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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Zweites Vierteljahr.

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Aus den Denkwürdigkeiten zweier Kunstforscher

und mit ihm umgehen kann. Aber vielleicht behandeln wir das alles viel zu
wichtig, darum spottet man ja auch mit Grund über die Stilsimpelei, die sich
tief nach unten verbreitet hat, während noch vor einem Menschenalter nur hie
und da einer von den besser gestellten für dergleichen Interesse hatte, ohne
daß er es hätte befriedigen können. Es wäre also vielleicht schon zuviel ge¬
than im Kunstgewerbe, aber jedenfalls nicht zu wenig! Zum Klagen über die
Leistung ist demnach kein Grund. Das Publikum thut es auch weniger von
sich aus; theoretische Kenner reden es dem Einzelnen ein, daß alles beklagens¬
wert sei. Aber machen kann man alles, sagt Falke. Also haben und in ge¬
wissem Sinne auch kaufen kann man alles, und wir fühlen uns in Bezug auf
diese Dinge doch auch recht behaglich. Man könnte die Sache also wohl vor¬
läufig etwas mehr gehen lassen. Wir haben ja auch noch andre Sorgen als
Zimmereinrichtung.

Außer dem fachmännischer Teile ist noch mancherlei aus dem Buche
hervorzuheben. Teilnahme wird es erwecken, wie der Verfasser, abgesehen von
seinem besondern Beruf, seine Anpassung an das vielerlei Neue, was ihm sein
Lebensgang entgegengebracht hat, erzählt und damit seine Entwicklung be¬
schreibt. Er weiß uns über das historische Interesse an dem Inhalt seiner
Biographie hinaus auch psychologisch zu fesseln. Das gilt nicht nur von dem,
was er über sich mitteilt. Sein Sinn für das Menschliche und das Indiae
umgiebt alles, wovon er spricht, mit einer gewissen Wärme, die den Leser für
den Gegenstand gewinnt. Auch mit geistig und gesellschaftlich hochstehenden
Personen ist er viel zusammengekommen, und davon versteht er hübsch zu er¬
zählen. Wer sich nicht als Flügeladjutant oder im Kammerherrendienst viel¬
leicht noch eingehendere Erfahrungen erworben hat, der wird aus dem Leben
der Allerhöchsten kaum interessanter berichten können, als es Falke thut über
seinen Aufenthalt bei dem König von Schweden und bei dem rumänischen
Königspaar auf dem Schloß Sinaja. Ein Kapitel handelt von Irland. Von
dort stammte seine Frau, deren Tod ihn bewogen hat, sich aus dem Geschäfts¬
leben zurückzuziehen. Auch von mancherlei kleinern Reisen und Aufenthalten
an fremden Orten ist die Rede. Immer spricht der Beobachter und, wenn
auch noch so kurz, der Kulturhistoriker. Ich möchte das Buch ein kleines
Denkmal nennen: eine Zeit in wichtigen räumlichen Ausschnitten, gesehen durch
die Wahrnehmung eines sehr unterrichteten Schildcrers -- so könnte man viel¬
leicht nach hundert Jahren denken, wenn man sich dann auch wahrscheinlich
anders ausdrückt. Was wird man wohl aus unsrer Litteratur des vorigen
Jahrhunderts einem derartigen Buche an die Seite stellen wollen? An einem
solchen Beispiel könnte man sich klar werden darüber, worin der Fortschritt
der Zeiten liegt.

(Schluß folgt)




Aus den Denkwürdigkeiten zweier Kunstforscher

und mit ihm umgehen kann. Aber vielleicht behandeln wir das alles viel zu
wichtig, darum spottet man ja auch mit Grund über die Stilsimpelei, die sich
tief nach unten verbreitet hat, während noch vor einem Menschenalter nur hie
und da einer von den besser gestellten für dergleichen Interesse hatte, ohne
daß er es hätte befriedigen können. Es wäre also vielleicht schon zuviel ge¬
than im Kunstgewerbe, aber jedenfalls nicht zu wenig! Zum Klagen über die
Leistung ist demnach kein Grund. Das Publikum thut es auch weniger von
sich aus; theoretische Kenner reden es dem Einzelnen ein, daß alles beklagens¬
wert sei. Aber machen kann man alles, sagt Falke. Also haben und in ge¬
wissem Sinne auch kaufen kann man alles, und wir fühlen uns in Bezug auf
diese Dinge doch auch recht behaglich. Man könnte die Sache also wohl vor¬
läufig etwas mehr gehen lassen. Wir haben ja auch noch andre Sorgen als
Zimmereinrichtung.

Außer dem fachmännischer Teile ist noch mancherlei aus dem Buche
hervorzuheben. Teilnahme wird es erwecken, wie der Verfasser, abgesehen von
seinem besondern Beruf, seine Anpassung an das vielerlei Neue, was ihm sein
Lebensgang entgegengebracht hat, erzählt und damit seine Entwicklung be¬
schreibt. Er weiß uns über das historische Interesse an dem Inhalt seiner
Biographie hinaus auch psychologisch zu fesseln. Das gilt nicht nur von dem,
was er über sich mitteilt. Sein Sinn für das Menschliche und das Indiae
umgiebt alles, wovon er spricht, mit einer gewissen Wärme, die den Leser für
den Gegenstand gewinnt. Auch mit geistig und gesellschaftlich hochstehenden
Personen ist er viel zusammengekommen, und davon versteht er hübsch zu er¬
zählen. Wer sich nicht als Flügeladjutant oder im Kammerherrendienst viel¬
leicht noch eingehendere Erfahrungen erworben hat, der wird aus dem Leben
der Allerhöchsten kaum interessanter berichten können, als es Falke thut über
seinen Aufenthalt bei dem König von Schweden und bei dem rumänischen
Königspaar auf dem Schloß Sinaja. Ein Kapitel handelt von Irland. Von
dort stammte seine Frau, deren Tod ihn bewogen hat, sich aus dem Geschäfts¬
leben zurückzuziehen. Auch von mancherlei kleinern Reisen und Aufenthalten
an fremden Orten ist die Rede. Immer spricht der Beobachter und, wenn
auch noch so kurz, der Kulturhistoriker. Ich möchte das Buch ein kleines
Denkmal nennen: eine Zeit in wichtigen räumlichen Ausschnitten, gesehen durch
die Wahrnehmung eines sehr unterrichteten Schildcrers — so könnte man viel¬
leicht nach hundert Jahren denken, wenn man sich dann auch wahrscheinlich
anders ausdrückt. Was wird man wohl aus unsrer Litteratur des vorigen
Jahrhunderts einem derartigen Buche an die Seite stellen wollen? An einem
solchen Beispiel könnte man sich klar werden darüber, worin der Fortschritt
der Zeiten liegt.

(Schluß folgt)




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_224927/298>, abgerufen am 23.07.2024.