Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Erstes Vierteljahr.Pan in Dresden und München Hallstrvem, Hnmsun, Ibsen, Björnson und dergleichen, und die letzten drei Da klagt einer in Versen ohne Reim über "seine Tage"; der Anfang Es denkt sich jemand krank in einem traurigen Zimmer, mit abgeschnittnen Pan in Dresden und München Hallstrvem, Hnmsun, Ibsen, Björnson und dergleichen, und die letzten drei Da klagt einer in Versen ohne Reim über „seine Tage"; der Anfang Es denkt sich jemand krank in einem traurigen Zimmer, mit abgeschnittnen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0464" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/224710"/> <fw type="header" place="top"> Pan in Dresden und München</fw><lb/> <p xml:id="ID_1360" prev="#ID_1359"> Hallstrvem, Hnmsun, Ibsen, Björnson und dergleichen, und die letzten drei<lb/> noch obendrein abgebildet als „Kunstbeilagen." Kinder, welche Lnngweilerei!<lb/> Habt ihr denn gar nichts eignes?</p><lb/> <p xml:id="ID_1361"> Da klagt einer in Versen ohne Reim über „seine Tage"; der Anfang<lb/> lautet: „So schleichen sie dahin, wie Schatten," der Schluß: „Am Ende aber<lb/> dämmert einer auf, unsichtbar, unentrinnbar, scheu und schleichend, der letzte<lb/> Tag," und so etwas, meinen die Herren Redakteure des Pan, hätte für einen<lb/> andern Menschen irgend welches Interesse! Dem Darsteller dieses getünchten<lb/> Pessimismus möchten wir zusprechen: Sie haben studirt, Herr Doktor, und<lb/> vermutlich auch etwas dabei gelernt. Wenn Ihnen Ihre Tage so wertlos sind,<lb/> daß Sie sie mit solchen Versen ausfüllen, dann lassen Sie sich doch lieber sür<lb/> eines der großen Wörterbücher als Zettelschreiber anstellen. Das kostet auch<lb/> nicht mehr Gedanken und ist doch nützlich für andre, wenn auch uicht unter¬<lb/> haltender als Ihre Verse! Das ist nur ein Bespiel dieser „Dichtungen,"<lb/> freilich nicht gerade das beste. Aber eines das Bessere kann uns nicht froh<lb/> macheu. Es ist immer die alte Manier, andre mit seinem eignen — ein¬<lb/> gebildeten — Gram unterhalten zu wollen und dazu Nenne zu fuchen, als ob<lb/> Goethe niemals gelebt hätte, der bor diesen Kindereien so nachdrücklich noch<lb/> in seinen alten Tagen gewarnt hat, und andre Habens darauf noch in Versen<lb/> viel gröber gethan als er. Aber es hilft nichts, es geht immer so weiter,<lb/> nennt sich Poesie und gilt dafür, den» sonst würde es eine Redaktion nicht<lb/> unter der Überschrift „Dichtungen" drucken lassen. Aber der Leser hat nichts<lb/> davon, wenn wir ihn weiter damit belästigen wollten/ Das ganze Gebiet ist<lb/> öde und nicht einmal mehr sittengeschichtlich von Interesse. Eher wirft noch<lb/> die Prosa etwas Belehrung ab, wenn auch ihre Verfasser uicht viel besser<lb/> dabei fahren. In der ganzen Masse findet sich eine einzige vernünftige lesbare<lb/> Erzählung: Die Glocken von Krummseifenbach von Potenz. Alles andre ist<lb/> ungesundes, geqnültes, asfektirtes Zwitterwesen, nachgeahmt, erborgt, wir werden<lb/> sehen, woher.</p><lb/> <p xml:id="ID_1362" next="#ID_1363"> Es denkt sich jemand krank in einem traurigen Zimmer, mit abgeschnittnen<lb/> Blumen „von zu Haus" in verschiednen Gläsern, von deren undeutlichen<lb/> Bildern er sich zu einem Träumen anleiten läßt, das ihn in seine Heimat<lb/> führt, wobei er bald alles einzelne wirklich zu erleben glaubt, bis er am Schlüsse<lb/> merkt, daß es nur Phantasie war. Darüber schreibt er zwei Quartseiten und<lb/> nennt es „Glück." Das ist noch harmlos. Krankhafter ist ein ähnlich ge¬<lb/> bautes Prosastück: „Die Nachtwandlerin," ganz in der ersten Person abgefaßt;<lb/> am Schluß erwacht das Ich und „friert" (das einzige begreifliche in diesem<lb/> wunderlichen Monolog). Aber weiter. Jemand schildert sein liebes Ich, wie<lb/> es sich gefühlt hat bei einem Gang ins Freie, und beschreibt die Eindrücke<lb/> Schritt vor Schritt, in besserer Tvuristenstimmung mit etwas Pantheismus<lb/> versetzt, wie er leicht auch dem allerungebildetsten anfliegt. Aber er macht</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0464]
Pan in Dresden und München
Hallstrvem, Hnmsun, Ibsen, Björnson und dergleichen, und die letzten drei
noch obendrein abgebildet als „Kunstbeilagen." Kinder, welche Lnngweilerei!
Habt ihr denn gar nichts eignes?
Da klagt einer in Versen ohne Reim über „seine Tage"; der Anfang
lautet: „So schleichen sie dahin, wie Schatten," der Schluß: „Am Ende aber
dämmert einer auf, unsichtbar, unentrinnbar, scheu und schleichend, der letzte
Tag," und so etwas, meinen die Herren Redakteure des Pan, hätte für einen
andern Menschen irgend welches Interesse! Dem Darsteller dieses getünchten
Pessimismus möchten wir zusprechen: Sie haben studirt, Herr Doktor, und
vermutlich auch etwas dabei gelernt. Wenn Ihnen Ihre Tage so wertlos sind,
daß Sie sie mit solchen Versen ausfüllen, dann lassen Sie sich doch lieber sür
eines der großen Wörterbücher als Zettelschreiber anstellen. Das kostet auch
nicht mehr Gedanken und ist doch nützlich für andre, wenn auch uicht unter¬
haltender als Ihre Verse! Das ist nur ein Bespiel dieser „Dichtungen,"
freilich nicht gerade das beste. Aber eines das Bessere kann uns nicht froh
macheu. Es ist immer die alte Manier, andre mit seinem eignen — ein¬
gebildeten — Gram unterhalten zu wollen und dazu Nenne zu fuchen, als ob
Goethe niemals gelebt hätte, der bor diesen Kindereien so nachdrücklich noch
in seinen alten Tagen gewarnt hat, und andre Habens darauf noch in Versen
viel gröber gethan als er. Aber es hilft nichts, es geht immer so weiter,
nennt sich Poesie und gilt dafür, den» sonst würde es eine Redaktion nicht
unter der Überschrift „Dichtungen" drucken lassen. Aber der Leser hat nichts
davon, wenn wir ihn weiter damit belästigen wollten/ Das ganze Gebiet ist
öde und nicht einmal mehr sittengeschichtlich von Interesse. Eher wirft noch
die Prosa etwas Belehrung ab, wenn auch ihre Verfasser uicht viel besser
dabei fahren. In der ganzen Masse findet sich eine einzige vernünftige lesbare
Erzählung: Die Glocken von Krummseifenbach von Potenz. Alles andre ist
ungesundes, geqnültes, asfektirtes Zwitterwesen, nachgeahmt, erborgt, wir werden
sehen, woher.
Es denkt sich jemand krank in einem traurigen Zimmer, mit abgeschnittnen
Blumen „von zu Haus" in verschiednen Gläsern, von deren undeutlichen
Bildern er sich zu einem Träumen anleiten läßt, das ihn in seine Heimat
führt, wobei er bald alles einzelne wirklich zu erleben glaubt, bis er am Schlüsse
merkt, daß es nur Phantasie war. Darüber schreibt er zwei Quartseiten und
nennt es „Glück." Das ist noch harmlos. Krankhafter ist ein ähnlich ge¬
bautes Prosastück: „Die Nachtwandlerin," ganz in der ersten Person abgefaßt;
am Schluß erwacht das Ich und „friert" (das einzige begreifliche in diesem
wunderlichen Monolog). Aber weiter. Jemand schildert sein liebes Ich, wie
es sich gefühlt hat bei einem Gang ins Freie, und beschreibt die Eindrücke
Schritt vor Schritt, in besserer Tvuristenstimmung mit etwas Pantheismus
versetzt, wie er leicht auch dem allerungebildetsten anfliegt. Aber er macht
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Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
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