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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Zweites Vierteljahr.

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Alte und neue Kunst in Berliner Museen

behörden ist. Ein offizielles Kunstzentrum ist es nicht, und darum haben An¬
käufe für die Berliner Nativnalgalerie in Deutschland keineswegs die Bedeutung
wie in Frankreich Ankäufe für das Luxembonrgmuseum in Paris, der Hauptstadt,
die wirklich das Herz von Frankreich ist. Um so schwerer ist die Beleidigung
für die preußischen Provinzen, wenn von Berlin aus in einer französischen
Kunstzeitschrift die Nachricht verbreitet wird, daß mittelmäßige Bilder, die der
Berliner Nationalgalerie nicht mehr würdig sind, an die Provinzialmuseen
verteilt werden sollen. Wir nehmen an, daß es sich zur Zeit noch um unreise
Pläne handelt. Aber eine Warnung halten wir für nötig, in der Hoffnung,
daß sie irgendwo an entscheidender Stelle Gehör finden werde. Es liegt in
den ewigen Gesetzen alles menschlichen Schaffens, das sich zwischen Werden und
Vergehen abspielt, daß Kunstwerke ebenso schnell veralten wie jedes andre Werk
von Menschenhand. Es ist möglich, daß selbst Menzel, den wir jetzt als den
ersten unsrer Kunst schätzen, diesem Schicksal -- wenigstens in einem Teil seiner
Werke -- nicht entgehen wird. Diese Erwägung muß aber gerade den Hüter
einer öffentlichen deutschen Sammlung dazu treiben, nur Werke solcher Künstler
zu erwerben, die in dem Plane seiner Sammlung liegen. Wenn er sich in
diesen Grenzen hält, wird ihm die Nachwelt auch dann keinen Vorwurf machen
können, wenn er sich einmal geirrt hat. Er hat dann wenigstens der Devise
auf dem ihm anvertrauten Kunsttempel "der deutschen Kunst" gedient, und
niemand wird sagen können, daß er deutsches Geld dem Auslande zugewandt
habe, während die deutschen Künstler während seiner Amtsführung gedarbt
haben. Wir sind darauf gefaßt, daß man diesen Standpunkt als engherzig,
philisterhaft, verbohrt bezeichnen wird, aber wir können uns darauf berufen,
daß der wirkliche Erbauer und Förderer der Berliner Nationalgalerie, Kaiser
Wilhelm I., den vaterländischen, den deutschen Charakter dieser Sammlung
immer entschieden betont hat. Schon in seiner Kabinettsordre vom 16. März
1861 hatte König Wilhelm mir von "einer vaterländischen Galerie von Werken
neuer Künstler" gesprochen, und niemals ist ihm der Gedanke an eine Samm-
lung internationaler Kunstwerke gekommen. Der frühere Kultusminister
von Goßler hat im Anhang zu seiner erwähnten Gedächtnisrede eine Anzahl
von Aktenstücken veröffentlicht, die über die Sorge des Kaisers um die Ver¬
mehrung der Nationalgalerie seit 1871 im einzelnen unterrichten. Es war
für den Kaiser durchaus selbstverständlich, daß nur deutsche Künstler in Betracht
kämen, und nur in wenigen Fällen ist es vorgekommen, daß Schenkungen aus¬
ländischer Kunstwerke mit Rücksicht ans die Geber nicht abgelehnt wurden.

Wir sind nicht so pessimistisch, daß wir glauben, es könne unter der
Herrschaft des Enkels jetzt anders kommen. Nach allem, was verlautet, ist
Kaiser Wilhelm II. den Naturalisten und Impressionisten durchaus nicht hold,
und so wird diese Episode der "Schenkung Berliner Kunstfreunde" an die
Nationalgalerie hoffentlich nur eine Blase in dem unruhige" Meer unsrer Zeit


Grenzboten II 1897 48
Alte und neue Kunst in Berliner Museen

behörden ist. Ein offizielles Kunstzentrum ist es nicht, und darum haben An¬
käufe für die Berliner Nativnalgalerie in Deutschland keineswegs die Bedeutung
wie in Frankreich Ankäufe für das Luxembonrgmuseum in Paris, der Hauptstadt,
die wirklich das Herz von Frankreich ist. Um so schwerer ist die Beleidigung
für die preußischen Provinzen, wenn von Berlin aus in einer französischen
Kunstzeitschrift die Nachricht verbreitet wird, daß mittelmäßige Bilder, die der
Berliner Nationalgalerie nicht mehr würdig sind, an die Provinzialmuseen
verteilt werden sollen. Wir nehmen an, daß es sich zur Zeit noch um unreise
Pläne handelt. Aber eine Warnung halten wir für nötig, in der Hoffnung,
daß sie irgendwo an entscheidender Stelle Gehör finden werde. Es liegt in
den ewigen Gesetzen alles menschlichen Schaffens, das sich zwischen Werden und
Vergehen abspielt, daß Kunstwerke ebenso schnell veralten wie jedes andre Werk
von Menschenhand. Es ist möglich, daß selbst Menzel, den wir jetzt als den
ersten unsrer Kunst schätzen, diesem Schicksal — wenigstens in einem Teil seiner
Werke — nicht entgehen wird. Diese Erwägung muß aber gerade den Hüter
einer öffentlichen deutschen Sammlung dazu treiben, nur Werke solcher Künstler
zu erwerben, die in dem Plane seiner Sammlung liegen. Wenn er sich in
diesen Grenzen hält, wird ihm die Nachwelt auch dann keinen Vorwurf machen
können, wenn er sich einmal geirrt hat. Er hat dann wenigstens der Devise
auf dem ihm anvertrauten Kunsttempel „der deutschen Kunst" gedient, und
niemand wird sagen können, daß er deutsches Geld dem Auslande zugewandt
habe, während die deutschen Künstler während seiner Amtsführung gedarbt
haben. Wir sind darauf gefaßt, daß man diesen Standpunkt als engherzig,
philisterhaft, verbohrt bezeichnen wird, aber wir können uns darauf berufen,
daß der wirkliche Erbauer und Förderer der Berliner Nationalgalerie, Kaiser
Wilhelm I., den vaterländischen, den deutschen Charakter dieser Sammlung
immer entschieden betont hat. Schon in seiner Kabinettsordre vom 16. März
1861 hatte König Wilhelm mir von „einer vaterländischen Galerie von Werken
neuer Künstler" gesprochen, und niemals ist ihm der Gedanke an eine Samm-
lung internationaler Kunstwerke gekommen. Der frühere Kultusminister
von Goßler hat im Anhang zu seiner erwähnten Gedächtnisrede eine Anzahl
von Aktenstücken veröffentlicht, die über die Sorge des Kaisers um die Ver¬
mehrung der Nationalgalerie seit 1871 im einzelnen unterrichten. Es war
für den Kaiser durchaus selbstverständlich, daß nur deutsche Künstler in Betracht
kämen, und nur in wenigen Fällen ist es vorgekommen, daß Schenkungen aus¬
ländischer Kunstwerke mit Rücksicht ans die Geber nicht abgelehnt wurden.

Wir sind nicht so pessimistisch, daß wir glauben, es könne unter der
Herrschaft des Enkels jetzt anders kommen. Nach allem, was verlautet, ist
Kaiser Wilhelm II. den Naturalisten und Impressionisten durchaus nicht hold,
und so wird diese Episode der „Schenkung Berliner Kunstfreunde" an die
Nationalgalerie hoffentlich nur eine Blase in dem unruhige» Meer unsrer Zeit


Grenzboten II 1897 48
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[0385] Alte und neue Kunst in Berliner Museen behörden ist. Ein offizielles Kunstzentrum ist es nicht, und darum haben An¬ käufe für die Berliner Nativnalgalerie in Deutschland keineswegs die Bedeutung wie in Frankreich Ankäufe für das Luxembonrgmuseum in Paris, der Hauptstadt, die wirklich das Herz von Frankreich ist. Um so schwerer ist die Beleidigung für die preußischen Provinzen, wenn von Berlin aus in einer französischen Kunstzeitschrift die Nachricht verbreitet wird, daß mittelmäßige Bilder, die der Berliner Nationalgalerie nicht mehr würdig sind, an die Provinzialmuseen verteilt werden sollen. Wir nehmen an, daß es sich zur Zeit noch um unreise Pläne handelt. Aber eine Warnung halten wir für nötig, in der Hoffnung, daß sie irgendwo an entscheidender Stelle Gehör finden werde. Es liegt in den ewigen Gesetzen alles menschlichen Schaffens, das sich zwischen Werden und Vergehen abspielt, daß Kunstwerke ebenso schnell veralten wie jedes andre Werk von Menschenhand. Es ist möglich, daß selbst Menzel, den wir jetzt als den ersten unsrer Kunst schätzen, diesem Schicksal — wenigstens in einem Teil seiner Werke — nicht entgehen wird. Diese Erwägung muß aber gerade den Hüter einer öffentlichen deutschen Sammlung dazu treiben, nur Werke solcher Künstler zu erwerben, die in dem Plane seiner Sammlung liegen. Wenn er sich in diesen Grenzen hält, wird ihm die Nachwelt auch dann keinen Vorwurf machen können, wenn er sich einmal geirrt hat. Er hat dann wenigstens der Devise auf dem ihm anvertrauten Kunsttempel „der deutschen Kunst" gedient, und niemand wird sagen können, daß er deutsches Geld dem Auslande zugewandt habe, während die deutschen Künstler während seiner Amtsführung gedarbt haben. Wir sind darauf gefaßt, daß man diesen Standpunkt als engherzig, philisterhaft, verbohrt bezeichnen wird, aber wir können uns darauf berufen, daß der wirkliche Erbauer und Förderer der Berliner Nationalgalerie, Kaiser Wilhelm I., den vaterländischen, den deutschen Charakter dieser Sammlung immer entschieden betont hat. Schon in seiner Kabinettsordre vom 16. März 1861 hatte König Wilhelm mir von „einer vaterländischen Galerie von Werken neuer Künstler" gesprochen, und niemals ist ihm der Gedanke an eine Samm- lung internationaler Kunstwerke gekommen. Der frühere Kultusminister von Goßler hat im Anhang zu seiner erwähnten Gedächtnisrede eine Anzahl von Aktenstücken veröffentlicht, die über die Sorge des Kaisers um die Ver¬ mehrung der Nationalgalerie seit 1871 im einzelnen unterrichten. Es war für den Kaiser durchaus selbstverständlich, daß nur deutsche Künstler in Betracht kämen, und nur in wenigen Fällen ist es vorgekommen, daß Schenkungen aus¬ ländischer Kunstwerke mit Rücksicht ans die Geber nicht abgelehnt wurden. Wir sind nicht so pessimistisch, daß wir glauben, es könne unter der Herrschaft des Enkels jetzt anders kommen. Nach allem, was verlautet, ist Kaiser Wilhelm II. den Naturalisten und Impressionisten durchaus nicht hold, und so wird diese Episode der „Schenkung Berliner Kunstfreunde" an die Nationalgalerie hoffentlich nur eine Blase in dem unruhige» Meer unsrer Zeit Grenzboten II 1897 48

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_224927/385>, abgerufen am 23.07.2024.