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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Zweites Vierteljahr.

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Lecil Rhodes

des Transvaal ausdehnte, dann war das englische Südafrika vom Zentrum
abgeschnitten. Schon sah man Deutsch-Ostafrika durch einen breiten Land¬
gürtel mit Lüderitzlcmd verbunden und die Schwarzen der englischen "Zivili¬
sation" entrissen. Neid, Mißgunst und Sorge um die Zukunft riefen eine
koloniale Bewegung in England hervor, den Landhunger, der alles annektiren
muß, nicht weil man es braucht, sondern weil man es andern nicht gönnt.

Thatsächlich lag die Gefahr, von dem nördlichen Hinterkante abgeschnitten
zu werden, für England ziemlich nahe. Schon 1884, unmittelbar nachdem
das Transvaal durch den Vertrag von London seine Freiheit wiedergewonnen
hatte, suchten sich die Boeren nach Westen auszubreiten, um nicht von eng¬
lischem Gebiet umzingelt zu werden. Der Zug nach Westen würde sie natürlich
bis ans deutsche Gebiet geführt haben. Für Rhodes hätte das das Ende aller
seiner Pläne bedeutet: "Ich sah, daß Ausdehnung alles war, und daß bei der
Beschränktheit der Erdoberfläche das Ziel der gegenwärtigen Menschheit sein
müßte, soviel von der Welt als möglich zu nehmen." Menschheit (duinii/nit^)
ist natürlich immer nur die englische. Nach Rhodes ist die englische Nasse
von Natur zur Weltherrschaft berufen, und andre Völker haben damit zufrieden
zu sein, daß sie geduldet werden. Er stemmte sich also mit seiner ganzen
Kraft gegen die transvaalischen Pläne, und Krüger mußte die neuen Ansied-
lungen von Stellaland und Gösen aufgebe", und der Schlüssel von Südafrika,
wie ein alter Voer sich ausdrückte, wurde englisch.

Der Weg nach dem Norden war somit gerettet, aber nicht der Norden
selbst, und nun begann ein heftiger Kampf zwischen den beiden bedeutendsten
Köpfen Afrikas, Krüger und Rhodes. Beide waren darauf aus, den Norden
zu sichern, beide sandten Unterhändler, um mit dem Matabclekönig Lobengula
einen Vertrag zu schließen. Die englische Negierung war damals wenig ge¬
neigt, sich neue Lasten aufzubürden, die Kapregierung wollte sich ebenso wenig
auf Abenteuer einlassen. Nur mit Mühe gelang es Rhodes, den englischen
Kommissar Sir Herkules Robinson, jetzt Lord Nosmcad, zu den: Moffat-
vertrage von 1888 zu bestimmen, durch den sich Lobengula verpflichtete, kein
andres Schutzverhältnis als das englische einzugehen. Verstanden hat Loben¬
gula von der Sache wahrscheinlich gar nichts. Denn nur wenige Tage darauf
schloß er mit dein Transvaalgesandten Pick Grobler einen andern Vertrag,
der natürlich vor der Priorität des englischen nichtig war. So war Rhodes
mich hier siegreich, und der Boerenfreistcmt war auch vom Norden abgeschnitten.

Der Moffntvertrag war nur negativ. Ihn durch einen positiven zu er¬
setzen war nun die nächste Aufgabe. Rhodes Freunde Undt und Rochfort
Maguire erlangten am 30. Oktober 1888 von dem schwarzen Fürsten die
Mineralgerechtsame für ein Entgelt von jährlich 1200 Pfund Sterling, die
Lobengula freilich uicht lange genoß, und für ein Geschenk von tausend Ge¬
wehren mit Munition. Mit dem Moffatvertrage hatte Lobengula den kleinen


Lecil Rhodes

des Transvaal ausdehnte, dann war das englische Südafrika vom Zentrum
abgeschnitten. Schon sah man Deutsch-Ostafrika durch einen breiten Land¬
gürtel mit Lüderitzlcmd verbunden und die Schwarzen der englischen „Zivili¬
sation" entrissen. Neid, Mißgunst und Sorge um die Zukunft riefen eine
koloniale Bewegung in England hervor, den Landhunger, der alles annektiren
muß, nicht weil man es braucht, sondern weil man es andern nicht gönnt.

Thatsächlich lag die Gefahr, von dem nördlichen Hinterkante abgeschnitten
zu werden, für England ziemlich nahe. Schon 1884, unmittelbar nachdem
das Transvaal durch den Vertrag von London seine Freiheit wiedergewonnen
hatte, suchten sich die Boeren nach Westen auszubreiten, um nicht von eng¬
lischem Gebiet umzingelt zu werden. Der Zug nach Westen würde sie natürlich
bis ans deutsche Gebiet geführt haben. Für Rhodes hätte das das Ende aller
seiner Pläne bedeutet: „Ich sah, daß Ausdehnung alles war, und daß bei der
Beschränktheit der Erdoberfläche das Ziel der gegenwärtigen Menschheit sein
müßte, soviel von der Welt als möglich zu nehmen." Menschheit (duinii/nit^)
ist natürlich immer nur die englische. Nach Rhodes ist die englische Nasse
von Natur zur Weltherrschaft berufen, und andre Völker haben damit zufrieden
zu sein, daß sie geduldet werden. Er stemmte sich also mit seiner ganzen
Kraft gegen die transvaalischen Pläne, und Krüger mußte die neuen Ansied-
lungen von Stellaland und Gösen aufgebe», und der Schlüssel von Südafrika,
wie ein alter Voer sich ausdrückte, wurde englisch.

Der Weg nach dem Norden war somit gerettet, aber nicht der Norden
selbst, und nun begann ein heftiger Kampf zwischen den beiden bedeutendsten
Köpfen Afrikas, Krüger und Rhodes. Beide waren darauf aus, den Norden
zu sichern, beide sandten Unterhändler, um mit dem Matabclekönig Lobengula
einen Vertrag zu schließen. Die englische Negierung war damals wenig ge¬
neigt, sich neue Lasten aufzubürden, die Kapregierung wollte sich ebenso wenig
auf Abenteuer einlassen. Nur mit Mühe gelang es Rhodes, den englischen
Kommissar Sir Herkules Robinson, jetzt Lord Nosmcad, zu den: Moffat-
vertrage von 1888 zu bestimmen, durch den sich Lobengula verpflichtete, kein
andres Schutzverhältnis als das englische einzugehen. Verstanden hat Loben¬
gula von der Sache wahrscheinlich gar nichts. Denn nur wenige Tage darauf
schloß er mit dein Transvaalgesandten Pick Grobler einen andern Vertrag,
der natürlich vor der Priorität des englischen nichtig war. So war Rhodes
mich hier siegreich, und der Boerenfreistcmt war auch vom Norden abgeschnitten.

Der Moffntvertrag war nur negativ. Ihn durch einen positiven zu er¬
setzen war nun die nächste Aufgabe. Rhodes Freunde Undt und Rochfort
Maguire erlangten am 30. Oktober 1888 von dem schwarzen Fürsten die
Mineralgerechtsame für ein Entgelt von jährlich 1200 Pfund Sterling, die
Lobengula freilich uicht lange genoß, und für ein Geschenk von tausend Ge¬
wehren mit Munition. Mit dem Moffatvertrage hatte Lobengula den kleinen


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[0173] Lecil Rhodes des Transvaal ausdehnte, dann war das englische Südafrika vom Zentrum abgeschnitten. Schon sah man Deutsch-Ostafrika durch einen breiten Land¬ gürtel mit Lüderitzlcmd verbunden und die Schwarzen der englischen „Zivili¬ sation" entrissen. Neid, Mißgunst und Sorge um die Zukunft riefen eine koloniale Bewegung in England hervor, den Landhunger, der alles annektiren muß, nicht weil man es braucht, sondern weil man es andern nicht gönnt. Thatsächlich lag die Gefahr, von dem nördlichen Hinterkante abgeschnitten zu werden, für England ziemlich nahe. Schon 1884, unmittelbar nachdem das Transvaal durch den Vertrag von London seine Freiheit wiedergewonnen hatte, suchten sich die Boeren nach Westen auszubreiten, um nicht von eng¬ lischem Gebiet umzingelt zu werden. Der Zug nach Westen würde sie natürlich bis ans deutsche Gebiet geführt haben. Für Rhodes hätte das das Ende aller seiner Pläne bedeutet: „Ich sah, daß Ausdehnung alles war, und daß bei der Beschränktheit der Erdoberfläche das Ziel der gegenwärtigen Menschheit sein müßte, soviel von der Welt als möglich zu nehmen." Menschheit (duinii/nit^) ist natürlich immer nur die englische. Nach Rhodes ist die englische Nasse von Natur zur Weltherrschaft berufen, und andre Völker haben damit zufrieden zu sein, daß sie geduldet werden. Er stemmte sich also mit seiner ganzen Kraft gegen die transvaalischen Pläne, und Krüger mußte die neuen Ansied- lungen von Stellaland und Gösen aufgebe», und der Schlüssel von Südafrika, wie ein alter Voer sich ausdrückte, wurde englisch. Der Weg nach dem Norden war somit gerettet, aber nicht der Norden selbst, und nun begann ein heftiger Kampf zwischen den beiden bedeutendsten Köpfen Afrikas, Krüger und Rhodes. Beide waren darauf aus, den Norden zu sichern, beide sandten Unterhändler, um mit dem Matabclekönig Lobengula einen Vertrag zu schließen. Die englische Negierung war damals wenig ge¬ neigt, sich neue Lasten aufzubürden, die Kapregierung wollte sich ebenso wenig auf Abenteuer einlassen. Nur mit Mühe gelang es Rhodes, den englischen Kommissar Sir Herkules Robinson, jetzt Lord Nosmcad, zu den: Moffat- vertrage von 1888 zu bestimmen, durch den sich Lobengula verpflichtete, kein andres Schutzverhältnis als das englische einzugehen. Verstanden hat Loben¬ gula von der Sache wahrscheinlich gar nichts. Denn nur wenige Tage darauf schloß er mit dein Transvaalgesandten Pick Grobler einen andern Vertrag, der natürlich vor der Priorität des englischen nichtig war. So war Rhodes mich hier siegreich, und der Boerenfreistcmt war auch vom Norden abgeschnitten. Der Moffntvertrag war nur negativ. Ihn durch einen positiven zu er¬ setzen war nun die nächste Aufgabe. Rhodes Freunde Undt und Rochfort Maguire erlangten am 30. Oktober 1888 von dem schwarzen Fürsten die Mineralgerechtsame für ein Entgelt von jährlich 1200 Pfund Sterling, die Lobengula freilich uicht lange genoß, und für ein Geschenk von tausend Ge¬ wehren mit Munition. Mit dem Moffatvertrage hatte Lobengula den kleinen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_224927/173>, abgerufen am 23.07.2024.