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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Erstes Vierteljahr.

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Zur Linkommensteuerveranlagung in Preußen

und schwankenden Einnahmen nach dreijährigem Durchschnitt berechnet werden,
so ist daraus gegen zweijährige Veranlagungsperioden kein wesentliches Be¬
denken herzuleiten, da erstens sehr viele Kaufleute mit ordnungsmäßiger
Buchführung entweder nur aller zwei Jahre ihren Abschluß machen oder
zur Zeit der Steuererklärung das Ergebnis des letzten Jahres noch nicht
festgestellt haben können, also schon jetzt zwei Jahre hinter einander ein gleiches
Einkommen aus dem Gewerbebetriebe zu versteuern haben; dann aber könnte
doch wohl ebenso gut ein vierjähriger Durchschnitt vorgeschrieben werden
als ein dreijähriger, und der Übergang vom drei- zum vierjährigen Durch¬
schnitt hätte dann, wo allen Steuerpflichtigen mit wenigen Ausnahmen für
eine Reihe einzelner Jahre ihre Abschlüsse und Ergebnisse vorlagen, keine
Schwierigkeit.

Zudem stünde dann doch einem kleinen Ausfall oder, richtiger gesagt,
einer vorübergehend etwas geringern Mehreinnahme der Staatskasse sür ein
Jahr eine gewiß nicht unbedeutende Ersparnis an Reisekosten, Tagegeldern
und Versäumnisgebühren der Kommissionsmitglieder gegenüber, denn diese
würden dann nur halb so oft als bisher zusammenzuberufen sein, serner an
Beamtenbesoldungen und Remunerationen, da eine sonst unerläßliche Ver¬
mehrung an Beamtenpersonal überflüssig werden würde. Um nur einen
einzelnen Punkt herauszugreifen, so wird ja die Zahl der Berufungen für
absehbare Zeit immer Legion bleiben; die Kosten der Berufungskommissioncn
sind aber sehr bedeutend. In größern Regierungsbezirken muß die Be¬
rufungskommission jährlich im ganzen drei bis vier Wochen arbeiten, und es
wird nicht zu hoch gegriffen sein, wenn man die Tagegelder und Reisekosten
für jede einwöchige Session auf etwa 1000 Mark schätzt. Bei weitem mehr
Zeit und Geld kosten die Veranlagnngskommissioncn, von denen für jeden
Land- und jeden Stadtkreis ungefähr eine mit durchschnittlich wohl nicht
weniger als sieben Mitgliedern vorhanden ist; und je fünf dieser Mitglieder
werden, außerhalb des Sitzes der Kommission wohnhaft, Diäten und Reise¬
kosten zu beziehen haben.

Bei zweijähriger Veranlagungsperiode würde aber auch Aussicht sein, daß
sich die Zahl der Berufungen und Revisionen verminderte. Zur endgiltigen
Veranlagung sind so viele Stellen zur Mitwirkung berufen (Gemeindevorstand,
Voreinschätzungs-, Veraulagungs-, Berufnngskommission, Oberverwaltungs¬
gericht), daß jetzt der normale Zustand kaum erreichbar ist, daß nämlich inner¬
halb der Steuerperiode die Veranlagung zum Abschluß kommt und rechtskräftig
wird. Sozusagen unmöglich ist es auch, daß die gesetzlichen Bestimmungen
von sämtlichen Veranlagungsbehörden bei ihrer wegen der Kürze der Zeit fort¬
während überhasteten Arbeit genau befolgt werden. So kann es nicht aus¬
bleiben, daß die Veranlagungen zum großen Teil auf mehr oder weniger un¬
sichrer Grundlage geschehen, ohne daß die hervortretenden Unklarheiten bis zur


Zur Linkommensteuerveranlagung in Preußen

und schwankenden Einnahmen nach dreijährigem Durchschnitt berechnet werden,
so ist daraus gegen zweijährige Veranlagungsperioden kein wesentliches Be¬
denken herzuleiten, da erstens sehr viele Kaufleute mit ordnungsmäßiger
Buchführung entweder nur aller zwei Jahre ihren Abschluß machen oder
zur Zeit der Steuererklärung das Ergebnis des letzten Jahres noch nicht
festgestellt haben können, also schon jetzt zwei Jahre hinter einander ein gleiches
Einkommen aus dem Gewerbebetriebe zu versteuern haben; dann aber könnte
doch wohl ebenso gut ein vierjähriger Durchschnitt vorgeschrieben werden
als ein dreijähriger, und der Übergang vom drei- zum vierjährigen Durch¬
schnitt hätte dann, wo allen Steuerpflichtigen mit wenigen Ausnahmen für
eine Reihe einzelner Jahre ihre Abschlüsse und Ergebnisse vorlagen, keine
Schwierigkeit.

Zudem stünde dann doch einem kleinen Ausfall oder, richtiger gesagt,
einer vorübergehend etwas geringern Mehreinnahme der Staatskasse sür ein
Jahr eine gewiß nicht unbedeutende Ersparnis an Reisekosten, Tagegeldern
und Versäumnisgebühren der Kommissionsmitglieder gegenüber, denn diese
würden dann nur halb so oft als bisher zusammenzuberufen sein, serner an
Beamtenbesoldungen und Remunerationen, da eine sonst unerläßliche Ver¬
mehrung an Beamtenpersonal überflüssig werden würde. Um nur einen
einzelnen Punkt herauszugreifen, so wird ja die Zahl der Berufungen für
absehbare Zeit immer Legion bleiben; die Kosten der Berufungskommissioncn
sind aber sehr bedeutend. In größern Regierungsbezirken muß die Be¬
rufungskommission jährlich im ganzen drei bis vier Wochen arbeiten, und es
wird nicht zu hoch gegriffen sein, wenn man die Tagegelder und Reisekosten
für jede einwöchige Session auf etwa 1000 Mark schätzt. Bei weitem mehr
Zeit und Geld kosten die Veranlagnngskommissioncn, von denen für jeden
Land- und jeden Stadtkreis ungefähr eine mit durchschnittlich wohl nicht
weniger als sieben Mitgliedern vorhanden ist; und je fünf dieser Mitglieder
werden, außerhalb des Sitzes der Kommission wohnhaft, Diäten und Reise¬
kosten zu beziehen haben.

Bei zweijähriger Veranlagungsperiode würde aber auch Aussicht sein, daß
sich die Zahl der Berufungen und Revisionen verminderte. Zur endgiltigen
Veranlagung sind so viele Stellen zur Mitwirkung berufen (Gemeindevorstand,
Voreinschätzungs-, Veraulagungs-, Berufnngskommission, Oberverwaltungs¬
gericht), daß jetzt der normale Zustand kaum erreichbar ist, daß nämlich inner¬
halb der Steuerperiode die Veranlagung zum Abschluß kommt und rechtskräftig
wird. Sozusagen unmöglich ist es auch, daß die gesetzlichen Bestimmungen
von sämtlichen Veranlagungsbehörden bei ihrer wegen der Kürze der Zeit fort¬
während überhasteten Arbeit genau befolgt werden. So kann es nicht aus¬
bleiben, daß die Veranlagungen zum großen Teil auf mehr oder weniger un¬
sichrer Grundlage geschehen, ohne daß die hervortretenden Unklarheiten bis zur


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[0484] Zur Linkommensteuerveranlagung in Preußen und schwankenden Einnahmen nach dreijährigem Durchschnitt berechnet werden, so ist daraus gegen zweijährige Veranlagungsperioden kein wesentliches Be¬ denken herzuleiten, da erstens sehr viele Kaufleute mit ordnungsmäßiger Buchführung entweder nur aller zwei Jahre ihren Abschluß machen oder zur Zeit der Steuererklärung das Ergebnis des letzten Jahres noch nicht festgestellt haben können, also schon jetzt zwei Jahre hinter einander ein gleiches Einkommen aus dem Gewerbebetriebe zu versteuern haben; dann aber könnte doch wohl ebenso gut ein vierjähriger Durchschnitt vorgeschrieben werden als ein dreijähriger, und der Übergang vom drei- zum vierjährigen Durch¬ schnitt hätte dann, wo allen Steuerpflichtigen mit wenigen Ausnahmen für eine Reihe einzelner Jahre ihre Abschlüsse und Ergebnisse vorlagen, keine Schwierigkeit. Zudem stünde dann doch einem kleinen Ausfall oder, richtiger gesagt, einer vorübergehend etwas geringern Mehreinnahme der Staatskasse sür ein Jahr eine gewiß nicht unbedeutende Ersparnis an Reisekosten, Tagegeldern und Versäumnisgebühren der Kommissionsmitglieder gegenüber, denn diese würden dann nur halb so oft als bisher zusammenzuberufen sein, serner an Beamtenbesoldungen und Remunerationen, da eine sonst unerläßliche Ver¬ mehrung an Beamtenpersonal überflüssig werden würde. Um nur einen einzelnen Punkt herauszugreifen, so wird ja die Zahl der Berufungen für absehbare Zeit immer Legion bleiben; die Kosten der Berufungskommissioncn sind aber sehr bedeutend. In größern Regierungsbezirken muß die Be¬ rufungskommission jährlich im ganzen drei bis vier Wochen arbeiten, und es wird nicht zu hoch gegriffen sein, wenn man die Tagegelder und Reisekosten für jede einwöchige Session auf etwa 1000 Mark schätzt. Bei weitem mehr Zeit und Geld kosten die Veranlagnngskommissioncn, von denen für jeden Land- und jeden Stadtkreis ungefähr eine mit durchschnittlich wohl nicht weniger als sieben Mitgliedern vorhanden ist; und je fünf dieser Mitglieder werden, außerhalb des Sitzes der Kommission wohnhaft, Diäten und Reise¬ kosten zu beziehen haben. Bei zweijähriger Veranlagungsperiode würde aber auch Aussicht sein, daß sich die Zahl der Berufungen und Revisionen verminderte. Zur endgiltigen Veranlagung sind so viele Stellen zur Mitwirkung berufen (Gemeindevorstand, Voreinschätzungs-, Veraulagungs-, Berufnngskommission, Oberverwaltungs¬ gericht), daß jetzt der normale Zustand kaum erreichbar ist, daß nämlich inner¬ halb der Steuerperiode die Veranlagung zum Abschluß kommt und rechtskräftig wird. Sozusagen unmöglich ist es auch, daß die gesetzlichen Bestimmungen von sämtlichen Veranlagungsbehörden bei ihrer wegen der Kürze der Zeit fort¬ während überhasteten Arbeit genau befolgt werden. So kann es nicht aus¬ bleiben, daß die Veranlagungen zum großen Teil auf mehr oder weniger un¬ sichrer Grundlage geschehen, ohne daß die hervortretenden Unklarheiten bis zur

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_224245/484>, abgerufen am 27.09.2024.