Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Zweites Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches er nur seinen Zins bekommt; dieser Zins ist der gerechte Lohn dafür, daß er auf Man kann diesem Gedankengange in jedem Punkte zustimmen und dennoch Mit der Gerechtigkeit steht das se> so; in Zeiten eines wucherischer Zinsfußes erhält
man für das Darlehn, das nicht immer eine Frucht der Sparsamkeit ist, sehr hohen Lohn, heute bekommt der wirkliche Sparer -- er vor allem -- nur drei Prozent und bringt es bei bescheidnen Einkommen niemals zu einem Vermögen, das ihm erlaubte, von den Interessen zu leben, besonders da heute die Wohnungsmiete so hoch ist. Maßgebliches und Unmaßgebliches er nur seinen Zins bekommt; dieser Zins ist der gerechte Lohn dafür, daß er auf Man kann diesem Gedankengange in jedem Punkte zustimmen und dennoch Mit der Gerechtigkeit steht das se> so; in Zeiten eines wucherischer Zinsfußes erhält
man für das Darlehn, das nicht immer eine Frucht der Sparsamkeit ist, sehr hohen Lohn, heute bekommt der wirkliche Sparer — er vor allem — nur drei Prozent und bringt es bei bescheidnen Einkommen niemals zu einem Vermögen, das ihm erlaubte, von den Interessen zu leben, besonders da heute die Wohnungsmiete so hoch ist. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0215" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/225143"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <p xml:id="ID_715" prev="#ID_714"> er nur seinen Zins bekommt; dieser Zins ist der gerechte Lohn dafür, daß er auf<lb/> augenblickliche Geuußbefriedigung verzichtet und eine Arbeit ermöglicht hat, die<lb/> zukünftiger Bedürfnisbefriedigung dient oder die Kultur erhöht/") Indem nun die<lb/> Sorge um die Zukunft der Kinder ein noch weit stärkerer Antrieb zum sparen<lb/> ist als die Fürsorge für das eigne Alter (für diesen Zweck würde eine weit geringere<lb/> Summe hinreichen, für die man eine Leibrente kaufen könnte), so ist das Erbrecht<lb/> ein unentbehrliches Mittel, die Kapitalbildung zu fördern und den Reichtum der<lb/> Gesellschaft zu erhöhen.</p><lb/> <p xml:id="ID_716" next="#ID_717"> Man kann diesem Gedankengange in jedem Punkte zustimmen und dennoch<lb/> dabei bleiben, daß das Kapital nicht durch Sparen, sondern durch Arbeit gebildet<lb/> wird, und kann nach wie vor die nachdrückliche Verkündigung dieser Wahrheit für<lb/> sehr notwendig halten. Wir haben niemals das Erbrecht angefochten, wenn wir<lb/> auch eine progressive Erbschaftssteuer für sehr heilsam halten würden; auch Bosch<lb/> erklärt die Anhäufung übergroßer Privatvermögen für ein Unglück und große<lb/> Gleichmäßigkeit — nicht absolute Gleichheit — für das zu erstrebende Ideal der<lb/> Einkommenverteilung. Wir haben niemals geleugnet, sondern ausdrücklich hervor¬<lb/> gehoben daß sparen für den einzelnen Unbemittelten, namentlich wenn er Familien¬<lb/> vater ist, Pflicht sei. Wir verkenne» nicht den Wert und die Notwendigkeit der<lb/> Selbstbeherrschung, die eine Tugend ist, und die sich auch in der Form des<lb/> Sparens bethätige» kann, aber nicht muß; deun der Philosoph des Altertums, der<lb/> die Reichtümer verachtete, und der christliche Asket üben diesen Tugend im höchsten<lb/> Grade, ohne zu sparen. Über all das besteht unter verständigen Menschen keine<lb/> Meinungsverschiedenheit. Aber Bösch hält die beiden Kapitalbegriffe nicht sorgfältig<lb/> genug aus eiuaiider, deren Vermischung so viel Verwirrung anrichtet. Das Geld¬<lb/> kapital, der Anspruch auf die Arbeit andrer, wird oft — nicht immer — durch<lb/> Sparen erworben, das in realen Gütern bestehende Kapital wird niemals durch<lb/> Sparen, immer nnr allein dnrch Arbeit geschaffen. Mit allem Sparen kann der<lb/> Bauer keinen Pflug herstellen, gemacht muß er werdeu. Verschwendung kann ihn<lb/> hindern, das Geld für die Anschaffung des Pflugs zu erübrigen, und insofern kann<lb/> Sparsamkeit allerdings uuter Umständen die Produktion fördern, aber im großen<lb/> und ganzen spielt diese Förderung nur eine untergeordnete Rolle. Auch die un¬<lb/> mäßigste Bauernfamilie ist nicht imstande, ihre ganze Ernte aufzuessen; sie braucht<lb/> nicht zu hungern, um das Saatgetreide übrig zu behalten. Nicht von ihrer Spar¬<lb/> samkeit oder Enthaltsamkeit hängt es ab, ob sie im nächsten Sommer wieder eine<lb/> Ernte haben wird, sondern von ihrer Thätigkeit. Der Wüstenbeduine ist ein Muster<lb/> von Enthaltsamkeit, mit dem sich weder ein Kommerzienrat in Berlin West, noch<lb/> ein polnischer Arbeiter vergleichen kann; dennoch schafft er weder Kapital noch er¬<lb/> wirbt er welches, weil er weder arbeitet noch spekulirt, während der Kommerzienrat<lb/> und der Arbeiter in Wechselwirkung mit einander Kapital schaffen und erwerben,<lb/> der eine mehr dieses, der andre mehr jeues. Der Spanier ist weit mäßiger im<lb/> Essen und Trinken und beansprucht weit weniger Komfort als der Engländer,<lb/> aber Kapital schafft und erwirbt er nicht, weil er zu viel müßig geht. Und<lb/> anch Bothes spricht auf S. 90, wo er die Entstehung des Realkapitals darstellt,<lb/> wohl von Arbeit für den zukünftigen Genuß oder Gebrauch, aber nicht vom<lb/> Sparen. Nicht das unterscheidet die reichen Nationen von den armen, daß sie</p><lb/> <note xml:id="FID_24" place="foot"> Mit der Gerechtigkeit steht das se> so; in Zeiten eines wucherischer Zinsfußes erhält<lb/> man für das Darlehn, das nicht immer eine Frucht der Sparsamkeit ist, sehr hohen Lohn,<lb/> heute bekommt der wirkliche Sparer — er vor allem — nur drei Prozent und bringt es bei<lb/> bescheidnen Einkommen niemals zu einem Vermögen, das ihm erlaubte, von den Interessen<lb/> zu leben, besonders da heute die Wohnungsmiete so hoch ist.</note><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0215]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
er nur seinen Zins bekommt; dieser Zins ist der gerechte Lohn dafür, daß er auf
augenblickliche Geuußbefriedigung verzichtet und eine Arbeit ermöglicht hat, die
zukünftiger Bedürfnisbefriedigung dient oder die Kultur erhöht/") Indem nun die
Sorge um die Zukunft der Kinder ein noch weit stärkerer Antrieb zum sparen
ist als die Fürsorge für das eigne Alter (für diesen Zweck würde eine weit geringere
Summe hinreichen, für die man eine Leibrente kaufen könnte), so ist das Erbrecht
ein unentbehrliches Mittel, die Kapitalbildung zu fördern und den Reichtum der
Gesellschaft zu erhöhen.
Man kann diesem Gedankengange in jedem Punkte zustimmen und dennoch
dabei bleiben, daß das Kapital nicht durch Sparen, sondern durch Arbeit gebildet
wird, und kann nach wie vor die nachdrückliche Verkündigung dieser Wahrheit für
sehr notwendig halten. Wir haben niemals das Erbrecht angefochten, wenn wir
auch eine progressive Erbschaftssteuer für sehr heilsam halten würden; auch Bosch
erklärt die Anhäufung übergroßer Privatvermögen für ein Unglück und große
Gleichmäßigkeit — nicht absolute Gleichheit — für das zu erstrebende Ideal der
Einkommenverteilung. Wir haben niemals geleugnet, sondern ausdrücklich hervor¬
gehoben daß sparen für den einzelnen Unbemittelten, namentlich wenn er Familien¬
vater ist, Pflicht sei. Wir verkenne» nicht den Wert und die Notwendigkeit der
Selbstbeherrschung, die eine Tugend ist, und die sich auch in der Form des
Sparens bethätige» kann, aber nicht muß; deun der Philosoph des Altertums, der
die Reichtümer verachtete, und der christliche Asket üben diesen Tugend im höchsten
Grade, ohne zu sparen. Über all das besteht unter verständigen Menschen keine
Meinungsverschiedenheit. Aber Bösch hält die beiden Kapitalbegriffe nicht sorgfältig
genug aus eiuaiider, deren Vermischung so viel Verwirrung anrichtet. Das Geld¬
kapital, der Anspruch auf die Arbeit andrer, wird oft — nicht immer — durch
Sparen erworben, das in realen Gütern bestehende Kapital wird niemals durch
Sparen, immer nnr allein dnrch Arbeit geschaffen. Mit allem Sparen kann der
Bauer keinen Pflug herstellen, gemacht muß er werdeu. Verschwendung kann ihn
hindern, das Geld für die Anschaffung des Pflugs zu erübrigen, und insofern kann
Sparsamkeit allerdings uuter Umständen die Produktion fördern, aber im großen
und ganzen spielt diese Förderung nur eine untergeordnete Rolle. Auch die un¬
mäßigste Bauernfamilie ist nicht imstande, ihre ganze Ernte aufzuessen; sie braucht
nicht zu hungern, um das Saatgetreide übrig zu behalten. Nicht von ihrer Spar¬
samkeit oder Enthaltsamkeit hängt es ab, ob sie im nächsten Sommer wieder eine
Ernte haben wird, sondern von ihrer Thätigkeit. Der Wüstenbeduine ist ein Muster
von Enthaltsamkeit, mit dem sich weder ein Kommerzienrat in Berlin West, noch
ein polnischer Arbeiter vergleichen kann; dennoch schafft er weder Kapital noch er¬
wirbt er welches, weil er weder arbeitet noch spekulirt, während der Kommerzienrat
und der Arbeiter in Wechselwirkung mit einander Kapital schaffen und erwerben,
der eine mehr dieses, der andre mehr jeues. Der Spanier ist weit mäßiger im
Essen und Trinken und beansprucht weit weniger Komfort als der Engländer,
aber Kapital schafft und erwirbt er nicht, weil er zu viel müßig geht. Und
anch Bothes spricht auf S. 90, wo er die Entstehung des Realkapitals darstellt,
wohl von Arbeit für den zukünftigen Genuß oder Gebrauch, aber nicht vom
Sparen. Nicht das unterscheidet die reichen Nationen von den armen, daß sie
Mit der Gerechtigkeit steht das se> so; in Zeiten eines wucherischer Zinsfußes erhält
man für das Darlehn, das nicht immer eine Frucht der Sparsamkeit ist, sehr hohen Lohn,
heute bekommt der wirkliche Sparer — er vor allem — nur drei Prozent und bringt es bei
bescheidnen Einkommen niemals zu einem Vermögen, das ihm erlaubte, von den Interessen
zu leben, besonders da heute die Wohnungsmiete so hoch ist.
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