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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Erstes Vierteljahr.

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gehen auf die persönlichen Umstände, d. h. Arbeiten vom grünen Tisch aus, zu¬
zutrauen geneigt ist, und zumal da man die Beanstandungen, die in der Regel
von dem Vorsitzenden der Steuerkommission ausgehen, vielfach als überflüssig
ansehen zu können glaubt, wenn nur die Sache zuvor zu eingehender Erwägung
bei der Kommission gebracht werde, deren Mitglieder aus allen Kreisen des
Kommissionsbezirks heraus gewählt sind und mitten im Leben stehen, und von
denen man sich denn doch einer einigermaßen sichern Beurteilung der allge¬
meinen und besondern Erwerbsverhältnisse versehen darf.

Wenn zuweilen Beanstandungen erfolgt sein sollen, nicht weil man von der
Unrichtigkeit der Steuererklärung überzeugt war, sondern nur weil man keine
Gewißheit von der Richtigkeit zu haben glaubte, so mußte das allerdings
verworfen werden; denn im Falle der Beanstandung trägt der Zensit die ganze
Beweislast, die liefe aber in solchen Fällen nicht sowohl darauf hinaus, die
Richtigkeit der Steuererklärung zu beweisen, als vielmehr darauf, die unzutreffende
Annahme des Vorsitzenden der Stenerkommission zu entkräften. Solche Mängel
werden aber sicher mit der Zeit wegfallen, wenn sich die Einrichtung mehr
eingelebt hat.

Befremdlich ist es ferner, wenn die Veranlagung für das folgende Jahr
ebenso hoch genommen wird wie die für das ablaufende Jahr, obgleich der
Zensit alle Rechtsmittel dagegen eingelegt hat, und nur die Entscheidung
der höchsten Instanz noch nicht ergangen ist; noch befremdlicher aber, daß es
nötig ist, gegen die neue Veranlagung schon wieder Berufung einzulegen, und
daß bei Fortdauer der Verhältnisse die Nevisionseutscheidung dann doch nur
für das vorige Jahr gilt, auch wenn sie erst in vorgerückter Zeit im neuen
Steuerjahr erlassen wird.

Ein fühlbarer Maugel ist es endlich, daß die sämtlichen Steuerbehörden
durch die Veranlagung und ihre Vorbereitung und später durch die Nach¬
prüfung bei den Rechtsmitteln in einer Weise in Anspruch genommen sind,
daß einerseits die Entscheidung auf die von dem Zensiten eingelegte Berufung
in den meisten Fällen erst kurz vor Ablauf des Rechnungsjahres zu erfolgen
pflegt, und andrerseits die Erörterung der Rechtsmittel nicht so gründlich ge¬
schehen und nicht so von der Behörde geleitet und gefördert werden kann,
wie es im allgemeinen erwartet wird: der Deutsche fühlt sich doch der Behörde
gegenüber nicht als Partei, sondern er sieht in der Behörde auch seinen An¬
walt, der bei voller Wahrung der Staats- oder fiskalischen Interessen ohne
Ansehen der Person dem Rechtsuchenden zu dem verhelfen will, was ihm zusteht.
Es liegt aber auch durchaus im Interesse des Staates, die gründlichste Prü¬
fung der Verhältnisse zu ermöglichen; denn wenn erst einmal die Seins- und
Rechtslage genau erörtert und aufgeklärt ist bei einem Steuerpflichtigen, der
zu deklariren hat, der also bei einem Einkommen von mehr als 3000 Mark
in der Regel doch wohl zu den Leuten gehört, die gesundes Urteil und Bildung


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gehen auf die persönlichen Umstände, d. h. Arbeiten vom grünen Tisch aus, zu¬
zutrauen geneigt ist, und zumal da man die Beanstandungen, die in der Regel
von dem Vorsitzenden der Steuerkommission ausgehen, vielfach als überflüssig
ansehen zu können glaubt, wenn nur die Sache zuvor zu eingehender Erwägung
bei der Kommission gebracht werde, deren Mitglieder aus allen Kreisen des
Kommissionsbezirks heraus gewählt sind und mitten im Leben stehen, und von
denen man sich denn doch einer einigermaßen sichern Beurteilung der allge¬
meinen und besondern Erwerbsverhältnisse versehen darf.

Wenn zuweilen Beanstandungen erfolgt sein sollen, nicht weil man von der
Unrichtigkeit der Steuererklärung überzeugt war, sondern nur weil man keine
Gewißheit von der Richtigkeit zu haben glaubte, so mußte das allerdings
verworfen werden; denn im Falle der Beanstandung trägt der Zensit die ganze
Beweislast, die liefe aber in solchen Fällen nicht sowohl darauf hinaus, die
Richtigkeit der Steuererklärung zu beweisen, als vielmehr darauf, die unzutreffende
Annahme des Vorsitzenden der Stenerkommission zu entkräften. Solche Mängel
werden aber sicher mit der Zeit wegfallen, wenn sich die Einrichtung mehr
eingelebt hat.

Befremdlich ist es ferner, wenn die Veranlagung für das folgende Jahr
ebenso hoch genommen wird wie die für das ablaufende Jahr, obgleich der
Zensit alle Rechtsmittel dagegen eingelegt hat, und nur die Entscheidung
der höchsten Instanz noch nicht ergangen ist; noch befremdlicher aber, daß es
nötig ist, gegen die neue Veranlagung schon wieder Berufung einzulegen, und
daß bei Fortdauer der Verhältnisse die Nevisionseutscheidung dann doch nur
für das vorige Jahr gilt, auch wenn sie erst in vorgerückter Zeit im neuen
Steuerjahr erlassen wird.

Ein fühlbarer Maugel ist es endlich, daß die sämtlichen Steuerbehörden
durch die Veranlagung und ihre Vorbereitung und später durch die Nach¬
prüfung bei den Rechtsmitteln in einer Weise in Anspruch genommen sind,
daß einerseits die Entscheidung auf die von dem Zensiten eingelegte Berufung
in den meisten Fällen erst kurz vor Ablauf des Rechnungsjahres zu erfolgen
pflegt, und andrerseits die Erörterung der Rechtsmittel nicht so gründlich ge¬
schehen und nicht so von der Behörde geleitet und gefördert werden kann,
wie es im allgemeinen erwartet wird: der Deutsche fühlt sich doch der Behörde
gegenüber nicht als Partei, sondern er sieht in der Behörde auch seinen An¬
walt, der bei voller Wahrung der Staats- oder fiskalischen Interessen ohne
Ansehen der Person dem Rechtsuchenden zu dem verhelfen will, was ihm zusteht.
Es liegt aber auch durchaus im Interesse des Staates, die gründlichste Prü¬
fung der Verhältnisse zu ermöglichen; denn wenn erst einmal die Seins- und
Rechtslage genau erörtert und aufgeklärt ist bei einem Steuerpflichtigen, der
zu deklariren hat, der also bei einem Einkommen von mehr als 3000 Mark
in der Regel doch wohl zu den Leuten gehört, die gesundes Urteil und Bildung


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[0482] Zur Linkoinmensteuerveranlagung in Preußen gehen auf die persönlichen Umstände, d. h. Arbeiten vom grünen Tisch aus, zu¬ zutrauen geneigt ist, und zumal da man die Beanstandungen, die in der Regel von dem Vorsitzenden der Steuerkommission ausgehen, vielfach als überflüssig ansehen zu können glaubt, wenn nur die Sache zuvor zu eingehender Erwägung bei der Kommission gebracht werde, deren Mitglieder aus allen Kreisen des Kommissionsbezirks heraus gewählt sind und mitten im Leben stehen, und von denen man sich denn doch einer einigermaßen sichern Beurteilung der allge¬ meinen und besondern Erwerbsverhältnisse versehen darf. Wenn zuweilen Beanstandungen erfolgt sein sollen, nicht weil man von der Unrichtigkeit der Steuererklärung überzeugt war, sondern nur weil man keine Gewißheit von der Richtigkeit zu haben glaubte, so mußte das allerdings verworfen werden; denn im Falle der Beanstandung trägt der Zensit die ganze Beweislast, die liefe aber in solchen Fällen nicht sowohl darauf hinaus, die Richtigkeit der Steuererklärung zu beweisen, als vielmehr darauf, die unzutreffende Annahme des Vorsitzenden der Stenerkommission zu entkräften. Solche Mängel werden aber sicher mit der Zeit wegfallen, wenn sich die Einrichtung mehr eingelebt hat. Befremdlich ist es ferner, wenn die Veranlagung für das folgende Jahr ebenso hoch genommen wird wie die für das ablaufende Jahr, obgleich der Zensit alle Rechtsmittel dagegen eingelegt hat, und nur die Entscheidung der höchsten Instanz noch nicht ergangen ist; noch befremdlicher aber, daß es nötig ist, gegen die neue Veranlagung schon wieder Berufung einzulegen, und daß bei Fortdauer der Verhältnisse die Nevisionseutscheidung dann doch nur für das vorige Jahr gilt, auch wenn sie erst in vorgerückter Zeit im neuen Steuerjahr erlassen wird. Ein fühlbarer Maugel ist es endlich, daß die sämtlichen Steuerbehörden durch die Veranlagung und ihre Vorbereitung und später durch die Nach¬ prüfung bei den Rechtsmitteln in einer Weise in Anspruch genommen sind, daß einerseits die Entscheidung auf die von dem Zensiten eingelegte Berufung in den meisten Fällen erst kurz vor Ablauf des Rechnungsjahres zu erfolgen pflegt, und andrerseits die Erörterung der Rechtsmittel nicht so gründlich ge¬ schehen und nicht so von der Behörde geleitet und gefördert werden kann, wie es im allgemeinen erwartet wird: der Deutsche fühlt sich doch der Behörde gegenüber nicht als Partei, sondern er sieht in der Behörde auch seinen An¬ walt, der bei voller Wahrung der Staats- oder fiskalischen Interessen ohne Ansehen der Person dem Rechtsuchenden zu dem verhelfen will, was ihm zusteht. Es liegt aber auch durchaus im Interesse des Staates, die gründlichste Prü¬ fung der Verhältnisse zu ermöglichen; denn wenn erst einmal die Seins- und Rechtslage genau erörtert und aufgeklärt ist bei einem Steuerpflichtigen, der zu deklariren hat, der also bei einem Einkommen von mehr als 3000 Mark in der Regel doch wohl zu den Leuten gehört, die gesundes Urteil und Bildung

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_224245/482>, abgerufen am 27.09.2024.