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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Erstes Vierteljahr.

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Zur Einkommensteuerveranlagung in Preußen

genug haben, den Zusammenhang der Dinge zu würdigen, so wird bei dem¬
selben Steuerpflichtigen kaum je die Notwendigkeit hervortreten, eine neue
Beanstandung auszusprechen; er weiß, worauf es ankommt, und wird von
vornherein Änderungen in der Steuererklärung erläutern und außer Zweifel
stellen, übrigens auch in feinem Kreise zur Aufklärung und zum Verständnis
der Steuergesetzgebung beitragen.

Unzweifelhaft ist der Grundgedanke des Einkommensteuergesetzes vom
24. Juni 1891 durchaus gesund. Alle Angriffe richten sich auch in der
Hauptsache nicht gegen ihn, sondern gegen Fehlgriffe in der Ausführung des
Gesetzes oder nebensächliche Bestimmungen, die ohne Beeinträchtigung der
Hauptsache geändert werden können. Daß Mißgriffe bei einer so neuen Sache
vorkommen, ist begreiflich und menschlich, denn schwer ist die Verantwortung
derer, die die Veranlagung in erster Reihe leiten, groß die Arbeitslast sämtlicher
beteiligten Beamten, und nicht gering die Schwierigkeit der ganzen Einrichtung,
die eben noch neu und der Bevölkerung noch lange nicht in Fleisch und Blut
übergegangen ist.

Es giebt aber, wie uns scheint, ein wirksames Heilmittel gegen alle diese
Nachteile oder viele davon und zugleich gegen die schwere Belastung der Kom¬
munen und Beamten durch die alljährliche mühevolle Vorbereitung der Veran¬
lagung usw. Wenn auch überall geklagt und anerkannt wird, daß das Amt des
Gemeindevorstehers (Schulzen), des Amtsvorstehers usw. in der neuern Zeit
so umfangreich und mühevoll geworden ist, daß ein Ortsbürger, ein Landwirt,
ein Bauer, ein Gutsbesitzer das Amt kaum noch neben seinem bürgerlichen Berufe
führen kann, wenn da, wo die Einrichtung der Amtsvorsteher besteht, entweder
formell oder doch thatsächlich die Geschäfte von einem Büreaubeamten geführt
werden müssen, so sind doch die Aufgaben der örtlichen Verwaltung, der Lokal¬
obrigkeit, vorzugsweise durch die soziale Gesetzgebung, d. h. die Kranken-, Un¬
fall-, Jnvaliditäts- und Altersversicherung und nicht am wenigsten durch die
neue Steuergesetzgebung so anzuwachsen.

Das Abhilfemittel würde nun darin bestehen, daß die Veranlagungsperiode
für die Einkommensteuer von einem auf zwei Jahre verlängert würde, wozu
es nur einer Änderung des § 56 des Einkoinmensteuergesetzes bedürfte. Der
Einwand, daß dadurch die Einnahmen des Staats leicht geschmälert werden
könnten, da die Einkommensteuer im ganzen stetig zu wachsen pflege (im lau¬
fenden Etat wird auf eine Steigerung von drei Millionen gerechnet), und daß
man auf diese regelmäßige Zunahme von finanziellem Standpunkte schwer ver¬
zichten könne, trifft nicht zu. Gewiß würde im ersten Jahr kein Zuwachs ein¬
treten, dafür würde aber in minder günstigen Jahren die Steuer nicht gleich herab¬
gehen. Übrigens wechselt die Höhe des Einkommens auch keineswegs in solchem
Maße, daß durch eine Veranlagung auf zwei Jahre die Steuerzahler oder der
Fiskus wesentlich geschädigt werden könnten. Und wenn jetzt die unbestimmten


Zur Einkommensteuerveranlagung in Preußen

genug haben, den Zusammenhang der Dinge zu würdigen, so wird bei dem¬
selben Steuerpflichtigen kaum je die Notwendigkeit hervortreten, eine neue
Beanstandung auszusprechen; er weiß, worauf es ankommt, und wird von
vornherein Änderungen in der Steuererklärung erläutern und außer Zweifel
stellen, übrigens auch in feinem Kreise zur Aufklärung und zum Verständnis
der Steuergesetzgebung beitragen.

Unzweifelhaft ist der Grundgedanke des Einkommensteuergesetzes vom
24. Juni 1891 durchaus gesund. Alle Angriffe richten sich auch in der
Hauptsache nicht gegen ihn, sondern gegen Fehlgriffe in der Ausführung des
Gesetzes oder nebensächliche Bestimmungen, die ohne Beeinträchtigung der
Hauptsache geändert werden können. Daß Mißgriffe bei einer so neuen Sache
vorkommen, ist begreiflich und menschlich, denn schwer ist die Verantwortung
derer, die die Veranlagung in erster Reihe leiten, groß die Arbeitslast sämtlicher
beteiligten Beamten, und nicht gering die Schwierigkeit der ganzen Einrichtung,
die eben noch neu und der Bevölkerung noch lange nicht in Fleisch und Blut
übergegangen ist.

Es giebt aber, wie uns scheint, ein wirksames Heilmittel gegen alle diese
Nachteile oder viele davon und zugleich gegen die schwere Belastung der Kom¬
munen und Beamten durch die alljährliche mühevolle Vorbereitung der Veran¬
lagung usw. Wenn auch überall geklagt und anerkannt wird, daß das Amt des
Gemeindevorstehers (Schulzen), des Amtsvorstehers usw. in der neuern Zeit
so umfangreich und mühevoll geworden ist, daß ein Ortsbürger, ein Landwirt,
ein Bauer, ein Gutsbesitzer das Amt kaum noch neben seinem bürgerlichen Berufe
führen kann, wenn da, wo die Einrichtung der Amtsvorsteher besteht, entweder
formell oder doch thatsächlich die Geschäfte von einem Büreaubeamten geführt
werden müssen, so sind doch die Aufgaben der örtlichen Verwaltung, der Lokal¬
obrigkeit, vorzugsweise durch die soziale Gesetzgebung, d. h. die Kranken-, Un¬
fall-, Jnvaliditäts- und Altersversicherung und nicht am wenigsten durch die
neue Steuergesetzgebung so anzuwachsen.

Das Abhilfemittel würde nun darin bestehen, daß die Veranlagungsperiode
für die Einkommensteuer von einem auf zwei Jahre verlängert würde, wozu
es nur einer Änderung des § 56 des Einkoinmensteuergesetzes bedürfte. Der
Einwand, daß dadurch die Einnahmen des Staats leicht geschmälert werden
könnten, da die Einkommensteuer im ganzen stetig zu wachsen pflege (im lau¬
fenden Etat wird auf eine Steigerung von drei Millionen gerechnet), und daß
man auf diese regelmäßige Zunahme von finanziellem Standpunkte schwer ver¬
zichten könne, trifft nicht zu. Gewiß würde im ersten Jahr kein Zuwachs ein¬
treten, dafür würde aber in minder günstigen Jahren die Steuer nicht gleich herab¬
gehen. Übrigens wechselt die Höhe des Einkommens auch keineswegs in solchem
Maße, daß durch eine Veranlagung auf zwei Jahre die Steuerzahler oder der
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[0483] Zur Einkommensteuerveranlagung in Preußen genug haben, den Zusammenhang der Dinge zu würdigen, so wird bei dem¬ selben Steuerpflichtigen kaum je die Notwendigkeit hervortreten, eine neue Beanstandung auszusprechen; er weiß, worauf es ankommt, und wird von vornherein Änderungen in der Steuererklärung erläutern und außer Zweifel stellen, übrigens auch in feinem Kreise zur Aufklärung und zum Verständnis der Steuergesetzgebung beitragen. Unzweifelhaft ist der Grundgedanke des Einkommensteuergesetzes vom 24. Juni 1891 durchaus gesund. Alle Angriffe richten sich auch in der Hauptsache nicht gegen ihn, sondern gegen Fehlgriffe in der Ausführung des Gesetzes oder nebensächliche Bestimmungen, die ohne Beeinträchtigung der Hauptsache geändert werden können. Daß Mißgriffe bei einer so neuen Sache vorkommen, ist begreiflich und menschlich, denn schwer ist die Verantwortung derer, die die Veranlagung in erster Reihe leiten, groß die Arbeitslast sämtlicher beteiligten Beamten, und nicht gering die Schwierigkeit der ganzen Einrichtung, die eben noch neu und der Bevölkerung noch lange nicht in Fleisch und Blut übergegangen ist. Es giebt aber, wie uns scheint, ein wirksames Heilmittel gegen alle diese Nachteile oder viele davon und zugleich gegen die schwere Belastung der Kom¬ munen und Beamten durch die alljährliche mühevolle Vorbereitung der Veran¬ lagung usw. Wenn auch überall geklagt und anerkannt wird, daß das Amt des Gemeindevorstehers (Schulzen), des Amtsvorstehers usw. in der neuern Zeit so umfangreich und mühevoll geworden ist, daß ein Ortsbürger, ein Landwirt, ein Bauer, ein Gutsbesitzer das Amt kaum noch neben seinem bürgerlichen Berufe führen kann, wenn da, wo die Einrichtung der Amtsvorsteher besteht, entweder formell oder doch thatsächlich die Geschäfte von einem Büreaubeamten geführt werden müssen, so sind doch die Aufgaben der örtlichen Verwaltung, der Lokal¬ obrigkeit, vorzugsweise durch die soziale Gesetzgebung, d. h. die Kranken-, Un¬ fall-, Jnvaliditäts- und Altersversicherung und nicht am wenigsten durch die neue Steuergesetzgebung so anzuwachsen. Das Abhilfemittel würde nun darin bestehen, daß die Veranlagungsperiode für die Einkommensteuer von einem auf zwei Jahre verlängert würde, wozu es nur einer Änderung des § 56 des Einkoinmensteuergesetzes bedürfte. Der Einwand, daß dadurch die Einnahmen des Staats leicht geschmälert werden könnten, da die Einkommensteuer im ganzen stetig zu wachsen pflege (im lau¬ fenden Etat wird auf eine Steigerung von drei Millionen gerechnet), und daß man auf diese regelmäßige Zunahme von finanziellem Standpunkte schwer ver¬ zichten könne, trifft nicht zu. Gewiß würde im ersten Jahr kein Zuwachs ein¬ treten, dafür würde aber in minder günstigen Jahren die Steuer nicht gleich herab¬ gehen. Übrigens wechselt die Höhe des Einkommens auch keineswegs in solchem Maße, daß durch eine Veranlagung auf zwei Jahre die Steuerzahler oder der Fiskus wesentlich geschädigt werden könnten. Und wenn jetzt die unbestimmten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_224245/483>, abgerufen am 26.06.2024.