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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Zweites Vierteljahr.

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Das Dreiklassenwahlsystem

Das gleiche Wahlrecht aller Bürger war in den angeführten Gesetzen von
den Erfordernissen des Alters, der Unbescholtenheit usw. abhängig gemacht
und nach unten hin durch einen Zensus, d. h. durch das Erfordernis eines
gewissen Vermögensbesitzes oder einer gewissen Steuerleistung beschränkt. In
gleicher Weise ist das Wahlrecht nach dem Dreiklassenwahlsystem von solchen
Erfordernissen abhängig und durch das einer gewissen Steuerleistung in der
Gemeinde nach unten hin beschränkt. In dieser Beziehung stehen also beide
Wahlsysteme einander gleich, und es ist gegen das gleiche Wahlrecht, wie es hier
in Frage gekommen ist, ohne Grund das Bedenken erhoben worden, daß es
einen Teil der Bürger wegen geringer Steuerleistung von der Wahlberechtigung
von vornherein ausschließe. Das ist bei dem Dreiklassenwahlsystem ebenso der
Fall, insbesondre in den Städten, wo nur der das Bürgerrecht erlangen und
damit wahlberechtigt werden kann, der ein Wohnhaus besitzt oder ein Gewerbe
mit Gehilfen betreibt oder einen Steuerbetrag zahlt, der auch den jetzigen nied¬
rigsten Steuersatz übersteigt. Nur erst die Wahlberechtigung für den deutschen
Reichstag ist in dieser Beziehung keiner Beschränkung mehr unterworfen.

Die grundsätzliche Verschiedenheit jenes gleichen Wahlrechts von dem
Dreiklassenwahlrechte liegt darin, daß nach jenem in Bezirken gewählt wurde,
die auch für die übrige Gemeindeverwaltung gebildet waren, daß dagegen nach
dem Dreiklassenwahlsystcm die Wähler zwar unter Umständen auch nach Bezirken
eingeteilt werden müssen, daneben aber immer nach Klassen, und zwar lediglich
nach der Steuerleistung geteilt werden, und daß die Zahl dieser Klassen auf
drei festgesetzt worden ist.

Bergleicht man diese Unterschiede nach ihren Wirkungen auf die Ergeb¬
nisse der Wahlen, so tritt uns zunächst in allen größer" Gemeinden, besonders
in den Städten die Erscheinung entgegen, daß die Einwohner nach der Ver¬
schiedenheit ihrer äußern Verhältnisse auch räumlich getrennt sind, d. h. daß
die Reichen und Wohlhabenden nieist andre Stadtteile bewohnen als die
weniger Wohlhabenden und Armem. Insbesondre suchen die kleinen Bürger
solche Stadtteile auf, wo sich ihnen Wohnungen zu einem ihren Verhältnissen
entsprechenden billigen Mietpreise darbieten. Und unter dem Einfluß der
neuern baupolizeilichen Vorschriften, der Errichtung von Lcmdhausviertelu, der
Zoneneinteilung und der Verweisung der Fabrikbetriebe in bestimmte Stadt¬
teile usw. werden diese Abgrenzungen nur noch befördert und befestigt werden.
Werden also die Gemeinden, wie es im allgemeinen für die Gemeindeverwaltung
zweckmäßig erscheint, nach diesen Rücksichten in Bezirke eingeteilt und wird nach
solchen Bezirken gewählt, so wird das Ergebnis auch bei gleichem Wahlrechte
sein, daß alle Klassen der Bürgerschaft eine ihren Verhältnissen entsprechende
Vertretung in der Gemeindeverwaltung erhalten. So ist es auch dort gewesen,
wo bei gleichem Wahlrechte nach Bezirken gewählt wird, wie z. V. in den
hannoverschen Städten, und aus diesem Grunde hat sich auch die hessische Be¬
völkerung sür Beibehaltung des gleichen Wahlrechts ausgesprochen.


Das Dreiklassenwahlsystem

Das gleiche Wahlrecht aller Bürger war in den angeführten Gesetzen von
den Erfordernissen des Alters, der Unbescholtenheit usw. abhängig gemacht
und nach unten hin durch einen Zensus, d. h. durch das Erfordernis eines
gewissen Vermögensbesitzes oder einer gewissen Steuerleistung beschränkt. In
gleicher Weise ist das Wahlrecht nach dem Dreiklassenwahlsystem von solchen
Erfordernissen abhängig und durch das einer gewissen Steuerleistung in der
Gemeinde nach unten hin beschränkt. In dieser Beziehung stehen also beide
Wahlsysteme einander gleich, und es ist gegen das gleiche Wahlrecht, wie es hier
in Frage gekommen ist, ohne Grund das Bedenken erhoben worden, daß es
einen Teil der Bürger wegen geringer Steuerleistung von der Wahlberechtigung
von vornherein ausschließe. Das ist bei dem Dreiklassenwahlsystem ebenso der
Fall, insbesondre in den Städten, wo nur der das Bürgerrecht erlangen und
damit wahlberechtigt werden kann, der ein Wohnhaus besitzt oder ein Gewerbe
mit Gehilfen betreibt oder einen Steuerbetrag zahlt, der auch den jetzigen nied¬
rigsten Steuersatz übersteigt. Nur erst die Wahlberechtigung für den deutschen
Reichstag ist in dieser Beziehung keiner Beschränkung mehr unterworfen.

Die grundsätzliche Verschiedenheit jenes gleichen Wahlrechts von dem
Dreiklassenwahlrechte liegt darin, daß nach jenem in Bezirken gewählt wurde,
die auch für die übrige Gemeindeverwaltung gebildet waren, daß dagegen nach
dem Dreiklassenwahlsystcm die Wähler zwar unter Umständen auch nach Bezirken
eingeteilt werden müssen, daneben aber immer nach Klassen, und zwar lediglich
nach der Steuerleistung geteilt werden, und daß die Zahl dieser Klassen auf
drei festgesetzt worden ist.

Bergleicht man diese Unterschiede nach ihren Wirkungen auf die Ergeb¬
nisse der Wahlen, so tritt uns zunächst in allen größer» Gemeinden, besonders
in den Städten die Erscheinung entgegen, daß die Einwohner nach der Ver¬
schiedenheit ihrer äußern Verhältnisse auch räumlich getrennt sind, d. h. daß
die Reichen und Wohlhabenden nieist andre Stadtteile bewohnen als die
weniger Wohlhabenden und Armem. Insbesondre suchen die kleinen Bürger
solche Stadtteile auf, wo sich ihnen Wohnungen zu einem ihren Verhältnissen
entsprechenden billigen Mietpreise darbieten. Und unter dem Einfluß der
neuern baupolizeilichen Vorschriften, der Errichtung von Lcmdhausviertelu, der
Zoneneinteilung und der Verweisung der Fabrikbetriebe in bestimmte Stadt¬
teile usw. werden diese Abgrenzungen nur noch befördert und befestigt werden.
Werden also die Gemeinden, wie es im allgemeinen für die Gemeindeverwaltung
zweckmäßig erscheint, nach diesen Rücksichten in Bezirke eingeteilt und wird nach
solchen Bezirken gewählt, so wird das Ergebnis auch bei gleichem Wahlrechte
sein, daß alle Klassen der Bürgerschaft eine ihren Verhältnissen entsprechende
Vertretung in der Gemeindeverwaltung erhalten. So ist es auch dort gewesen,
wo bei gleichem Wahlrechte nach Bezirken gewählt wird, wie z. V. in den
hannoverschen Städten, und aus diesem Grunde hat sich auch die hessische Be¬
völkerung sür Beibehaltung des gleichen Wahlrechts ausgesprochen.


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[0372] Das Dreiklassenwahlsystem Das gleiche Wahlrecht aller Bürger war in den angeführten Gesetzen von den Erfordernissen des Alters, der Unbescholtenheit usw. abhängig gemacht und nach unten hin durch einen Zensus, d. h. durch das Erfordernis eines gewissen Vermögensbesitzes oder einer gewissen Steuerleistung beschränkt. In gleicher Weise ist das Wahlrecht nach dem Dreiklassenwahlsystem von solchen Erfordernissen abhängig und durch das einer gewissen Steuerleistung in der Gemeinde nach unten hin beschränkt. In dieser Beziehung stehen also beide Wahlsysteme einander gleich, und es ist gegen das gleiche Wahlrecht, wie es hier in Frage gekommen ist, ohne Grund das Bedenken erhoben worden, daß es einen Teil der Bürger wegen geringer Steuerleistung von der Wahlberechtigung von vornherein ausschließe. Das ist bei dem Dreiklassenwahlsystem ebenso der Fall, insbesondre in den Städten, wo nur der das Bürgerrecht erlangen und damit wahlberechtigt werden kann, der ein Wohnhaus besitzt oder ein Gewerbe mit Gehilfen betreibt oder einen Steuerbetrag zahlt, der auch den jetzigen nied¬ rigsten Steuersatz übersteigt. Nur erst die Wahlberechtigung für den deutschen Reichstag ist in dieser Beziehung keiner Beschränkung mehr unterworfen. Die grundsätzliche Verschiedenheit jenes gleichen Wahlrechts von dem Dreiklassenwahlrechte liegt darin, daß nach jenem in Bezirken gewählt wurde, die auch für die übrige Gemeindeverwaltung gebildet waren, daß dagegen nach dem Dreiklassenwahlsystcm die Wähler zwar unter Umständen auch nach Bezirken eingeteilt werden müssen, daneben aber immer nach Klassen, und zwar lediglich nach der Steuerleistung geteilt werden, und daß die Zahl dieser Klassen auf drei festgesetzt worden ist. Bergleicht man diese Unterschiede nach ihren Wirkungen auf die Ergeb¬ nisse der Wahlen, so tritt uns zunächst in allen größer» Gemeinden, besonders in den Städten die Erscheinung entgegen, daß die Einwohner nach der Ver¬ schiedenheit ihrer äußern Verhältnisse auch räumlich getrennt sind, d. h. daß die Reichen und Wohlhabenden nieist andre Stadtteile bewohnen als die weniger Wohlhabenden und Armem. Insbesondre suchen die kleinen Bürger solche Stadtteile auf, wo sich ihnen Wohnungen zu einem ihren Verhältnissen entsprechenden billigen Mietpreise darbieten. Und unter dem Einfluß der neuern baupolizeilichen Vorschriften, der Errichtung von Lcmdhausviertelu, der Zoneneinteilung und der Verweisung der Fabrikbetriebe in bestimmte Stadt¬ teile usw. werden diese Abgrenzungen nur noch befördert und befestigt werden. Werden also die Gemeinden, wie es im allgemeinen für die Gemeindeverwaltung zweckmäßig erscheint, nach diesen Rücksichten in Bezirke eingeteilt und wird nach solchen Bezirken gewählt, so wird das Ergebnis auch bei gleichem Wahlrechte sein, daß alle Klassen der Bürgerschaft eine ihren Verhältnissen entsprechende Vertretung in der Gemeindeverwaltung erhalten. So ist es auch dort gewesen, wo bei gleichem Wahlrechte nach Bezirken gewählt wird, wie z. V. in den hannoverschen Städten, und aus diesem Grunde hat sich auch die hessische Be¬ völkerung sür Beibehaltung des gleichen Wahlrechts ausgesprochen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_224927/372>, abgerufen am 23.07.2024.