Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Erstes Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches ihnen Offenbarungen der Schönheit bieten, Offenbarungen, die, eine zur andern Und jene Verworrenheit gutartiger Maler hat etwas entzückend Träume¬ Die Art und Gesinnung der Maler hat, nach allem Gesagten, entschieden Maßgebliches und Unmaßgebliches Völker und Parlamente. Die Türkei wird ja nun wohl nächstens Europa Maßgebliches und Unmaßgebliches ihnen Offenbarungen der Schönheit bieten, Offenbarungen, die, eine zur andern Und jene Verworrenheit gutartiger Maler hat etwas entzückend Träume¬ Die Art und Gesinnung der Maler hat, nach allem Gesagten, entschieden Maßgebliches und Unmaßgebliches Völker und Parlamente. Die Türkei wird ja nun wohl nächstens Europa <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0661" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/224907"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <p xml:id="ID_2164" prev="#ID_2163"> ihnen Offenbarungen der Schönheit bieten, Offenbarungen, die, eine zur andern<lb/> tretend, in der That eine erhabne, erziehende, heiligende Wirkung der Kunst<lb/> ergeben.</p><lb/> <p xml:id="ID_2165"> Und jene Verworrenheit gutartiger Maler hat etwas entzückend Träume¬<lb/> risches an sich. Sie ist, so zu sagen, nicht weniger malerisch, als sie naiv ist.<lb/> Wie der Maler beim Hören einer fesselnden Erzählung oder bei sonst einem<lb/> Motiv, das seine Phantasie erregt, sofort die Elemente einer Komposition vor<lb/> und in sich sieht, so leben alle seine Gedanken gleichsam im Kolorit; die<lb/> Empfindungen, mit denen er, oft unter fröhlichster Nichtachtung der Vernunft,<lb/> die Welt begreift, sind alle so phantastisch bunt, so lebhaft färbend, als sie<lb/> originell sind. Durch solche üppige Überkleidungen von nüchterner Schürfe<lb/> befreit, mutet uns die Weltanschauung der Maler an wie ein überquellend<lb/> reiches Blumenbeet, das die kahle Erde verbirgt; sie ergötzt und erheitert uns,<lb/> und sollte sie auch öfter wehmütig gestimmt sein, so freuen wir uns doch<lb/> nicht bloß an roten Rosen, sondern auch an blassen Lilien.</p><lb/> <p xml:id="ID_2166"> Die Art und Gesinnung der Maler hat, nach allem Gesagten, entschieden<lb/> etwas Weibliches. Das liegt nicht allein in ihren soeben berührten Beziehungen<lb/> zu den Blumen, sondern vorzüglich im Überwiegen der Herzens- und Geschmacks¬<lb/> triebe und im Zurücktreten der Logik. So stehen denn die Maler sehr hoch<lb/> auf der Stufenleiter der Geschöpfe, sind jedoch für den Naturforscher ein<lb/> wahres Krenz. Wie soll er sie, die geheimnisvoll bevorzugten, schillernd<lb/> wechselvollen, bald philisterhaften, bald geistreichen, genau und richtig ein¬<lb/> ordnen? Wie die ästhetische Weltanschauung in ihrem Verhältnis zur ethischen<lb/> sicher bestimmen? Er wird gewiß noch lange darüber nachzudenken haben.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Maßgebliches und Unmaßgebliches</head><lb/> <div n="2"> <head> Völker und Parlamente.</head> <p xml:id="ID_2167" next="#ID_2168"> Die Türkei wird ja nun wohl nächstens Europa<lb/> als Musterstaat vorgestellt werden könne»; am 19. März werden in Tokat über<lb/> hundert Armenier abgeschlachtet, und schon am 24. März — „soll" der Sultan<lb/> eine Untersuchungskommission ernannt haben. Aber wird Italien noch einmal zum<lb/> politischen Leben erwachen? Das italienische Volk war im Mittelalter bis in die<lb/> feinsten Äderchen seines Leibes von politischem Leben nicht allein durchströmt,<lb/> sondern dnrchtvbt. Es versank dann — wohl aus Erschöpfung — vom sechzehnten<lb/> Jahrhundert an in noch tiefere politische Erstarrung als die übrigen Völker Europas;<lb/> die Politik ward Kabinettssache, und Privatpersonen wagten sich nur noch hinter<lb/> verschlossenen Thüren über die Angelegenheiten ihres Vaterlandes mit einander zu</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0661]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
ihnen Offenbarungen der Schönheit bieten, Offenbarungen, die, eine zur andern
tretend, in der That eine erhabne, erziehende, heiligende Wirkung der Kunst
ergeben.
Und jene Verworrenheit gutartiger Maler hat etwas entzückend Träume¬
risches an sich. Sie ist, so zu sagen, nicht weniger malerisch, als sie naiv ist.
Wie der Maler beim Hören einer fesselnden Erzählung oder bei sonst einem
Motiv, das seine Phantasie erregt, sofort die Elemente einer Komposition vor
und in sich sieht, so leben alle seine Gedanken gleichsam im Kolorit; die
Empfindungen, mit denen er, oft unter fröhlichster Nichtachtung der Vernunft,
die Welt begreift, sind alle so phantastisch bunt, so lebhaft färbend, als sie
originell sind. Durch solche üppige Überkleidungen von nüchterner Schürfe
befreit, mutet uns die Weltanschauung der Maler an wie ein überquellend
reiches Blumenbeet, das die kahle Erde verbirgt; sie ergötzt und erheitert uns,
und sollte sie auch öfter wehmütig gestimmt sein, so freuen wir uns doch
nicht bloß an roten Rosen, sondern auch an blassen Lilien.
Die Art und Gesinnung der Maler hat, nach allem Gesagten, entschieden
etwas Weibliches. Das liegt nicht allein in ihren soeben berührten Beziehungen
zu den Blumen, sondern vorzüglich im Überwiegen der Herzens- und Geschmacks¬
triebe und im Zurücktreten der Logik. So stehen denn die Maler sehr hoch
auf der Stufenleiter der Geschöpfe, sind jedoch für den Naturforscher ein
wahres Krenz. Wie soll er sie, die geheimnisvoll bevorzugten, schillernd
wechselvollen, bald philisterhaften, bald geistreichen, genau und richtig ein¬
ordnen? Wie die ästhetische Weltanschauung in ihrem Verhältnis zur ethischen
sicher bestimmen? Er wird gewiß noch lange darüber nachzudenken haben.
Maßgebliches und Unmaßgebliches
Völker und Parlamente. Die Türkei wird ja nun wohl nächstens Europa
als Musterstaat vorgestellt werden könne»; am 19. März werden in Tokat über
hundert Armenier abgeschlachtet, und schon am 24. März — „soll" der Sultan
eine Untersuchungskommission ernannt haben. Aber wird Italien noch einmal zum
politischen Leben erwachen? Das italienische Volk war im Mittelalter bis in die
feinsten Äderchen seines Leibes von politischem Leben nicht allein durchströmt,
sondern dnrchtvbt. Es versank dann — wohl aus Erschöpfung — vom sechzehnten
Jahrhundert an in noch tiefere politische Erstarrung als die übrigen Völker Europas;
die Politik ward Kabinettssache, und Privatpersonen wagten sich nur noch hinter
verschlossenen Thüren über die Angelegenheiten ihres Vaterlandes mit einander zu
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