Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Erstes Vierteljahr.John Gabriel Vorkman s ist eine herrliche Zeit, in der wir lebe"! Kaum sind fünfund¬ Neben dem Kultus des Franzosentums, der einem großen Teil unsrer Lands¬ John Gabriel Vorkman s ist eine herrliche Zeit, in der wir lebe»! Kaum sind fünfund¬ Neben dem Kultus des Franzosentums, der einem großen Teil unsrer Lands¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0355" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/224601"/> <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341865_224245/figures/grenzboten_341865_224245_224601_000.jpg"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> John Gabriel Vorkman</head><lb/> <p xml:id="ID_1040"> s ist eine herrliche Zeit, in der wir lebe»! Kaum sind fünfund¬<lb/> zwanzig Jahre seit einem beispiellosen Aufschwung des deutschen<lb/> Bolkstums, einer starken Zusammenfassung aller guten Eigen¬<lb/> schaften des deutscheu Volkscharakters verflossen, kaum ist die<lb/> Begeisterung, die die erste Erinnerungsfeier an jene große Zeit<lb/> neu entflammt hatte, der besonnenen Arbeit oder dem weihelvsen Tagewerk<lb/> gewichen, so kracht es schon in allen Fugen des stolzen Baues, so platzen alle<lb/> Nahte des neuen Kleides. Wir haben zwar einen Gott, wenn auch keinen ganz<lb/> unbestrittnen, ein Reich und ein Recht; aber damit sind auch die Sinnbilder<lb/> der Einigkeit erschöpft. Auf allen übrigen Gebieten des geistigen Lebens und<lb/> der gesellschaftlichen Kultur herrscht wieder eine Auslciudssucht, ein Wettkriechen<lb/> vor allem Fremdländischen, daß man sich zweifelnd fragt, ob jemals eine Schlacht<lb/> von sedem geschlagen, ob jemals die „Hauptstadt der Zivilisation" von deutschen<lb/> Kriegern zur Übergabe gezwungen worden sei. Deutsche Gelehrte suchen mit<lb/> Ängstlichkeit, ihren französischen Kollegen die Priorität irgend einer wissenschaft¬<lb/> lichen Entdeckung zu wahren, deutsche Maler sehen das höchste Ziel ihres Ehr¬<lb/> geizes darin, so zu malen, daß ihre Arbeiten mit denen ihrer französischen<lb/> Kunstgenossen verwechselt werden, und deutsche Museumsdirektvren beeilen sich,<lb/> ihre Sammlungen mit Werken französischer Künstler zu füllen- Die Regierung<lb/> der französischen Republik ist ebenso dankbar wie die Napoleons III. Sie<lb/> wirft immer häufiger Kreuze der Ehrenlegion nach Deutschland, und man hat<lb/> noch niemals gehört, daß einer der also Geehrten das Kreuz mit dem roten<lb/> Band abgelehnt habe, während französische Gelehrte viel höhere preußische Orden<lb/> mit sittlichem Pathos zurückgewiesen haben.</p><lb/> <p xml:id="ID_1041" next="#ID_1042"> Neben dem Kultus des Franzosentums, der einem großen Teil unsrer Lands¬<lb/> leute im Blute zu stecken scheint, ist seit etwa fünfzehn Jahren die Vergötterung der<lb/> nordischen, d. h. der norwegischen und dänischen Litteratur üppig ins Kraut<lb/> geschossen. Es giebt sogar schon Wortführer der Kritik und litterarische Cliquen,<lb/> die mit schnöder Verachtung auf die moderne französische Litteratur, nicht bloß<lb/> auf die schon bei Lebzeiten begrabnen Angler, Dumas und Sardon, sondern<lb/> auch eins die frechen Zoten der Herren Guy de Maupassant, Marcel Prevost,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0355]
[Abbildung]
John Gabriel Vorkman
s ist eine herrliche Zeit, in der wir lebe»! Kaum sind fünfund¬
zwanzig Jahre seit einem beispiellosen Aufschwung des deutschen
Bolkstums, einer starken Zusammenfassung aller guten Eigen¬
schaften des deutscheu Volkscharakters verflossen, kaum ist die
Begeisterung, die die erste Erinnerungsfeier an jene große Zeit
neu entflammt hatte, der besonnenen Arbeit oder dem weihelvsen Tagewerk
gewichen, so kracht es schon in allen Fugen des stolzen Baues, so platzen alle
Nahte des neuen Kleides. Wir haben zwar einen Gott, wenn auch keinen ganz
unbestrittnen, ein Reich und ein Recht; aber damit sind auch die Sinnbilder
der Einigkeit erschöpft. Auf allen übrigen Gebieten des geistigen Lebens und
der gesellschaftlichen Kultur herrscht wieder eine Auslciudssucht, ein Wettkriechen
vor allem Fremdländischen, daß man sich zweifelnd fragt, ob jemals eine Schlacht
von sedem geschlagen, ob jemals die „Hauptstadt der Zivilisation" von deutschen
Kriegern zur Übergabe gezwungen worden sei. Deutsche Gelehrte suchen mit
Ängstlichkeit, ihren französischen Kollegen die Priorität irgend einer wissenschaft¬
lichen Entdeckung zu wahren, deutsche Maler sehen das höchste Ziel ihres Ehr¬
geizes darin, so zu malen, daß ihre Arbeiten mit denen ihrer französischen
Kunstgenossen verwechselt werden, und deutsche Museumsdirektvren beeilen sich,
ihre Sammlungen mit Werken französischer Künstler zu füllen- Die Regierung
der französischen Republik ist ebenso dankbar wie die Napoleons III. Sie
wirft immer häufiger Kreuze der Ehrenlegion nach Deutschland, und man hat
noch niemals gehört, daß einer der also Geehrten das Kreuz mit dem roten
Band abgelehnt habe, während französische Gelehrte viel höhere preußische Orden
mit sittlichem Pathos zurückgewiesen haben.
Neben dem Kultus des Franzosentums, der einem großen Teil unsrer Lands¬
leute im Blute zu stecken scheint, ist seit etwa fünfzehn Jahren die Vergötterung der
nordischen, d. h. der norwegischen und dänischen Litteratur üppig ins Kraut
geschossen. Es giebt sogar schon Wortführer der Kritik und litterarische Cliquen,
die mit schnöder Verachtung auf die moderne französische Litteratur, nicht bloß
auf die schon bei Lebzeiten begrabnen Angler, Dumas und Sardon, sondern
auch eins die frechen Zoten der Herren Guy de Maupassant, Marcel Prevost,
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