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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Zweites Vierteljahr.

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Die Memoiren von Paul Barras

Die Revolution, sagt Dnrny, hat größere Feldherrn hervorgebracht. Hoche
und Moreau, Kleber und Massen" waren Kriegsmünner von größerm Zuschnitt.
Bei keinem aber, auch nicht bei Bonaparte, findet sich die sittliche Reinheit,
die sich mit der Dugommiers messen könnte. Nur die zarte, jungfräuliche
Gestalt des Husaren mit den langen Haaren, Mnreecius, könnte dem alten
General an die Seite gestellt werden. Wir verstehen es, wenn die Franzosen
gern in den Erinnerungen an die ersten Kriege der Revolutionszeit verweilen:
außer dem Heldenmut finden sich da Züge einer reinen und hohen Gesinnung,
z- V. wirkliche Vaterlandsliebe, die später bei äußerlich größerm Aufwand der
Kriegführung gründlich verloren gehen; wo von Sittlichkeit die Rede ist, da
gehört freilich Bonaparte, selbst als junger Anfänger, schon nicht mehr hin.
Der Herausgeber findet von seinem Standpunkte aus in der That sehr schöne
Worte, das scheinbar nicht Verträgliche, die Revolution und Napoleon, zu
verbinden. Sie sind für uns lehrreich, wenn wir nicht bloß an den stilistischen
Übertreibungen hängen bleiben, und darum teilen wir einige Sätze im Aus¬
zuge mit.

Barras hat die Löcher in seinem Anzug gezählt, aber das Herz, das
unter diesem durchlöcherten Anzug schlug, wie hätte es Barras ahnen oder
verstehen sollen? Kleines hat keinen Maßstab für Großes. Ein andrer hat
besser gesehen, er nenut ihn die Seele der Belagerung von Toulon. Eine
Seele, ja das war er damals schon, das war er immer, die stärkste Seele,
die wahrhaftigste, die es je gegeben hat. Und wenn es eine solche war, so
hatte sie außer den glänzenden Gaben der Intelligenz von Gott empfangen,
was sie befruchtet, was ein Genie selbst Früchte hervorbringen läßt, die es
sonst nicht hätte: Willen, Energie, Beharrlichkeit, kurz Charakter. Es ist gut,
sich zu erinnern, daß dieser Mann so groß war. weil er jene moralische
Kraft zur höchsten Potenz erhoben hat, ohne die Völker und Menschen nur
Schatten sind, die in nichts zerstieben, wenn man sie berührt. Von diesem
Gesichtspunkt aus ist die Bewunderung für Napoleon kein kindischer Götzendienst.
Es ist ein Glaube an das Königtum des Geistes usw. Ich bin dem Kaiser
dankbar dafür, daß er uns viele Schlachte,, gewonnen hat. Vielleicht denken
gute Geister mit mir. daß wir zur Zeit nicht das Recht haben, diesen Punkt
zu vergessen. Aber ich bin ihm noch dankbarer dafür, daß er uns das schönste
Exemplar des moralischen Instruments vermacht hat, womit man sie gewinnt.
Ich bin der Ansicht, daß. je mehr der Krieg wissenschaftlich, nur mit Mitteln
der materiellen Macht geführt wird und die Zahl den Ausschlag giebt, desto
eher der Geist sich für die Mißachtung rächen wird, wenn man nicht mehr an
ihn glaubt, der doch allein das Wunder wirken kann, die Menge in eine
Armee zu verwandeln. Eine Armee sei eine Seele, feurig und vibrirend usw.
Das ist eine Lehre, die aus der Geschichte der Revolution und Napoleons zu
ziehen ist. Im Jahre 1812 ist die große Armee zerstört. Man glaubt es


Die Memoiren von Paul Barras

Die Revolution, sagt Dnrny, hat größere Feldherrn hervorgebracht. Hoche
und Moreau, Kleber und Massen» waren Kriegsmünner von größerm Zuschnitt.
Bei keinem aber, auch nicht bei Bonaparte, findet sich die sittliche Reinheit,
die sich mit der Dugommiers messen könnte. Nur die zarte, jungfräuliche
Gestalt des Husaren mit den langen Haaren, Mnreecius, könnte dem alten
General an die Seite gestellt werden. Wir verstehen es, wenn die Franzosen
gern in den Erinnerungen an die ersten Kriege der Revolutionszeit verweilen:
außer dem Heldenmut finden sich da Züge einer reinen und hohen Gesinnung,
z- V. wirkliche Vaterlandsliebe, die später bei äußerlich größerm Aufwand der
Kriegführung gründlich verloren gehen; wo von Sittlichkeit die Rede ist, da
gehört freilich Bonaparte, selbst als junger Anfänger, schon nicht mehr hin.
Der Herausgeber findet von seinem Standpunkte aus in der That sehr schöne
Worte, das scheinbar nicht Verträgliche, die Revolution und Napoleon, zu
verbinden. Sie sind für uns lehrreich, wenn wir nicht bloß an den stilistischen
Übertreibungen hängen bleiben, und darum teilen wir einige Sätze im Aus¬
zuge mit.

Barras hat die Löcher in seinem Anzug gezählt, aber das Herz, das
unter diesem durchlöcherten Anzug schlug, wie hätte es Barras ahnen oder
verstehen sollen? Kleines hat keinen Maßstab für Großes. Ein andrer hat
besser gesehen, er nenut ihn die Seele der Belagerung von Toulon. Eine
Seele, ja das war er damals schon, das war er immer, die stärkste Seele,
die wahrhaftigste, die es je gegeben hat. Und wenn es eine solche war, so
hatte sie außer den glänzenden Gaben der Intelligenz von Gott empfangen,
was sie befruchtet, was ein Genie selbst Früchte hervorbringen läßt, die es
sonst nicht hätte: Willen, Energie, Beharrlichkeit, kurz Charakter. Es ist gut,
sich zu erinnern, daß dieser Mann so groß war. weil er jene moralische
Kraft zur höchsten Potenz erhoben hat, ohne die Völker und Menschen nur
Schatten sind, die in nichts zerstieben, wenn man sie berührt. Von diesem
Gesichtspunkt aus ist die Bewunderung für Napoleon kein kindischer Götzendienst.
Es ist ein Glaube an das Königtum des Geistes usw. Ich bin dem Kaiser
dankbar dafür, daß er uns viele Schlachte,, gewonnen hat. Vielleicht denken
gute Geister mit mir. daß wir zur Zeit nicht das Recht haben, diesen Punkt
zu vergessen. Aber ich bin ihm noch dankbarer dafür, daß er uns das schönste
Exemplar des moralischen Instruments vermacht hat, womit man sie gewinnt.
Ich bin der Ansicht, daß. je mehr der Krieg wissenschaftlich, nur mit Mitteln
der materiellen Macht geführt wird und die Zahl den Ausschlag giebt, desto
eher der Geist sich für die Mißachtung rächen wird, wenn man nicht mehr an
ihn glaubt, der doch allein das Wunder wirken kann, die Menge in eine
Armee zu verwandeln. Eine Armee sei eine Seele, feurig und vibrirend usw.
Das ist eine Lehre, die aus der Geschichte der Revolution und Napoleons zu
ziehen ist. Im Jahre 1812 ist die große Armee zerstört. Man glaubt es


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[0037] Die Memoiren von Paul Barras Die Revolution, sagt Dnrny, hat größere Feldherrn hervorgebracht. Hoche und Moreau, Kleber und Massen» waren Kriegsmünner von größerm Zuschnitt. Bei keinem aber, auch nicht bei Bonaparte, findet sich die sittliche Reinheit, die sich mit der Dugommiers messen könnte. Nur die zarte, jungfräuliche Gestalt des Husaren mit den langen Haaren, Mnreecius, könnte dem alten General an die Seite gestellt werden. Wir verstehen es, wenn die Franzosen gern in den Erinnerungen an die ersten Kriege der Revolutionszeit verweilen: außer dem Heldenmut finden sich da Züge einer reinen und hohen Gesinnung, z- V. wirkliche Vaterlandsliebe, die später bei äußerlich größerm Aufwand der Kriegführung gründlich verloren gehen; wo von Sittlichkeit die Rede ist, da gehört freilich Bonaparte, selbst als junger Anfänger, schon nicht mehr hin. Der Herausgeber findet von seinem Standpunkte aus in der That sehr schöne Worte, das scheinbar nicht Verträgliche, die Revolution und Napoleon, zu verbinden. Sie sind für uns lehrreich, wenn wir nicht bloß an den stilistischen Übertreibungen hängen bleiben, und darum teilen wir einige Sätze im Aus¬ zuge mit. Barras hat die Löcher in seinem Anzug gezählt, aber das Herz, das unter diesem durchlöcherten Anzug schlug, wie hätte es Barras ahnen oder verstehen sollen? Kleines hat keinen Maßstab für Großes. Ein andrer hat besser gesehen, er nenut ihn die Seele der Belagerung von Toulon. Eine Seele, ja das war er damals schon, das war er immer, die stärkste Seele, die wahrhaftigste, die es je gegeben hat. Und wenn es eine solche war, so hatte sie außer den glänzenden Gaben der Intelligenz von Gott empfangen, was sie befruchtet, was ein Genie selbst Früchte hervorbringen läßt, die es sonst nicht hätte: Willen, Energie, Beharrlichkeit, kurz Charakter. Es ist gut, sich zu erinnern, daß dieser Mann so groß war. weil er jene moralische Kraft zur höchsten Potenz erhoben hat, ohne die Völker und Menschen nur Schatten sind, die in nichts zerstieben, wenn man sie berührt. Von diesem Gesichtspunkt aus ist die Bewunderung für Napoleon kein kindischer Götzendienst. Es ist ein Glaube an das Königtum des Geistes usw. Ich bin dem Kaiser dankbar dafür, daß er uns viele Schlachte,, gewonnen hat. Vielleicht denken gute Geister mit mir. daß wir zur Zeit nicht das Recht haben, diesen Punkt zu vergessen. Aber ich bin ihm noch dankbarer dafür, daß er uns das schönste Exemplar des moralischen Instruments vermacht hat, womit man sie gewinnt. Ich bin der Ansicht, daß. je mehr der Krieg wissenschaftlich, nur mit Mitteln der materiellen Macht geführt wird und die Zahl den Ausschlag giebt, desto eher der Geist sich für die Mißachtung rächen wird, wenn man nicht mehr an ihn glaubt, der doch allein das Wunder wirken kann, die Menge in eine Armee zu verwandeln. Eine Armee sei eine Seele, feurig und vibrirend usw. Das ist eine Lehre, die aus der Geschichte der Revolution und Napoleons zu ziehen ist. Im Jahre 1812 ist die große Armee zerstört. Man glaubt es

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_224927/37>, abgerufen am 23.07.2024.