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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Zweites Vierteljahr.

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Alte und neue Kunst in Berliner Museen

Manne, z. B. dem Beamten, nicht einmal, sich durch Abgabe eines weißen
Zettels der Abstimmung zu enthalten.

Die Gemeindeordnung für die Rheinprovinz von 1845 bestimmte noch,
daß die Gemeindeverordneten dnrch Stimmzettel zu wählen seien, die Gemeinde¬
ordnung von 1850, die bald wieder beseitigt wurde, schrieb dann die öffent¬
liche Abstimmung vor, dies wurde aber mit Erlaß der spätern Städteordnungen
wieder durchbrochen, da nach diesen die Wahl der Bürgermeister und Magistrats¬
mitglieder durchweg durch Stimmzettel geschieht. Man muß also doch bei
Einführung der öffentlichen Wahlen von den Vorzügen des Verfahrens nicht
völlig überzeugt gewesen fein und seine Gefahren gefühlt haben, und so wird
auch immer wieder die Wiederherstellung allgemeiner geheimer Abstimmung für
alle politischen und Gemeindewahlen mit Grund gefordert werden.

Die Frage, ob das Dreiklassenwahlsystem für die Gegenwart berechtigt
sei, ist noch nicht abgeschlossen, sie wird auch durch die Einführung in Hessen
gegen den Widerspruch der Bevölkerung nicht abgeschlossen und immer wieder
brennend werden. Nach den Erfahrungen in meiner amtlichen Thätigkeit
kann ich es mir auch, ungeachtet der Resignation, worein die benachteiligten
minder begüterten Bürger nach und nach versunken sind, nicht als möglich
denken, daß sich dieses Wahlsystem in der Gemeindeverwaltung, insbesondre in
den Städten noch lange wird halten lassen, weil die Voraussetzungen, von
denen man bei de^ Einführung ausgegangen ist, nicht mehr zutreffen. Und
wenn es in der Gemeindeverwaltung nicht mehr zu halten ist, so muß es auch
für die Wahlen zum Abgeordnetenhaus!! fallen. Aber jeder patriotisch denkende
Mann muß wünschen, daß die Reform nicht zu lange verzögert werde, denn
zu lange verzögerte Reformen gehen nur zu oft über die Grenzen des notwendigen
hinaus nud erzengen dann wieder in andern Richtungen neue Ubelstüude.




Alte und neue Kunst in Berliner Museen

u Ende des vorigen Jahres haben zwei Ereignisse in dem
Berliner Kunstleben, über dem seit Jahren eine bleischwere Wolke
lastet, eine gewisse Bewegung hervorgerufen. Es waren nicht
künstlerische Thaten kraftvoller Persönlichkeiten -- ans diese haben
wir in dem kunstfreundlichsten aller Zeitalter längst verzichtet.
Die Alten sind trotz des mächtigen Schutzes von oben müde und unlustig ge¬
worden, weil ihnen die Revolution von unten, die an den höchsten Stellen,
wie es scheint, noch nicht in ihrer ganzen Gefährlichkeit gewürdigt wird, die


Alte und neue Kunst in Berliner Museen

Manne, z. B. dem Beamten, nicht einmal, sich durch Abgabe eines weißen
Zettels der Abstimmung zu enthalten.

Die Gemeindeordnung für die Rheinprovinz von 1845 bestimmte noch,
daß die Gemeindeverordneten dnrch Stimmzettel zu wählen seien, die Gemeinde¬
ordnung von 1850, die bald wieder beseitigt wurde, schrieb dann die öffent¬
liche Abstimmung vor, dies wurde aber mit Erlaß der spätern Städteordnungen
wieder durchbrochen, da nach diesen die Wahl der Bürgermeister und Magistrats¬
mitglieder durchweg durch Stimmzettel geschieht. Man muß also doch bei
Einführung der öffentlichen Wahlen von den Vorzügen des Verfahrens nicht
völlig überzeugt gewesen fein und seine Gefahren gefühlt haben, und so wird
auch immer wieder die Wiederherstellung allgemeiner geheimer Abstimmung für
alle politischen und Gemeindewahlen mit Grund gefordert werden.

Die Frage, ob das Dreiklassenwahlsystem für die Gegenwart berechtigt
sei, ist noch nicht abgeschlossen, sie wird auch durch die Einführung in Hessen
gegen den Widerspruch der Bevölkerung nicht abgeschlossen und immer wieder
brennend werden. Nach den Erfahrungen in meiner amtlichen Thätigkeit
kann ich es mir auch, ungeachtet der Resignation, worein die benachteiligten
minder begüterten Bürger nach und nach versunken sind, nicht als möglich
denken, daß sich dieses Wahlsystem in der Gemeindeverwaltung, insbesondre in
den Städten noch lange wird halten lassen, weil die Voraussetzungen, von
denen man bei de^ Einführung ausgegangen ist, nicht mehr zutreffen. Und
wenn es in der Gemeindeverwaltung nicht mehr zu halten ist, so muß es auch
für die Wahlen zum Abgeordnetenhaus!! fallen. Aber jeder patriotisch denkende
Mann muß wünschen, daß die Reform nicht zu lange verzögert werde, denn
zu lange verzögerte Reformen gehen nur zu oft über die Grenzen des notwendigen
hinaus nud erzengen dann wieder in andern Richtungen neue Ubelstüude.




Alte und neue Kunst in Berliner Museen

u Ende des vorigen Jahres haben zwei Ereignisse in dem
Berliner Kunstleben, über dem seit Jahren eine bleischwere Wolke
lastet, eine gewisse Bewegung hervorgerufen. Es waren nicht
künstlerische Thaten kraftvoller Persönlichkeiten — ans diese haben
wir in dem kunstfreundlichsten aller Zeitalter längst verzichtet.
Die Alten sind trotz des mächtigen Schutzes von oben müde und unlustig ge¬
worden, weil ihnen die Revolution von unten, die an den höchsten Stellen,
wie es scheint, noch nicht in ihrer ganzen Gefährlichkeit gewürdigt wird, die


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[0378] Alte und neue Kunst in Berliner Museen Manne, z. B. dem Beamten, nicht einmal, sich durch Abgabe eines weißen Zettels der Abstimmung zu enthalten. Die Gemeindeordnung für die Rheinprovinz von 1845 bestimmte noch, daß die Gemeindeverordneten dnrch Stimmzettel zu wählen seien, die Gemeinde¬ ordnung von 1850, die bald wieder beseitigt wurde, schrieb dann die öffent¬ liche Abstimmung vor, dies wurde aber mit Erlaß der spätern Städteordnungen wieder durchbrochen, da nach diesen die Wahl der Bürgermeister und Magistrats¬ mitglieder durchweg durch Stimmzettel geschieht. Man muß also doch bei Einführung der öffentlichen Wahlen von den Vorzügen des Verfahrens nicht völlig überzeugt gewesen fein und seine Gefahren gefühlt haben, und so wird auch immer wieder die Wiederherstellung allgemeiner geheimer Abstimmung für alle politischen und Gemeindewahlen mit Grund gefordert werden. Die Frage, ob das Dreiklassenwahlsystem für die Gegenwart berechtigt sei, ist noch nicht abgeschlossen, sie wird auch durch die Einführung in Hessen gegen den Widerspruch der Bevölkerung nicht abgeschlossen und immer wieder brennend werden. Nach den Erfahrungen in meiner amtlichen Thätigkeit kann ich es mir auch, ungeachtet der Resignation, worein die benachteiligten minder begüterten Bürger nach und nach versunken sind, nicht als möglich denken, daß sich dieses Wahlsystem in der Gemeindeverwaltung, insbesondre in den Städten noch lange wird halten lassen, weil die Voraussetzungen, von denen man bei de^ Einführung ausgegangen ist, nicht mehr zutreffen. Und wenn es in der Gemeindeverwaltung nicht mehr zu halten ist, so muß es auch für die Wahlen zum Abgeordnetenhaus!! fallen. Aber jeder patriotisch denkende Mann muß wünschen, daß die Reform nicht zu lange verzögert werde, denn zu lange verzögerte Reformen gehen nur zu oft über die Grenzen des notwendigen hinaus nud erzengen dann wieder in andern Richtungen neue Ubelstüude. Alte und neue Kunst in Berliner Museen u Ende des vorigen Jahres haben zwei Ereignisse in dem Berliner Kunstleben, über dem seit Jahren eine bleischwere Wolke lastet, eine gewisse Bewegung hervorgerufen. Es waren nicht künstlerische Thaten kraftvoller Persönlichkeiten — ans diese haben wir in dem kunstfreundlichsten aller Zeitalter längst verzichtet. Die Alten sind trotz des mächtigen Schutzes von oben müde und unlustig ge¬ worden, weil ihnen die Revolution von unten, die an den höchsten Stellen, wie es scheint, noch nicht in ihrer ganzen Gefährlichkeit gewürdigt wird, die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_224927/378>, abgerufen am 23.07.2024.