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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Zweites Vierteljahr.

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Alte und neue Kunst in Berliner Museen

bilden, die schnell zerplatzen wird. Die unruhigen Köpfe werden ohnehin nichts
mehr daraus lernen, da sie in den Berliner Privatausstellungen schon Bilder
gesehen haben, die Memel, Monet, Degas und Konsorten weit hinter sich lassen.
Es ist also anzunehmen, daß die Berliner Nationalgalerie mit ihren Fort-
schrittsgelüsten zu spät gekommen ist.

Das zweite der beiden Ereignisse in dem Berliner Kunstleben, die den
Anlaß zu diesem Aufsatz gegeben haben, war die erste Lebensäußerung des
"Berliner Museumsvereins," der in aller Stille am 28. April 1896 begründet
worden ist. Damit sind die langen Mühen des Direktors der Gemäldegalerie
nud des Museums von Skulpturen der christlichen Zeit, Dr. Wilhelm Bode,
der als die eigentliche Seele des Vereins zu betrachte" ist, gekrönt worden.
Da die durch den Staatshaushalt zur Verfügung gestellten Mittel zur Ver¬
mehrung der königlichen Sammlungen den hochfliegenden Plänen und dem
glücklichen Erwerbungstalent Bodes nicht genügen, war er schon bald nach
Übernahme seines Amts bestrebt, Kunstfreunde zur Hergäbe ihrer überflüssigen
Mittel für Museumszwecke zu bewegen. Was in Frankreich von vielen reichen
Leuten als selbstverständliche Ehrenpflicht angesehen wird, den Louvre alljährlich
um bedeutende Kunstwerke zu bereichern, konnte unsern deutschen oder -- in
diesem Falle -- preußischen Landsleuten nur sehr langsam und mit Mühe
beigebracht werdeu, obwohl, wie erst jüngst aus Anlaß der Forderungen für
Marinezwecke statistisch nachgewiesen worden ist, Deutschland mindestens so viele
reiche Leute hat wie Frankreich. Der Unterschied ist nur der, daß die reichen
Franzosen ihr Geld viel vornehmer aufzugeben wissen und viel mehr Kunstsinn
haben als die reichen Leute in Deutschland. Wer Gelegenheit hat, bei uns
in reichen Kreisen zu verkehren, wird mit Staunen bemerkt haben, wie Leute,
die ein Jahreseinkommen von einer oder mehreren Millionen haben, oft die
kleinlichsten Bedenken tragen, wenn sie dreihundert oder fünfhundert Mark für
ein in Öl gemaltes Konterfei ihrer werten Person ausgeben sollen. Erst in
neuester Zeit ist hierin eine Wendung zum bessern eingetreten, indem einige
Erzmillionäre den Entschluß gefaßt haben, sich von jungen Künstlern malen zu
lassen, die zu den bevorzugten Bildnismalcrn eines hohen Herrn gehören und
sich diese Ehre von andern natürlich entsprechend bezahlen lassen.

Bodes Regsamkeit und Energie ist unter diesen Verhältnissen um so höher
anzuschlagen. Freilich hat er, wie aus dem von ihm verfaßten ersten Bericht
über die Thätigkeit des Mnseumsvereius hervorgeht, noch mit mancherlei
Schwierigkeiten zu kämpfen. Man liest da allerlei von Vorschüssen, von vor¬
läufigen Erwerbungen, von "leihweiser Überlassung" von Kunstwerken usw.
Die wirklichen Schenkungen bestehen meist aus Werken der Kleinplastik und
einigen Gemälden untergeordneten Ranges. Klarheit über die Zwecke des
Vereins wird erst gewonnen werden, wenn der Verein die Rechte einer
juristischen Person erlangt haben und dann seine Satzungen veröffentlichen


Alte und neue Kunst in Berliner Museen

bilden, die schnell zerplatzen wird. Die unruhigen Köpfe werden ohnehin nichts
mehr daraus lernen, da sie in den Berliner Privatausstellungen schon Bilder
gesehen haben, die Memel, Monet, Degas und Konsorten weit hinter sich lassen.
Es ist also anzunehmen, daß die Berliner Nationalgalerie mit ihren Fort-
schrittsgelüsten zu spät gekommen ist.

Das zweite der beiden Ereignisse in dem Berliner Kunstleben, die den
Anlaß zu diesem Aufsatz gegeben haben, war die erste Lebensäußerung des
„Berliner Museumsvereins," der in aller Stille am 28. April 1896 begründet
worden ist. Damit sind die langen Mühen des Direktors der Gemäldegalerie
nud des Museums von Skulpturen der christlichen Zeit, Dr. Wilhelm Bode,
der als die eigentliche Seele des Vereins zu betrachte» ist, gekrönt worden.
Da die durch den Staatshaushalt zur Verfügung gestellten Mittel zur Ver¬
mehrung der königlichen Sammlungen den hochfliegenden Plänen und dem
glücklichen Erwerbungstalent Bodes nicht genügen, war er schon bald nach
Übernahme seines Amts bestrebt, Kunstfreunde zur Hergäbe ihrer überflüssigen
Mittel für Museumszwecke zu bewegen. Was in Frankreich von vielen reichen
Leuten als selbstverständliche Ehrenpflicht angesehen wird, den Louvre alljährlich
um bedeutende Kunstwerke zu bereichern, konnte unsern deutschen oder — in
diesem Falle — preußischen Landsleuten nur sehr langsam und mit Mühe
beigebracht werdeu, obwohl, wie erst jüngst aus Anlaß der Forderungen für
Marinezwecke statistisch nachgewiesen worden ist, Deutschland mindestens so viele
reiche Leute hat wie Frankreich. Der Unterschied ist nur der, daß die reichen
Franzosen ihr Geld viel vornehmer aufzugeben wissen und viel mehr Kunstsinn
haben als die reichen Leute in Deutschland. Wer Gelegenheit hat, bei uns
in reichen Kreisen zu verkehren, wird mit Staunen bemerkt haben, wie Leute,
die ein Jahreseinkommen von einer oder mehreren Millionen haben, oft die
kleinlichsten Bedenken tragen, wenn sie dreihundert oder fünfhundert Mark für
ein in Öl gemaltes Konterfei ihrer werten Person ausgeben sollen. Erst in
neuester Zeit ist hierin eine Wendung zum bessern eingetreten, indem einige
Erzmillionäre den Entschluß gefaßt haben, sich von jungen Künstlern malen zu
lassen, die zu den bevorzugten Bildnismalcrn eines hohen Herrn gehören und
sich diese Ehre von andern natürlich entsprechend bezahlen lassen.

Bodes Regsamkeit und Energie ist unter diesen Verhältnissen um so höher
anzuschlagen. Freilich hat er, wie aus dem von ihm verfaßten ersten Bericht
über die Thätigkeit des Mnseumsvereius hervorgeht, noch mit mancherlei
Schwierigkeiten zu kämpfen. Man liest da allerlei von Vorschüssen, von vor¬
läufigen Erwerbungen, von „leihweiser Überlassung" von Kunstwerken usw.
Die wirklichen Schenkungen bestehen meist aus Werken der Kleinplastik und
einigen Gemälden untergeordneten Ranges. Klarheit über die Zwecke des
Vereins wird erst gewonnen werden, wenn der Verein die Rechte einer
juristischen Person erlangt haben und dann seine Satzungen veröffentlichen


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[0386] Alte und neue Kunst in Berliner Museen bilden, die schnell zerplatzen wird. Die unruhigen Köpfe werden ohnehin nichts mehr daraus lernen, da sie in den Berliner Privatausstellungen schon Bilder gesehen haben, die Memel, Monet, Degas und Konsorten weit hinter sich lassen. Es ist also anzunehmen, daß die Berliner Nationalgalerie mit ihren Fort- schrittsgelüsten zu spät gekommen ist. Das zweite der beiden Ereignisse in dem Berliner Kunstleben, die den Anlaß zu diesem Aufsatz gegeben haben, war die erste Lebensäußerung des „Berliner Museumsvereins," der in aller Stille am 28. April 1896 begründet worden ist. Damit sind die langen Mühen des Direktors der Gemäldegalerie nud des Museums von Skulpturen der christlichen Zeit, Dr. Wilhelm Bode, der als die eigentliche Seele des Vereins zu betrachte» ist, gekrönt worden. Da die durch den Staatshaushalt zur Verfügung gestellten Mittel zur Ver¬ mehrung der königlichen Sammlungen den hochfliegenden Plänen und dem glücklichen Erwerbungstalent Bodes nicht genügen, war er schon bald nach Übernahme seines Amts bestrebt, Kunstfreunde zur Hergäbe ihrer überflüssigen Mittel für Museumszwecke zu bewegen. Was in Frankreich von vielen reichen Leuten als selbstverständliche Ehrenpflicht angesehen wird, den Louvre alljährlich um bedeutende Kunstwerke zu bereichern, konnte unsern deutschen oder — in diesem Falle — preußischen Landsleuten nur sehr langsam und mit Mühe beigebracht werdeu, obwohl, wie erst jüngst aus Anlaß der Forderungen für Marinezwecke statistisch nachgewiesen worden ist, Deutschland mindestens so viele reiche Leute hat wie Frankreich. Der Unterschied ist nur der, daß die reichen Franzosen ihr Geld viel vornehmer aufzugeben wissen und viel mehr Kunstsinn haben als die reichen Leute in Deutschland. Wer Gelegenheit hat, bei uns in reichen Kreisen zu verkehren, wird mit Staunen bemerkt haben, wie Leute, die ein Jahreseinkommen von einer oder mehreren Millionen haben, oft die kleinlichsten Bedenken tragen, wenn sie dreihundert oder fünfhundert Mark für ein in Öl gemaltes Konterfei ihrer werten Person ausgeben sollen. Erst in neuester Zeit ist hierin eine Wendung zum bessern eingetreten, indem einige Erzmillionäre den Entschluß gefaßt haben, sich von jungen Künstlern malen zu lassen, die zu den bevorzugten Bildnismalcrn eines hohen Herrn gehören und sich diese Ehre von andern natürlich entsprechend bezahlen lassen. Bodes Regsamkeit und Energie ist unter diesen Verhältnissen um so höher anzuschlagen. Freilich hat er, wie aus dem von ihm verfaßten ersten Bericht über die Thätigkeit des Mnseumsvereius hervorgeht, noch mit mancherlei Schwierigkeiten zu kämpfen. Man liest da allerlei von Vorschüssen, von vor¬ läufigen Erwerbungen, von „leihweiser Überlassung" von Kunstwerken usw. Die wirklichen Schenkungen bestehen meist aus Werken der Kleinplastik und einigen Gemälden untergeordneten Ranges. Klarheit über die Zwecke des Vereins wird erst gewonnen werden, wenn der Verein die Rechte einer juristischen Person erlangt haben und dann seine Satzungen veröffentlichen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_224927/386>, abgerufen am 23.07.2024.