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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Erstes Vierteljahr.

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Unsre Postdampferlinien

damit verbundnen Zeitverlust, durch die Frachtverteuerung, die Zollförmlich¬
keiten und sonstige Weiterungen. Auch würden die Güter durch das öftere
Umladen verschlechtert. Es sei auch zu befürchten, daß die Fähigkeit des
deutschen Handels zum Wettbewerb und der Antrieb zur Anknüpfung neuer
Handelsbeziehungen hierdurch geschwächt werden würden. Der unbefriedigende
Zustand der britischen Verbindung mit der Ostküste Afrikas habe die französische
Regierung veranlaßt, seit dem Juli 1888 eine Dampferlinie von Marseille
über Sansibar nach Madagaskar und den Maskarenen zu unterhalten, und
zwar in der offenkundiger Absicht, mit dem englischen und deutschen Handel
in Ostafrika in Wettbewerb zu treten. Von der französischen Linie sei daher
eher eine Beeinträchtigung als eine Förderung des deutschen Handels zu er¬
warten. Wenn sich also Deutschland nicht überflügeln lassen wolle, dürfe es
nicht länger mit der Einrichtung einer eignen Dampferlinie nach den ostafri¬
kanischen Küstenländern säumen. An der Entwicklungsfähigkeit der ausgedehnten
Küstengebiete und ihrer Hinterländer sei nicht zu zweifeln. Die vorhandne,
monatlich einmalige PostVerbindung sei ungenügend; die Vermehrung der Ver¬
bindungen durch Einrichtung einer deutschen Postdampferlinie werde einem
vielfach empfundnen Bedürfnisse entsprechen. Der deutschen Reederei würden
die Mittel zufließen, die der deutsche Handel und Verkehr jetzt zur Unter¬
haltung fremder Dampferlinien beisteuerten. Das Ansehen der deutschen
Schiffahrt und überhaupt das deutsche Ansehen werde durch das Bestehen
einer deutschen Dampferlinie gehoben werden. Der Schutz der deutschen
Handels- und Kolonialunternehmungen in Ostafrika erheische das Vorhanden¬
sein sicherer, von fremden Mächten unabhängiger Postverbindungen und einer
regelmäßigen Zuführungsgelegenheit für militärische Bedarfsgegenstände, Ab¬
lösungen usw. Um das Umladen und Zurückbleiben von Gütern unterwegs
zu verhüten, müsse die Fahrt der Dampfer vom deutschen Ausgangshafen bis
zum ostafrikanischen Endpunkt durchgehen. Als Anfangspunkt der neuen Linie
sei Hamburg, der Hauptsitz der ostafrikanischen Handelsbeziehungen in Deutsch¬
land, als Endpunkt die Delcigoabai einzunehmen; unter Umständen könne die
Fahrt bis Port Natal ausgedehnt werden. Die Zwischenhafen seien vom
Reichskanzler zu bestimmen; es empfehle sich, einen belgischen oder nieder¬
ländischen Hafen, sowie Lissabon anzukaufen. In Port Said werde die euro¬
päische Post zu- und abzugehen haben. Dem Bedürfnis des deutschen Handels
würden vierwöchentliche Fahrten entsprechen. Der in Aussicht genommne
Neichszuschuß von 900000 Mark betrage 4,16 Mark auf die Seemeile.

Der Reichstag, der über die neue Dampfervorlage zu beschließen hatte,
war aus den Wahlen vom 21. Februar 1887 hervorgegangen; diese hatten
unter der Erregung stattgefunden, die durch die Opposition gegen die Kolonial¬
politik und dnrch die Versagung der Mittel zur Verstärkung der deutschen
Wehrkraft hervorgerufen worden war. Da überdies von den Konservativen


Unsre Postdampferlinien

damit verbundnen Zeitverlust, durch die Frachtverteuerung, die Zollförmlich¬
keiten und sonstige Weiterungen. Auch würden die Güter durch das öftere
Umladen verschlechtert. Es sei auch zu befürchten, daß die Fähigkeit des
deutschen Handels zum Wettbewerb und der Antrieb zur Anknüpfung neuer
Handelsbeziehungen hierdurch geschwächt werden würden. Der unbefriedigende
Zustand der britischen Verbindung mit der Ostküste Afrikas habe die französische
Regierung veranlaßt, seit dem Juli 1888 eine Dampferlinie von Marseille
über Sansibar nach Madagaskar und den Maskarenen zu unterhalten, und
zwar in der offenkundiger Absicht, mit dem englischen und deutschen Handel
in Ostafrika in Wettbewerb zu treten. Von der französischen Linie sei daher
eher eine Beeinträchtigung als eine Förderung des deutschen Handels zu er¬
warten. Wenn sich also Deutschland nicht überflügeln lassen wolle, dürfe es
nicht länger mit der Einrichtung einer eignen Dampferlinie nach den ostafri¬
kanischen Küstenländern säumen. An der Entwicklungsfähigkeit der ausgedehnten
Küstengebiete und ihrer Hinterländer sei nicht zu zweifeln. Die vorhandne,
monatlich einmalige PostVerbindung sei ungenügend; die Vermehrung der Ver¬
bindungen durch Einrichtung einer deutschen Postdampferlinie werde einem
vielfach empfundnen Bedürfnisse entsprechen. Der deutschen Reederei würden
die Mittel zufließen, die der deutsche Handel und Verkehr jetzt zur Unter¬
haltung fremder Dampferlinien beisteuerten. Das Ansehen der deutschen
Schiffahrt und überhaupt das deutsche Ansehen werde durch das Bestehen
einer deutschen Dampferlinie gehoben werden. Der Schutz der deutschen
Handels- und Kolonialunternehmungen in Ostafrika erheische das Vorhanden¬
sein sicherer, von fremden Mächten unabhängiger Postverbindungen und einer
regelmäßigen Zuführungsgelegenheit für militärische Bedarfsgegenstände, Ab¬
lösungen usw. Um das Umladen und Zurückbleiben von Gütern unterwegs
zu verhüten, müsse die Fahrt der Dampfer vom deutschen Ausgangshafen bis
zum ostafrikanischen Endpunkt durchgehen. Als Anfangspunkt der neuen Linie
sei Hamburg, der Hauptsitz der ostafrikanischen Handelsbeziehungen in Deutsch¬
land, als Endpunkt die Delcigoabai einzunehmen; unter Umständen könne die
Fahrt bis Port Natal ausgedehnt werden. Die Zwischenhafen seien vom
Reichskanzler zu bestimmen; es empfehle sich, einen belgischen oder nieder¬
ländischen Hafen, sowie Lissabon anzukaufen. In Port Said werde die euro¬
päische Post zu- und abzugehen haben. Dem Bedürfnis des deutschen Handels
würden vierwöchentliche Fahrten entsprechen. Der in Aussicht genommne
Neichszuschuß von 900000 Mark betrage 4,16 Mark auf die Seemeile.

Der Reichstag, der über die neue Dampfervorlage zu beschließen hatte,
war aus den Wahlen vom 21. Februar 1887 hervorgegangen; diese hatten
unter der Erregung stattgefunden, die durch die Opposition gegen die Kolonial¬
politik und dnrch die Versagung der Mittel zur Verstärkung der deutschen
Wehrkraft hervorgerufen worden war. Da überdies von den Konservativen


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[0122] Unsre Postdampferlinien damit verbundnen Zeitverlust, durch die Frachtverteuerung, die Zollförmlich¬ keiten und sonstige Weiterungen. Auch würden die Güter durch das öftere Umladen verschlechtert. Es sei auch zu befürchten, daß die Fähigkeit des deutschen Handels zum Wettbewerb und der Antrieb zur Anknüpfung neuer Handelsbeziehungen hierdurch geschwächt werden würden. Der unbefriedigende Zustand der britischen Verbindung mit der Ostküste Afrikas habe die französische Regierung veranlaßt, seit dem Juli 1888 eine Dampferlinie von Marseille über Sansibar nach Madagaskar und den Maskarenen zu unterhalten, und zwar in der offenkundiger Absicht, mit dem englischen und deutschen Handel in Ostafrika in Wettbewerb zu treten. Von der französischen Linie sei daher eher eine Beeinträchtigung als eine Förderung des deutschen Handels zu er¬ warten. Wenn sich also Deutschland nicht überflügeln lassen wolle, dürfe es nicht länger mit der Einrichtung einer eignen Dampferlinie nach den ostafri¬ kanischen Küstenländern säumen. An der Entwicklungsfähigkeit der ausgedehnten Küstengebiete und ihrer Hinterländer sei nicht zu zweifeln. Die vorhandne, monatlich einmalige PostVerbindung sei ungenügend; die Vermehrung der Ver¬ bindungen durch Einrichtung einer deutschen Postdampferlinie werde einem vielfach empfundnen Bedürfnisse entsprechen. Der deutschen Reederei würden die Mittel zufließen, die der deutsche Handel und Verkehr jetzt zur Unter¬ haltung fremder Dampferlinien beisteuerten. Das Ansehen der deutschen Schiffahrt und überhaupt das deutsche Ansehen werde durch das Bestehen einer deutschen Dampferlinie gehoben werden. Der Schutz der deutschen Handels- und Kolonialunternehmungen in Ostafrika erheische das Vorhanden¬ sein sicherer, von fremden Mächten unabhängiger Postverbindungen und einer regelmäßigen Zuführungsgelegenheit für militärische Bedarfsgegenstände, Ab¬ lösungen usw. Um das Umladen und Zurückbleiben von Gütern unterwegs zu verhüten, müsse die Fahrt der Dampfer vom deutschen Ausgangshafen bis zum ostafrikanischen Endpunkt durchgehen. Als Anfangspunkt der neuen Linie sei Hamburg, der Hauptsitz der ostafrikanischen Handelsbeziehungen in Deutsch¬ land, als Endpunkt die Delcigoabai einzunehmen; unter Umständen könne die Fahrt bis Port Natal ausgedehnt werden. Die Zwischenhafen seien vom Reichskanzler zu bestimmen; es empfehle sich, einen belgischen oder nieder¬ ländischen Hafen, sowie Lissabon anzukaufen. In Port Said werde die euro¬ päische Post zu- und abzugehen haben. Dem Bedürfnis des deutschen Handels würden vierwöchentliche Fahrten entsprechen. Der in Aussicht genommne Neichszuschuß von 900000 Mark betrage 4,16 Mark auf die Seemeile. Der Reichstag, der über die neue Dampfervorlage zu beschließen hatte, war aus den Wahlen vom 21. Februar 1887 hervorgegangen; diese hatten unter der Erregung stattgefunden, die durch die Opposition gegen die Kolonial¬ politik und dnrch die Versagung der Mittel zur Verstärkung der deutschen Wehrkraft hervorgerufen worden war. Da überdies von den Konservativen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_224245/122>, abgerufen am 27.09.2024.