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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Zweites Vierteljahr.

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"Lecil Rhodos

eine andre Abteilung Unzufriedner aus dem Kaplande den Oranjefreistaat
gründete. Aber weder die einen noch die andern blieben unangefochten. Die¬
selbe Politik wie gegen Natal wurde auch gegen sie angewandt, wenn auch
nicht mit demselben Erfolge. Der Oranjestacit ward 1848 annektirt und 1854
wieder freigegeben. Transvaal wurde 1877 mit Beschlag belegt, obgleich 6591
von 8000 Wählern dagegen protestirten. Der Protest hatte keine Wirkung,
und auch als Gladstone ans Ruder kam, der so gern feurige Reden hält für
unterdrückte Volker, der gegen bulgarische, armenische und kretische Greuel von
Beredsamkeit überfloß und noch überfließt, blieb es bei dem Gewaltstreich, den
er als Führer der Opposition aufs schärfste verurteilt hatte. Natürlich: wenn
sich die Kreter gegen türkische Herrschaft erheben^, so ist das recht und billig,
und wenn die Christen dort außer zwanzig Männern auch vierundzwanzig
wehrlose Frauen und einige sechzig Kinder abschlachten, weil sie mohammeda¬
nischen Glaubens sind, so macht das christliche England davon nicht viel Auf¬
hebens. Daß es aber die Boeren 1880 wagten, nach vorhergehender An¬
kündigung sich gegen England zu erheben, ist ein schweres Verbrechen, und
daß sie die Frechheit hatten, reguläre königlich britische Truppen bei Madders
Spruit, Laings nel und am Majubaberge zu schlagen, wird ihnen nie ver¬
ziehen werden.

Seit dieser Zeit herrscht in England ein tiefer Haß gegen die Boeren,
und abgesehen von wenigen Stimmen wird die Republik und das Volk der
Boeren in den schwärzesten Farben geschildert. Diese boerenfeindliche Stimmung
teilte auch Rhodes. Aber als Kaplandpolitiker hatte er mit den ausschlag¬
gebenden Holländern zu rechnen. Das ist es auch, weshalb wir glauben, daß
er nicht von Anfang das Ziel im Auge hatte, das ihn schließlich in Konflikt
mit dem Transvaal und den Kaphollündcrn brachte. Er schloß sich im Kap¬
parlamente so eng an die Holländer oder Afrikander an, daß er als ihr Ver¬
treter und Führer das Ministerium: bilden konnte, an dessen Spitze er bis zu
Jamesons Zuge stand. Die Schwierigkeit einer solchen Stellung leuchtet ein
und spricht stark sür die Fähigkeit des Mannes.

Was ihn veranlaßte, über das Gebiet der Kapkolonie hinauszugehen, das
war Deutschland. Erst spät hat Deutschland eine koloniale Thätigkeit be¬
gonnen, aber dafür mit um so größerer Kraft. Schon damals, als die deutsche
Flagge zum erstenmale auf afrikanischen Boden gehißt wurde, galt Deutsch¬
land den Engländern als ein unbequemer Rival. Kein Wunder, daß die
Engländer in große Unruhe gerieten. Das Kapland suchte den deutschen Besitz
in Südwestafrika anzufechten; aber Bismarcks bündige Erklärung, daß das
Gebiet unter deutschem Schutze stehe, machte dem ein Ende, und die "Vor¬
macht" in Südafrika müszte sich bequemen, eine von ihr unabhängige neue
Ansiedlung anzuerkennen. Sofort tauchte nun das Gespenst einer deutsch-trans¬
vaalischen Vereinigung auf. Wenn Deutschland sein Gebiet bis an die Grenze


«Lecil Rhodos

eine andre Abteilung Unzufriedner aus dem Kaplande den Oranjefreistaat
gründete. Aber weder die einen noch die andern blieben unangefochten. Die¬
selbe Politik wie gegen Natal wurde auch gegen sie angewandt, wenn auch
nicht mit demselben Erfolge. Der Oranjestacit ward 1848 annektirt und 1854
wieder freigegeben. Transvaal wurde 1877 mit Beschlag belegt, obgleich 6591
von 8000 Wählern dagegen protestirten. Der Protest hatte keine Wirkung,
und auch als Gladstone ans Ruder kam, der so gern feurige Reden hält für
unterdrückte Volker, der gegen bulgarische, armenische und kretische Greuel von
Beredsamkeit überfloß und noch überfließt, blieb es bei dem Gewaltstreich, den
er als Führer der Opposition aufs schärfste verurteilt hatte. Natürlich: wenn
sich die Kreter gegen türkische Herrschaft erheben^, so ist das recht und billig,
und wenn die Christen dort außer zwanzig Männern auch vierundzwanzig
wehrlose Frauen und einige sechzig Kinder abschlachten, weil sie mohammeda¬
nischen Glaubens sind, so macht das christliche England davon nicht viel Auf¬
hebens. Daß es aber die Boeren 1880 wagten, nach vorhergehender An¬
kündigung sich gegen England zu erheben, ist ein schweres Verbrechen, und
daß sie die Frechheit hatten, reguläre königlich britische Truppen bei Madders
Spruit, Laings nel und am Majubaberge zu schlagen, wird ihnen nie ver¬
ziehen werden.

Seit dieser Zeit herrscht in England ein tiefer Haß gegen die Boeren,
und abgesehen von wenigen Stimmen wird die Republik und das Volk der
Boeren in den schwärzesten Farben geschildert. Diese boerenfeindliche Stimmung
teilte auch Rhodes. Aber als Kaplandpolitiker hatte er mit den ausschlag¬
gebenden Holländern zu rechnen. Das ist es auch, weshalb wir glauben, daß
er nicht von Anfang das Ziel im Auge hatte, das ihn schließlich in Konflikt
mit dem Transvaal und den Kaphollündcrn brachte. Er schloß sich im Kap¬
parlamente so eng an die Holländer oder Afrikander an, daß er als ihr Ver¬
treter und Führer das Ministerium: bilden konnte, an dessen Spitze er bis zu
Jamesons Zuge stand. Die Schwierigkeit einer solchen Stellung leuchtet ein
und spricht stark sür die Fähigkeit des Mannes.

Was ihn veranlaßte, über das Gebiet der Kapkolonie hinauszugehen, das
war Deutschland. Erst spät hat Deutschland eine koloniale Thätigkeit be¬
gonnen, aber dafür mit um so größerer Kraft. Schon damals, als die deutsche
Flagge zum erstenmale auf afrikanischen Boden gehißt wurde, galt Deutsch¬
land den Engländern als ein unbequemer Rival. Kein Wunder, daß die
Engländer in große Unruhe gerieten. Das Kapland suchte den deutschen Besitz
in Südwestafrika anzufechten; aber Bismarcks bündige Erklärung, daß das
Gebiet unter deutschem Schutze stehe, machte dem ein Ende, und die „Vor¬
macht" in Südafrika müszte sich bequemen, eine von ihr unabhängige neue
Ansiedlung anzuerkennen. Sofort tauchte nun das Gespenst einer deutsch-trans¬
vaalischen Vereinigung auf. Wenn Deutschland sein Gebiet bis an die Grenze


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[0172] «Lecil Rhodos eine andre Abteilung Unzufriedner aus dem Kaplande den Oranjefreistaat gründete. Aber weder die einen noch die andern blieben unangefochten. Die¬ selbe Politik wie gegen Natal wurde auch gegen sie angewandt, wenn auch nicht mit demselben Erfolge. Der Oranjestacit ward 1848 annektirt und 1854 wieder freigegeben. Transvaal wurde 1877 mit Beschlag belegt, obgleich 6591 von 8000 Wählern dagegen protestirten. Der Protest hatte keine Wirkung, und auch als Gladstone ans Ruder kam, der so gern feurige Reden hält für unterdrückte Volker, der gegen bulgarische, armenische und kretische Greuel von Beredsamkeit überfloß und noch überfließt, blieb es bei dem Gewaltstreich, den er als Führer der Opposition aufs schärfste verurteilt hatte. Natürlich: wenn sich die Kreter gegen türkische Herrschaft erheben^, so ist das recht und billig, und wenn die Christen dort außer zwanzig Männern auch vierundzwanzig wehrlose Frauen und einige sechzig Kinder abschlachten, weil sie mohammeda¬ nischen Glaubens sind, so macht das christliche England davon nicht viel Auf¬ hebens. Daß es aber die Boeren 1880 wagten, nach vorhergehender An¬ kündigung sich gegen England zu erheben, ist ein schweres Verbrechen, und daß sie die Frechheit hatten, reguläre königlich britische Truppen bei Madders Spruit, Laings nel und am Majubaberge zu schlagen, wird ihnen nie ver¬ ziehen werden. Seit dieser Zeit herrscht in England ein tiefer Haß gegen die Boeren, und abgesehen von wenigen Stimmen wird die Republik und das Volk der Boeren in den schwärzesten Farben geschildert. Diese boerenfeindliche Stimmung teilte auch Rhodes. Aber als Kaplandpolitiker hatte er mit den ausschlag¬ gebenden Holländern zu rechnen. Das ist es auch, weshalb wir glauben, daß er nicht von Anfang das Ziel im Auge hatte, das ihn schließlich in Konflikt mit dem Transvaal und den Kaphollündcrn brachte. Er schloß sich im Kap¬ parlamente so eng an die Holländer oder Afrikander an, daß er als ihr Ver¬ treter und Führer das Ministerium: bilden konnte, an dessen Spitze er bis zu Jamesons Zuge stand. Die Schwierigkeit einer solchen Stellung leuchtet ein und spricht stark sür die Fähigkeit des Mannes. Was ihn veranlaßte, über das Gebiet der Kapkolonie hinauszugehen, das war Deutschland. Erst spät hat Deutschland eine koloniale Thätigkeit be¬ gonnen, aber dafür mit um so größerer Kraft. Schon damals, als die deutsche Flagge zum erstenmale auf afrikanischen Boden gehißt wurde, galt Deutsch¬ land den Engländern als ein unbequemer Rival. Kein Wunder, daß die Engländer in große Unruhe gerieten. Das Kapland suchte den deutschen Besitz in Südwestafrika anzufechten; aber Bismarcks bündige Erklärung, daß das Gebiet unter deutschem Schutze stehe, machte dem ein Ende, und die „Vor¬ macht" in Südafrika müszte sich bequemen, eine von ihr unabhängige neue Ansiedlung anzuerkennen. Sofort tauchte nun das Gespenst einer deutsch-trans¬ vaalischen Vereinigung auf. Wenn Deutschland sein Gebiet bis an die Grenze

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_224927/172>, abgerufen am 23.07.2024.