Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Zweites Vierteljahr.Das Dreiklassenwahlsystem ein Drittel der Steuern aufzubringen haben, nicht viel abfällt. Die Angehörigen Daß der Mittelstand, der bei Annahme des Dreiklassenwahlsystems doch Das Dreiklassenwahlsystem ein Drittel der Steuern aufzubringen haben, nicht viel abfällt. Die Angehörigen Daß der Mittelstand, der bei Annahme des Dreiklassenwahlsystems doch <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0376" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/225304"/> <fw type="header" place="top"> Das Dreiklassenwahlsystem</fw><lb/> <p xml:id="ID_1265" prev="#ID_1264"> ein Drittel der Steuern aufzubringen haben, nicht viel abfällt. Die Angehörigen<lb/> der dritten Klasse haben auch mehr und mehr erkannt, wie gering die ihren<lb/> Vertretern verbleibende Einwirkung auf die Gemeindeverwaltung ist, und so<lb/> kommt es denn nur zu häufig vor, daß sie gar nicht einen Angehörigen ihrer<lb/> Klasse, sondern einen Angehörigen der ersten oder zweiten Klasse in die<lb/> Gemeindevertretung wählen, weil sie hoffen, daß dieser noch eher eine Berück-<lb/> sichtigungihrer Interessen zu vermitteln imstande sein werde.</p><lb/> <p xml:id="ID_1266" next="#ID_1267"> Daß der Mittelstand, der bei Annahme des Dreiklassenwahlsystems doch<lb/> die zweite Klasse bilden sollte, durch die veränderten Verhältnisse durchweg in<lb/> die dritte Klasse gedrängt, also durch dieses Wahlsystem am meisten benachteiligt<lb/> ist, bestätigen die Ermittlungen des statistischen Amts ans dem Jahre 1893,<lb/> wonach in diesem Jahre der Prozentsatz der Wähler der ersten und zweiten<lb/> Klasse nur den höchsten Satz von 29,29 in den größern Städten, von 18 in<lb/> den kleinern Städten und von 27 in den Landgemeinden erreichte. Aus diesen<lb/> Zahlen ergiebt sich aber auch, daß eine wesentliche Besserung und Abänderung<lb/> des Drciklassenwahlsystems zu Gunsten der Angehörigen der untern Steuer¬<lb/> klassen nicht durch die Bestimmung erreicht werden kann, daß ein bestimmter<lb/> Prozentsatz der Wähler der ersten und zweiten Klasse angehören müßte, wenn<lb/> man nicht diesen Prozentsatz sehr hoch annehmen will. Ein Prozentsatz von<lb/> 5 Prozent für die erste und 10 Prozent für die zweite Klasse, wie er in Bezug<lb/> auf die neue Städte- und Landgemeindeordnung für Hessen-Nassau vorgeschlagen<lb/> worden ist, kann wohl verhindern, daß einige wenige Höchstbesteuerte die Ge¬<lb/> meindeverwaltung beherrschen, aber sonst macht es keinen wesentlichen Unter¬<lb/> schied, ob die erste und zweite Klasse 10 oder 15 oder 30 Prozent der Wühler<lb/> umfassen, und ob die große Masse der Wähler mit 90 oder 85 oder 70 Prozent<lb/> in die dritte Klasse gedrängt ist. Eine gründliche und gleichmäßige Besserstellung<lb/> der weniger hoch Besteuerten und besonders des Mittelstands kann, wenn die<lb/> Bemessung der Wahlberechtigung allein nach der Steuerleistung erhalten werden<lb/> soll, nur durch Vermehrung der Klassen erreicht werden, d. h. es müssen, um<lb/> in der bei der Einführung des Dreiklnsfenwahlsystems angenommnen Auffassung<lb/> zu bleiben, zwischen die Ärmsten und Reichsten nicht nur eine, sondern mehrere<lb/> Klassen eingeschoben werden. Dann wird wieder ein Verhältnis erreicht werden,<lb/> wobei die eingeschobnen Klassen den sie begrenzenden Klassen nach oben und<lb/> nach unten nahe stehe», und alle Interessen gleichmüßig zur Geltung kommen.<lb/> Schon bei vier Klasse» würde in nicht zu großen Gemeinden ein Gleichgewicht<lb/> geschaffen werden, in größern Gemeinden kann bei fünf Klassen durch die mittlere<lb/> Klasse eine Ausgleichung zwischen den Interessen der obern und der untern<lb/> Klassen herbeigeführt werden, und bei sechs Klassen würden wir wieder ein Gleich¬<lb/> gewicht erhalten, das die Unterdrückung der Mehrheit der Steuerzahler ver¬<lb/> hindern würde. Statistische Feststellmigeu würden hierin einen nähern Anhalt<lb/> verschaffen, aber unzweifelhaft dürfte es sein, daß schon bei Vermehrung der</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0376]
Das Dreiklassenwahlsystem
ein Drittel der Steuern aufzubringen haben, nicht viel abfällt. Die Angehörigen
der dritten Klasse haben auch mehr und mehr erkannt, wie gering die ihren
Vertretern verbleibende Einwirkung auf die Gemeindeverwaltung ist, und so
kommt es denn nur zu häufig vor, daß sie gar nicht einen Angehörigen ihrer
Klasse, sondern einen Angehörigen der ersten oder zweiten Klasse in die
Gemeindevertretung wählen, weil sie hoffen, daß dieser noch eher eine Berück-
sichtigungihrer Interessen zu vermitteln imstande sein werde.
Daß der Mittelstand, der bei Annahme des Dreiklassenwahlsystems doch
die zweite Klasse bilden sollte, durch die veränderten Verhältnisse durchweg in
die dritte Klasse gedrängt, also durch dieses Wahlsystem am meisten benachteiligt
ist, bestätigen die Ermittlungen des statistischen Amts ans dem Jahre 1893,
wonach in diesem Jahre der Prozentsatz der Wähler der ersten und zweiten
Klasse nur den höchsten Satz von 29,29 in den größern Städten, von 18 in
den kleinern Städten und von 27 in den Landgemeinden erreichte. Aus diesen
Zahlen ergiebt sich aber auch, daß eine wesentliche Besserung und Abänderung
des Drciklassenwahlsystems zu Gunsten der Angehörigen der untern Steuer¬
klassen nicht durch die Bestimmung erreicht werden kann, daß ein bestimmter
Prozentsatz der Wähler der ersten und zweiten Klasse angehören müßte, wenn
man nicht diesen Prozentsatz sehr hoch annehmen will. Ein Prozentsatz von
5 Prozent für die erste und 10 Prozent für die zweite Klasse, wie er in Bezug
auf die neue Städte- und Landgemeindeordnung für Hessen-Nassau vorgeschlagen
worden ist, kann wohl verhindern, daß einige wenige Höchstbesteuerte die Ge¬
meindeverwaltung beherrschen, aber sonst macht es keinen wesentlichen Unter¬
schied, ob die erste und zweite Klasse 10 oder 15 oder 30 Prozent der Wühler
umfassen, und ob die große Masse der Wähler mit 90 oder 85 oder 70 Prozent
in die dritte Klasse gedrängt ist. Eine gründliche und gleichmäßige Besserstellung
der weniger hoch Besteuerten und besonders des Mittelstands kann, wenn die
Bemessung der Wahlberechtigung allein nach der Steuerleistung erhalten werden
soll, nur durch Vermehrung der Klassen erreicht werden, d. h. es müssen, um
in der bei der Einführung des Dreiklnsfenwahlsystems angenommnen Auffassung
zu bleiben, zwischen die Ärmsten und Reichsten nicht nur eine, sondern mehrere
Klassen eingeschoben werden. Dann wird wieder ein Verhältnis erreicht werden,
wobei die eingeschobnen Klassen den sie begrenzenden Klassen nach oben und
nach unten nahe stehe», und alle Interessen gleichmüßig zur Geltung kommen.
Schon bei vier Klasse» würde in nicht zu großen Gemeinden ein Gleichgewicht
geschaffen werden, in größern Gemeinden kann bei fünf Klassen durch die mittlere
Klasse eine Ausgleichung zwischen den Interessen der obern und der untern
Klassen herbeigeführt werden, und bei sechs Klassen würden wir wieder ein Gleich¬
gewicht erhalten, das die Unterdrückung der Mehrheit der Steuerzahler ver¬
hindern würde. Statistische Feststellmigeu würden hierin einen nähern Anhalt
verschaffen, aber unzweifelhaft dürfte es sein, daß schon bei Vermehrung der
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