Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Erstes Vierteljahr.T>er Nebenverdienst des höhern Lehrerstandes auch für ganz Gesunde siud es verhältnismäßig nur wenige Jahre, die in So blieben denn noch die Privatstunden. Aber auch die sind wie das T>er Nebenverdienst des höhern Lehrerstandes auch für ganz Gesunde siud es verhältnismäßig nur wenige Jahre, die in So blieben denn noch die Privatstunden. Aber auch die sind wie das <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0491" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/224737"/> <fw type="header" place="top"> T>er Nebenverdienst des höhern Lehrerstandes</fw><lb/> <p xml:id="ID_1450" prev="#ID_1449"> auch für ganz Gesunde siud es verhältnismäßig nur wenige Jahre, die in<lb/> Betracht kommen. In eine ganz junge Ehe paßt es nicht hinein, und andrer¬<lb/> seits gehört völlige körperliche Rüstigkeit dazu, die Sorgen und Aufregungen<lb/> zu ertragen, die damit verknüpft sind. Man bedenke, was es heißen will,<lb/> wenn in einem Pensionat einmal eine ansteckende Krankheit ausbricht! Der<lb/> Gewinn aber ist gegenüber der Unannehmlichkeit, daß man fast nie mit Frau<lb/> und Kindern allein ist, recht geringfügig; am geringfügigsten in großen Städten,<lb/> wo man für eine zu Pensivnatszwecken geeignete Wohnung sehr hohe Preise<lb/> zahlen muß, die auch dann weitergezahlt werden müssen, wenn sich kein einziger<lb/> Pensionär melden will. Ich habe in eine ganze Reihe von Lehrerfamilien<lb/> hineingeblickt, die es zur Aufrechterhaltung ihrer Lebensführung für notwendig<lb/> hielten, sich diesem Erwerbszweige zu widmen. Aber fast nirgends habe ich<lb/> den Eindruck der Behaglichkeit und Zufriedenheit gewonnen. Der Zwang, der<lb/> auf dem Familienleben liegt, entfremdet die einzelnen Familienmitglieder, der<lb/> Ärger, der mit halbwüchsigen jungen Leuten unfehlbar in das Haus einzieht,<lb/> macht Mann und Frau nervös und vor der Zeit matt, und der Gewinn?<lb/> Ich glaube nicht, daß die, die uns immer wieder auf das Pensionatswesen<lb/> hinweisen, auch nur einen einzigen Mann anführen können, der bei anständiger<lb/> Führung seines Haushalts einen nennenswerten Sparpfennig aus seinen<lb/> Pensionatsjahren zurückgelegt hat.</p><lb/> <p xml:id="ID_1451" next="#ID_1452"> So blieben denn noch die Privatstunden. Aber auch die sind wie das<lb/> Pensionatswesen ein Übel. Es giebt drei Arten von Privatstunden, in denen<lb/> sich ein wissenschaftlich gebildeter Lehrer beschäftigen und sich so einen Zuschuß<lb/> zu seinem Gehalte verdienen kann: wenn er an Privatschulen nebenher Unter¬<lb/> richt erteilt, wenn er junge Leute, die aus irgend einem Grunde den regel¬<lb/> mäßigen Kursen ferngeblieben sind, auf die Reife-, Freiwilligen- oder sonst eine<lb/> Prüfung vorbereitet, und wenn er Schülern der höhern Lehranstalten, die<lb/> nicht vorwärts kommen, Nachhilfeunterricht giebt. Von diesen drei Arten ist<lb/> die erste die angenehmste. Denn es ist immer anregender und abwechslungs¬<lb/> reicher, zu einer Klasse, selbst auf einer „Presse" zu reden, als zu einem Ein¬<lb/> zelnen. Man findet dann imnier eine Anzahl williger, ja sogar befähigter<lb/> Schüler, mit denen sich arbeiten läßt. Als ein Glück möchte ich es bezeichnen,<lb/> wenn ein Lehrer, der sonst nur Knaben vor sich hat, die zum Studium gebracht<lb/> werden sollen, auch einmal Mädchen unterrichtet, oder junge Leute, die sich<lb/> einem sogenannten „praktischen" Berufe zugewendet haben. Er wird dann<lb/> manche Einseitigkeiten seiner Auffassung erkennen und sich bemühn, sie abzu¬<lb/> legen. Aber gerade diese so erwünschte Ergänzung der Lehrthätigkeit wird<lb/> nur schlecht bezahlt, bringt auch manche Mißlichkeiten wegen des Stundenplans<lb/> mit sich (z. B. Abendunterricht, Hin- und Herlaufen zwischen den oft weit<lb/> entfernten Unterrichtslokalen) und schafft neue Korrekturlast. Aber selbst wenn<lb/> man das alles gering anschlägt, eine Hauptschwierigkeit, diesen Weg zu betreten,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0491]
T>er Nebenverdienst des höhern Lehrerstandes
auch für ganz Gesunde siud es verhältnismäßig nur wenige Jahre, die in
Betracht kommen. In eine ganz junge Ehe paßt es nicht hinein, und andrer¬
seits gehört völlige körperliche Rüstigkeit dazu, die Sorgen und Aufregungen
zu ertragen, die damit verknüpft sind. Man bedenke, was es heißen will,
wenn in einem Pensionat einmal eine ansteckende Krankheit ausbricht! Der
Gewinn aber ist gegenüber der Unannehmlichkeit, daß man fast nie mit Frau
und Kindern allein ist, recht geringfügig; am geringfügigsten in großen Städten,
wo man für eine zu Pensivnatszwecken geeignete Wohnung sehr hohe Preise
zahlen muß, die auch dann weitergezahlt werden müssen, wenn sich kein einziger
Pensionär melden will. Ich habe in eine ganze Reihe von Lehrerfamilien
hineingeblickt, die es zur Aufrechterhaltung ihrer Lebensführung für notwendig
hielten, sich diesem Erwerbszweige zu widmen. Aber fast nirgends habe ich
den Eindruck der Behaglichkeit und Zufriedenheit gewonnen. Der Zwang, der
auf dem Familienleben liegt, entfremdet die einzelnen Familienmitglieder, der
Ärger, der mit halbwüchsigen jungen Leuten unfehlbar in das Haus einzieht,
macht Mann und Frau nervös und vor der Zeit matt, und der Gewinn?
Ich glaube nicht, daß die, die uns immer wieder auf das Pensionatswesen
hinweisen, auch nur einen einzigen Mann anführen können, der bei anständiger
Führung seines Haushalts einen nennenswerten Sparpfennig aus seinen
Pensionatsjahren zurückgelegt hat.
So blieben denn noch die Privatstunden. Aber auch die sind wie das
Pensionatswesen ein Übel. Es giebt drei Arten von Privatstunden, in denen
sich ein wissenschaftlich gebildeter Lehrer beschäftigen und sich so einen Zuschuß
zu seinem Gehalte verdienen kann: wenn er an Privatschulen nebenher Unter¬
richt erteilt, wenn er junge Leute, die aus irgend einem Grunde den regel¬
mäßigen Kursen ferngeblieben sind, auf die Reife-, Freiwilligen- oder sonst eine
Prüfung vorbereitet, und wenn er Schülern der höhern Lehranstalten, die
nicht vorwärts kommen, Nachhilfeunterricht giebt. Von diesen drei Arten ist
die erste die angenehmste. Denn es ist immer anregender und abwechslungs¬
reicher, zu einer Klasse, selbst auf einer „Presse" zu reden, als zu einem Ein¬
zelnen. Man findet dann imnier eine Anzahl williger, ja sogar befähigter
Schüler, mit denen sich arbeiten läßt. Als ein Glück möchte ich es bezeichnen,
wenn ein Lehrer, der sonst nur Knaben vor sich hat, die zum Studium gebracht
werden sollen, auch einmal Mädchen unterrichtet, oder junge Leute, die sich
einem sogenannten „praktischen" Berufe zugewendet haben. Er wird dann
manche Einseitigkeiten seiner Auffassung erkennen und sich bemühn, sie abzu¬
legen. Aber gerade diese so erwünschte Ergänzung der Lehrthätigkeit wird
nur schlecht bezahlt, bringt auch manche Mißlichkeiten wegen des Stundenplans
mit sich (z. B. Abendunterricht, Hin- und Herlaufen zwischen den oft weit
entfernten Unterrichtslokalen) und schafft neue Korrekturlast. Aber selbst wenn
man das alles gering anschlägt, eine Hauptschwierigkeit, diesen Weg zu betreten,
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