den Bedingungen des Programms entsprach. Dieser Entwurf war ganz neutral, und man glaubte daher, daß sein Schöpfer, Reinhold Begas, damit uur eine Visitenkarte habe ab¬ geben wollen, um wenigstens bei einem großen Wettbewerb nicht unvertreten zu sein. Es scheint jedoch, daß damals schon der Entschluß des Kaisers fest¬ stand, der sich sowohl für den Platz wie für den ausführenden Künstler ent¬ schieden hatte. Nachdem er sich das alte Kurfürsteuschloß an der Spree zum Wohnsitz erkoren hatte, war er gewillt, die ganze architektonische Umgebung mit der künstlerischen Physiognomie des Schlosses in Einklang zu bringen. Die Häuserreihe an der der Westseite des Schlosses zugekehrten, Schloßfreiheit genannten Straße verletzte sein ästhetisches Gefühl. Sie wurde denn auch durch Mittel, die eine Lotterie aufgebracht hatte, beseitigt, und nachdem da¬ durch ein Platz gewonnen war, der zugleich zur Errichtung eines National- denkmals für ausreichend erachtet wurde, kam die Angelegenheit zur Beschlu߬ fassung an den Bundesrat und den Reichstag. Dieser war damals — im Juli 1890 — noch bei weitem nicht so oppositionslustig gestimmt wie heute. Die Entlassung Bismarcks hatte die einen mit Befriedigung, ja mit Freude erfüllt, die Thatkraft der andern gelähmt, und so fand sich eine große Mehrheit, die beschloß, alle weitern Entscheidungen dem Kaiser selbst zu überlasse» und sich jedes weitern Einspruchs — bis auf die Geldfrage — zu enthalten. Bald darauf fand noch eine engere Konkurrenz statt, an der sich aber nur, weil das Ergebnis vorauszusehen war, drei Bildhauer und ein Architekt beteiligten. Das Ergebnis war denn auch, daß Reinhold Vegas zunächst mit einem detaillirtcn Entwurf für das Denkmal an der festgesetzten Stelle beauftragt wurde. Zwischen dem Entwurf und der Ausführung verstrich aber ein geraume Zeit, trotzdem daß die ganze Angelegenheit mit einer selbst am Ende des neun¬ zehnten Jahrhunderts beispiellosen Schnelligkeit betrieben wurde. Allmühlich war aber die Stimmung im Reichstage dem „neuen Kurs" gegenüber kühler geworden, und als die Geldfrage zur Entscheidung kam, konnte es der Reichstag wagen, die geforderte Summe fast um die Hülste zu verkürzen, weil die Neichöboten wußten, daß die Mehrheit des deutschen Volkes hinter

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_224927/92>, abgerufen am 23.07.2024.