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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Zweites Vierteljahr.

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Lecil Rhodes

Finger gegeben, jetzt gab er die ganze Hand, und ein paar Jahre später war
er und sein ganzes Volk dem Diamantenkönige verfallen.

Mit dem zweiten Vertrag in der Tasche ging Rhodes nach London.
Von der Kap- wie von der Neichsregierung war nichts zu erwarten. Aber
das große Publikum war von deutschfeindlicher Ausbreitungssucht oder
imperialistischen Jingoismus ergriffen. Schon ein Jahr früher war die
britische ostafrikanische Gesellschaft mit einem Freibriefe bedacht worden, und
was Mackinnon zuwege gebracht hatte, konnte Rhodes spielend erreichen. Zwei
so reiche Gesellschaften wie De Beers und die Goldfelder gaben dem Unter¬
nehmen Rückgrat, und im Oktober 1889 hatte auch die südafrikanische Gesell¬
schaft ihren Freibrief. Grenzen waren der Sache nicht gesteckt; denn, sagte
Rhodes: "Das große Ziel ist, soviel Gebiet als möglich zu nehmen." Wenn
doch Caprivi etwas von diesem Geiste gehabt hätte!

Die ostafrikanische Gesellschaft ist längst an Atrophie des Geldbeutels selig
entschlafen, die südafrikanische aber scheint ihre Aufgabe würdig zu erfüllen,
nämlich eine neue Ausgabe von John Company darzustellen, der ehemaligen
ostindischen Gesellschaft, der England manchen Nabob, aber auch den großen
indischen Aufstand von 1857 mit der Schlächterei von Cawnpore verdankte.

Zunächst sandte die Gesellschaft, d. h. Rhodes, eine Expedition aus, um
das im Norden von Matabcleland liegende Maschonalcmd einzunehmen, ohne
die Proteste Lobengulas gegen den Durchzug zu beachten. Die Folge waren
Reibereien und Feindseligkeiten von feiten der Matabeles, die natürlich zu der
ersehnten Notwendigkeit führten, sie zu züchtigen und zu unterwerfen.

Thatkraft kann man Rhodes jedenfalls nicht absprechen. Wie er die Ge¬
sellschaft ins Leben gerufen und ihr einen gewissen Pfad vorgeschrieben hatte,
so war er auch der Mann, das Begonnene durchzuführen. Wo die Mittel
der Gesellschaft nicht ausreichten, da sprang er selbst in die Bresche. Er hatte
schon das Geld für die Eisenbahn uach Mafeking aufgebracht, hatte aus eignen
Mitteln die Beiralinie gebaut und vier Fünftel der Gelder für den sogenannten
transkontinentalen Telegraphen gegeben. Er gab auch die Mittel für den Zug
gegen Lobcngula her.

Das Ergebnis war vorauszusehen. Gegen den Hagel der Maximgeschütze
vermochte die Tapferkeit der Matabele nichts. Das Gold, mit dem sich
Lobengula eine Frist für Unterhandlung erkaufen wollte, ward von zwei
schurkischen englischen Soldaten unterschlagen, und der alte König starb wie
ein gehetztes Wild auf der Flucht. Die Macht der Matabele war gebrochen,
und die "Zivilisation" war wieder einmal gerettet. Das ganze Land fiel dem
Sieger zu, und der freie Matabele erhielt die Erlaubnis, dem neuen Herrn
uicht als Sklave, denn Sklaverei giebt es ja nicht unter englischer Flagge,
sondern als freier Arbeiter zu dienen. Dafür bekommt er neben dem Futter,
Trinkwasser eingeschlossen, eine alte Hose oder eine Wolldecke und als moral-


Lecil Rhodes

Finger gegeben, jetzt gab er die ganze Hand, und ein paar Jahre später war
er und sein ganzes Volk dem Diamantenkönige verfallen.

Mit dem zweiten Vertrag in der Tasche ging Rhodes nach London.
Von der Kap- wie von der Neichsregierung war nichts zu erwarten. Aber
das große Publikum war von deutschfeindlicher Ausbreitungssucht oder
imperialistischen Jingoismus ergriffen. Schon ein Jahr früher war die
britische ostafrikanische Gesellschaft mit einem Freibriefe bedacht worden, und
was Mackinnon zuwege gebracht hatte, konnte Rhodes spielend erreichen. Zwei
so reiche Gesellschaften wie De Beers und die Goldfelder gaben dem Unter¬
nehmen Rückgrat, und im Oktober 1889 hatte auch die südafrikanische Gesell¬
schaft ihren Freibrief. Grenzen waren der Sache nicht gesteckt; denn, sagte
Rhodes: „Das große Ziel ist, soviel Gebiet als möglich zu nehmen." Wenn
doch Caprivi etwas von diesem Geiste gehabt hätte!

Die ostafrikanische Gesellschaft ist längst an Atrophie des Geldbeutels selig
entschlafen, die südafrikanische aber scheint ihre Aufgabe würdig zu erfüllen,
nämlich eine neue Ausgabe von John Company darzustellen, der ehemaligen
ostindischen Gesellschaft, der England manchen Nabob, aber auch den großen
indischen Aufstand von 1857 mit der Schlächterei von Cawnpore verdankte.

Zunächst sandte die Gesellschaft, d. h. Rhodes, eine Expedition aus, um
das im Norden von Matabcleland liegende Maschonalcmd einzunehmen, ohne
die Proteste Lobengulas gegen den Durchzug zu beachten. Die Folge waren
Reibereien und Feindseligkeiten von feiten der Matabeles, die natürlich zu der
ersehnten Notwendigkeit führten, sie zu züchtigen und zu unterwerfen.

Thatkraft kann man Rhodes jedenfalls nicht absprechen. Wie er die Ge¬
sellschaft ins Leben gerufen und ihr einen gewissen Pfad vorgeschrieben hatte,
so war er auch der Mann, das Begonnene durchzuführen. Wo die Mittel
der Gesellschaft nicht ausreichten, da sprang er selbst in die Bresche. Er hatte
schon das Geld für die Eisenbahn uach Mafeking aufgebracht, hatte aus eignen
Mitteln die Beiralinie gebaut und vier Fünftel der Gelder für den sogenannten
transkontinentalen Telegraphen gegeben. Er gab auch die Mittel für den Zug
gegen Lobcngula her.

Das Ergebnis war vorauszusehen. Gegen den Hagel der Maximgeschütze
vermochte die Tapferkeit der Matabele nichts. Das Gold, mit dem sich
Lobengula eine Frist für Unterhandlung erkaufen wollte, ward von zwei
schurkischen englischen Soldaten unterschlagen, und der alte König starb wie
ein gehetztes Wild auf der Flucht. Die Macht der Matabele war gebrochen,
und die „Zivilisation" war wieder einmal gerettet. Das ganze Land fiel dem
Sieger zu, und der freie Matabele erhielt die Erlaubnis, dem neuen Herrn
uicht als Sklave, denn Sklaverei giebt es ja nicht unter englischer Flagge,
sondern als freier Arbeiter zu dienen. Dafür bekommt er neben dem Futter,
Trinkwasser eingeschlossen, eine alte Hose oder eine Wolldecke und als moral-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_224927/174>, abgerufen am 23.07.2024.