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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Erstes Vierteljahr.

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Unsre Postdainpferlinien

und den Nationalliberalen für ganz Deutschland das sogenannte Wahlkartell
geschlossen war, so erlangten am 21. Februar die regierungsfreundlichen Parteien
die Neichstagsmehrheit. Die Aussichten für das Zustandekommen des Post¬
dampfergesetzes waren also günstig. Zwar betonte Bamberger bei der Beratung
des Gesetzes im Reichstage auch gegenüber der neuen Vorlage seinen ablehnenden
Standpunkt; er stellte aber gleichzeitig anheim, zu prüfen, ob es nicht zweck¬
mäßiger und wohlfeiler wäre, anstatt der direkten Linie von Hamburg eine
Verbindung von Aden nach Ostafrika als Zweiglinie der asiatischen und austra¬
lischen Dampferlinien einzurichten. Virchow glaubte die Vorlage uicht unbedingt
verwerfen zu dürfen. Eine ähnliche Stellung nahm Windthorst der Sache
gegenüber ein. Völlig ablehnend verhielten sich nur die Sozialdemokraten.
Die Konservativen und Nationalllberalen erklärten sich sür das Gesetz. Der
Vorschlag Bambergers wurde nicht weiter verfolgt, nachdem seine Unzweck-
müßigkeit von dem Staatssekretär des Neichspostamts überzeugend nachgewiesen
worden war. So wurde deun das Gesetz vom Reichstage am 21. Januar 1890
endgiltig angenommen und vom Kaiser am 1. Februar vollzogen.

Der Reichskanzler ersuchte nun eine Anzahl von Reedereien, Angebote aus
die Übernahme der neuen Linie einzureichen. Vou den eingesandten Angeboten
war das einer Anzahl Hamburger Reeber und Handelsfirmen das vorteilhafteste
und wurde angenommen. Darauf gründeten diese zur Einrichtung und zum
Betriebe der neuen Dampferlinie eine Aktiengesellschaft mit der Firma "Deutsche
Ostafrika-Linie." Der mit dieser Gesellschaft am 5. und 9. Mai 1890 abgeschlossene,
vom Reichskanzler von Caprivi und von den Vertretern der Gesellschaft, Bohlen
und Ed. Woermann, unterzeichnete Vertrag bestimmt, daß von der Gesellschaft
eine Hanptlininie von Hamburg nach der Delagoabai und zwei Zweiglinien
an der ostafrikanischen Küste einzurichten seien- Auf der Hauptlinie und der
südlichen Zweiglinie sollen jährlich dreizehn Fahrten in Zeitabständen von je
vier Wochen, auf der nördlichen Zweiglinie jährlich wenigstens sechsundzwanzig
Fahrten in Zeitabständen von je vierzehn Tagen ausgeführt werden. Die der
Unternehmerin zu gewährende Vergütung wurde auf 900000 Mark jährlich
und die bei Kursänderungen vorzunehmende Erhöhung oder Verminderung der
Gesamtvergütung auf 3,80 Mark für die Seemeile der Hauptlinie und auf
1,25 Mark für die Seemeile der Küstenlinien vereinbart. Die Änderung der
Vergütung sollte auch hier nur dann eintreten, wenn die Verlängerung oder
Verkürzung der Kurse mindestens 250 Seemeilen betrüge. Auch im übrigen
stimmte der Vertrag sast wörtlich mit dem überein, der 1885 mit dem Nord¬
deutschen Lloyd abgeschlossen worden war. Als Zeitpunkt des Beginns der
Fahrten war der März 1891 in Aussicht genommen worden. Um aber dem
deutschen Handel und Verkehr die Vorteile einer direkten deutschen Verbindung
mit Ostafrika möglichst früh zu gewähren, wurde mit der Unternehmerin ver¬
abredet, daß auf der Hauptlinie schon vor dem bezeichneten Zeitpunkte drei


Unsre Postdainpferlinien

und den Nationalliberalen für ganz Deutschland das sogenannte Wahlkartell
geschlossen war, so erlangten am 21. Februar die regierungsfreundlichen Parteien
die Neichstagsmehrheit. Die Aussichten für das Zustandekommen des Post¬
dampfergesetzes waren also günstig. Zwar betonte Bamberger bei der Beratung
des Gesetzes im Reichstage auch gegenüber der neuen Vorlage seinen ablehnenden
Standpunkt; er stellte aber gleichzeitig anheim, zu prüfen, ob es nicht zweck¬
mäßiger und wohlfeiler wäre, anstatt der direkten Linie von Hamburg eine
Verbindung von Aden nach Ostafrika als Zweiglinie der asiatischen und austra¬
lischen Dampferlinien einzurichten. Virchow glaubte die Vorlage uicht unbedingt
verwerfen zu dürfen. Eine ähnliche Stellung nahm Windthorst der Sache
gegenüber ein. Völlig ablehnend verhielten sich nur die Sozialdemokraten.
Die Konservativen und Nationalllberalen erklärten sich sür das Gesetz. Der
Vorschlag Bambergers wurde nicht weiter verfolgt, nachdem seine Unzweck-
müßigkeit von dem Staatssekretär des Neichspostamts überzeugend nachgewiesen
worden war. So wurde deun das Gesetz vom Reichstage am 21. Januar 1890
endgiltig angenommen und vom Kaiser am 1. Februar vollzogen.

Der Reichskanzler ersuchte nun eine Anzahl von Reedereien, Angebote aus
die Übernahme der neuen Linie einzureichen. Vou den eingesandten Angeboten
war das einer Anzahl Hamburger Reeber und Handelsfirmen das vorteilhafteste
und wurde angenommen. Darauf gründeten diese zur Einrichtung und zum
Betriebe der neuen Dampferlinie eine Aktiengesellschaft mit der Firma „Deutsche
Ostafrika-Linie." Der mit dieser Gesellschaft am 5. und 9. Mai 1890 abgeschlossene,
vom Reichskanzler von Caprivi und von den Vertretern der Gesellschaft, Bohlen
und Ed. Woermann, unterzeichnete Vertrag bestimmt, daß von der Gesellschaft
eine Hanptlininie von Hamburg nach der Delagoabai und zwei Zweiglinien
an der ostafrikanischen Küste einzurichten seien- Auf der Hauptlinie und der
südlichen Zweiglinie sollen jährlich dreizehn Fahrten in Zeitabständen von je
vier Wochen, auf der nördlichen Zweiglinie jährlich wenigstens sechsundzwanzig
Fahrten in Zeitabständen von je vierzehn Tagen ausgeführt werden. Die der
Unternehmerin zu gewährende Vergütung wurde auf 900000 Mark jährlich
und die bei Kursänderungen vorzunehmende Erhöhung oder Verminderung der
Gesamtvergütung auf 3,80 Mark für die Seemeile der Hauptlinie und auf
1,25 Mark für die Seemeile der Küstenlinien vereinbart. Die Änderung der
Vergütung sollte auch hier nur dann eintreten, wenn die Verlängerung oder
Verkürzung der Kurse mindestens 250 Seemeilen betrüge. Auch im übrigen
stimmte der Vertrag sast wörtlich mit dem überein, der 1885 mit dem Nord¬
deutschen Lloyd abgeschlossen worden war. Als Zeitpunkt des Beginns der
Fahrten war der März 1891 in Aussicht genommen worden. Um aber dem
deutschen Handel und Verkehr die Vorteile einer direkten deutschen Verbindung
mit Ostafrika möglichst früh zu gewähren, wurde mit der Unternehmerin ver¬
abredet, daß auf der Hauptlinie schon vor dem bezeichneten Zeitpunkte drei


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[0123] Unsre Postdainpferlinien und den Nationalliberalen für ganz Deutschland das sogenannte Wahlkartell geschlossen war, so erlangten am 21. Februar die regierungsfreundlichen Parteien die Neichstagsmehrheit. Die Aussichten für das Zustandekommen des Post¬ dampfergesetzes waren also günstig. Zwar betonte Bamberger bei der Beratung des Gesetzes im Reichstage auch gegenüber der neuen Vorlage seinen ablehnenden Standpunkt; er stellte aber gleichzeitig anheim, zu prüfen, ob es nicht zweck¬ mäßiger und wohlfeiler wäre, anstatt der direkten Linie von Hamburg eine Verbindung von Aden nach Ostafrika als Zweiglinie der asiatischen und austra¬ lischen Dampferlinien einzurichten. Virchow glaubte die Vorlage uicht unbedingt verwerfen zu dürfen. Eine ähnliche Stellung nahm Windthorst der Sache gegenüber ein. Völlig ablehnend verhielten sich nur die Sozialdemokraten. Die Konservativen und Nationalllberalen erklärten sich sür das Gesetz. Der Vorschlag Bambergers wurde nicht weiter verfolgt, nachdem seine Unzweck- müßigkeit von dem Staatssekretär des Neichspostamts überzeugend nachgewiesen worden war. So wurde deun das Gesetz vom Reichstage am 21. Januar 1890 endgiltig angenommen und vom Kaiser am 1. Februar vollzogen. Der Reichskanzler ersuchte nun eine Anzahl von Reedereien, Angebote aus die Übernahme der neuen Linie einzureichen. Vou den eingesandten Angeboten war das einer Anzahl Hamburger Reeber und Handelsfirmen das vorteilhafteste und wurde angenommen. Darauf gründeten diese zur Einrichtung und zum Betriebe der neuen Dampferlinie eine Aktiengesellschaft mit der Firma „Deutsche Ostafrika-Linie." Der mit dieser Gesellschaft am 5. und 9. Mai 1890 abgeschlossene, vom Reichskanzler von Caprivi und von den Vertretern der Gesellschaft, Bohlen und Ed. Woermann, unterzeichnete Vertrag bestimmt, daß von der Gesellschaft eine Hanptlininie von Hamburg nach der Delagoabai und zwei Zweiglinien an der ostafrikanischen Küste einzurichten seien- Auf der Hauptlinie und der südlichen Zweiglinie sollen jährlich dreizehn Fahrten in Zeitabständen von je vier Wochen, auf der nördlichen Zweiglinie jährlich wenigstens sechsundzwanzig Fahrten in Zeitabständen von je vierzehn Tagen ausgeführt werden. Die der Unternehmerin zu gewährende Vergütung wurde auf 900000 Mark jährlich und die bei Kursänderungen vorzunehmende Erhöhung oder Verminderung der Gesamtvergütung auf 3,80 Mark für die Seemeile der Hauptlinie und auf 1,25 Mark für die Seemeile der Küstenlinien vereinbart. Die Änderung der Vergütung sollte auch hier nur dann eintreten, wenn die Verlängerung oder Verkürzung der Kurse mindestens 250 Seemeilen betrüge. Auch im übrigen stimmte der Vertrag sast wörtlich mit dem überein, der 1885 mit dem Nord¬ deutschen Lloyd abgeschlossen worden war. Als Zeitpunkt des Beginns der Fahrten war der März 1891 in Aussicht genommen worden. Um aber dem deutschen Handel und Verkehr die Vorteile einer direkten deutschen Verbindung mit Ostafrika möglichst früh zu gewähren, wurde mit der Unternehmerin ver¬ abredet, daß auf der Hauptlinie schon vor dem bezeichneten Zeitpunkte drei

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_224245/123>, abgerufen am 26.06.2024.