Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Unsre Postdampferlinien

der Quarantänemaßregeln war nicht ausgeschlossen. Ferner hatten sich die an
die Strecke Triest-Brindisi geknüpften Erwartungen nicht erfüllt, weil der
Verkehr auf ihr sehr gering gewesen war. Diese Umstände veranlaßten den
Unternehmer zu der Bitte, ihn von der Verpflichtung zur Ausführung der
Fahrten auf dieser Strecke zu befreien und den Kurs der Dampfer so zu
ändern, daß die der Hauptlinien den Hafen von Genua zu berühren, und daß
die Mittelmeerdampfer dauernd statt nach Alexandrien nach Port Said zu
fahren hätten. Dabei war hervorgehoben, daß Genua infolge der durch die
Gotthardbahn gebotnen bequemen Verbindung zum südlichen Teile Deutsch¬
lands unzweifelhaft günstiger als Triest liege. Da die Regierung diese An¬
träge des Norddeutschen Lloyd als berechtigt anerkannte, legte sie dem Reichs¬
tag im Mai 1887 einen Gesetzentwurf vor, wonach für den Reichskanzler die
Ermächtigung verlangt wurde, den Kurs der Mittelmeerlinie abweichend von
dem Z 2 des Gesetzes vom 6. April 1885 zu ordnen. In der dem Entwürfe
beigegebnen Begründung war bemerkt, daß von einer Kürzung der für die
Mittelmeerlinie bewilligten Beihilfe abzusehen sein möchte, weil sich die Haupt¬
linien durch das Anlaufen Genuas um eine größere Strecke, als die wegfallende
Triest-Brindisi, verlängern würden. Nachdem das Gesetz vom Reichstage
unverändert angenommen und dann vom Kaiser am 27. Juni 1887 vollzogen
worden war, wurde der Kurs der Dampfer den Antrügen des Norddeutschen
Lloyd entsprechend geändert.

Zu Anfang des Jahres 1893 schlug die Reichsregierung den gesetzgebenden
Körperschaften wieder eine Änderung der Postdampfergesetze vom 6. April 1885
und vom 27. Juni 1887 vor, und zwar wurde geplant, die Mittelmeerlinie
Brindisi-Port Said und die dafür ausgesetzte Beihilfe von 400000 Mark
jährlich wegfallen zu lassen und dagegen dem Unternehmer für das Anlaufen
eines südeuropäischen Hafens eine Beihilfe bis zum Betrage von 100000 Mark
jährlich zu bewilligen. Da die Gesetzesvorlage auch die Herstellung einer Post-
dampferverbinduug zwischen Singapore und Neuguinea bezweckte, so müssen
wir kurz die Ereignisse anführen, die zur Unterwerfung Neuguineas und seiner
Nachbarinseln unter die deutsche Herrschaft geführt haben. In einer vom
11. November 1880 datirten Denkschrift hatte der Vorsitzende des Verwaltungs¬
rath der "Deutschen Seehandelsgesellschaft," Hansemann, dem Reichskanzler
mitgeteilt, daß von der Gesellschaft beabsichtigt würde, an der Nordküste von
Neuguinea, und zwar von der Ostspitze bis zum 141. Grad östlicher Länge,
eine Anzahl Handelsniederlassungen einzurichten. Hieran war die Bitte um
Bewilligung einer Reichsuuterstützung zu den Kosten der herzustellenden Dampfer-
linie geknüpft. Fürst Bismarck hatte jedoch Hansemann mündlich dahin be¬
schickn, "daß es nach Ablehnung der Samoavorlage für ihn unthunlich sei,
eine kräftige Initiative in einer Richtung zu nehmen, wie sie die Eingabe be¬
zwecke." Im Jahre 1884 regten aber Hansemann und Bleichröder die Sache


Unsre Postdampferlinien

der Quarantänemaßregeln war nicht ausgeschlossen. Ferner hatten sich die an
die Strecke Triest-Brindisi geknüpften Erwartungen nicht erfüllt, weil der
Verkehr auf ihr sehr gering gewesen war. Diese Umstände veranlaßten den
Unternehmer zu der Bitte, ihn von der Verpflichtung zur Ausführung der
Fahrten auf dieser Strecke zu befreien und den Kurs der Dampfer so zu
ändern, daß die der Hauptlinien den Hafen von Genua zu berühren, und daß
die Mittelmeerdampfer dauernd statt nach Alexandrien nach Port Said zu
fahren hätten. Dabei war hervorgehoben, daß Genua infolge der durch die
Gotthardbahn gebotnen bequemen Verbindung zum südlichen Teile Deutsch¬
lands unzweifelhaft günstiger als Triest liege. Da die Regierung diese An¬
träge des Norddeutschen Lloyd als berechtigt anerkannte, legte sie dem Reichs¬
tag im Mai 1887 einen Gesetzentwurf vor, wonach für den Reichskanzler die
Ermächtigung verlangt wurde, den Kurs der Mittelmeerlinie abweichend von
dem Z 2 des Gesetzes vom 6. April 1885 zu ordnen. In der dem Entwürfe
beigegebnen Begründung war bemerkt, daß von einer Kürzung der für die
Mittelmeerlinie bewilligten Beihilfe abzusehen sein möchte, weil sich die Haupt¬
linien durch das Anlaufen Genuas um eine größere Strecke, als die wegfallende
Triest-Brindisi, verlängern würden. Nachdem das Gesetz vom Reichstage
unverändert angenommen und dann vom Kaiser am 27. Juni 1887 vollzogen
worden war, wurde der Kurs der Dampfer den Antrügen des Norddeutschen
Lloyd entsprechend geändert.

Zu Anfang des Jahres 1893 schlug die Reichsregierung den gesetzgebenden
Körperschaften wieder eine Änderung der Postdampfergesetze vom 6. April 1885
und vom 27. Juni 1887 vor, und zwar wurde geplant, die Mittelmeerlinie
Brindisi-Port Said und die dafür ausgesetzte Beihilfe von 400000 Mark
jährlich wegfallen zu lassen und dagegen dem Unternehmer für das Anlaufen
eines südeuropäischen Hafens eine Beihilfe bis zum Betrage von 100000 Mark
jährlich zu bewilligen. Da die Gesetzesvorlage auch die Herstellung einer Post-
dampferverbinduug zwischen Singapore und Neuguinea bezweckte, so müssen
wir kurz die Ereignisse anführen, die zur Unterwerfung Neuguineas und seiner
Nachbarinseln unter die deutsche Herrschaft geführt haben. In einer vom
11. November 1880 datirten Denkschrift hatte der Vorsitzende des Verwaltungs¬
rath der „Deutschen Seehandelsgesellschaft," Hansemann, dem Reichskanzler
mitgeteilt, daß von der Gesellschaft beabsichtigt würde, an der Nordküste von
Neuguinea, und zwar von der Ostspitze bis zum 141. Grad östlicher Länge,
eine Anzahl Handelsniederlassungen einzurichten. Hieran war die Bitte um
Bewilligung einer Reichsuuterstützung zu den Kosten der herzustellenden Dampfer-
linie geknüpft. Fürst Bismarck hatte jedoch Hansemann mündlich dahin be¬
schickn, „daß es nach Ablehnung der Samoavorlage für ihn unthunlich sei,
eine kräftige Initiative in einer Richtung zu nehmen, wie sie die Eingabe be¬
zwecke." Im Jahre 1884 regten aber Hansemann und Bleichröder die Sache


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0118" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/224364"/>
          <fw type="header" place="top"> Unsre Postdampferlinien</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_331" prev="#ID_330"> der Quarantänemaßregeln war nicht ausgeschlossen. Ferner hatten sich die an<lb/>
die Strecke Triest-Brindisi geknüpften Erwartungen nicht erfüllt, weil der<lb/>
Verkehr auf ihr sehr gering gewesen war. Diese Umstände veranlaßten den<lb/>
Unternehmer zu der Bitte, ihn von der Verpflichtung zur Ausführung der<lb/>
Fahrten auf dieser Strecke zu befreien und den Kurs der Dampfer so zu<lb/>
ändern, daß die der Hauptlinien den Hafen von Genua zu berühren, und daß<lb/>
die Mittelmeerdampfer dauernd statt nach Alexandrien nach Port Said zu<lb/>
fahren hätten. Dabei war hervorgehoben, daß Genua infolge der durch die<lb/>
Gotthardbahn gebotnen bequemen Verbindung zum südlichen Teile Deutsch¬<lb/>
lands unzweifelhaft günstiger als Triest liege. Da die Regierung diese An¬<lb/>
träge des Norddeutschen Lloyd als berechtigt anerkannte, legte sie dem Reichs¬<lb/>
tag im Mai 1887 einen Gesetzentwurf vor, wonach für den Reichskanzler die<lb/>
Ermächtigung verlangt wurde, den Kurs der Mittelmeerlinie abweichend von<lb/>
dem Z 2 des Gesetzes vom 6. April 1885 zu ordnen. In der dem Entwürfe<lb/>
beigegebnen Begründung war bemerkt, daß von einer Kürzung der für die<lb/>
Mittelmeerlinie bewilligten Beihilfe abzusehen sein möchte, weil sich die Haupt¬<lb/>
linien durch das Anlaufen Genuas um eine größere Strecke, als die wegfallende<lb/>
Triest-Brindisi, verlängern würden. Nachdem das Gesetz vom Reichstage<lb/>
unverändert angenommen und dann vom Kaiser am 27. Juni 1887 vollzogen<lb/>
worden war, wurde der Kurs der Dampfer den Antrügen des Norddeutschen<lb/>
Lloyd entsprechend geändert.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_332" next="#ID_333"> Zu Anfang des Jahres 1893 schlug die Reichsregierung den gesetzgebenden<lb/>
Körperschaften wieder eine Änderung der Postdampfergesetze vom 6. April 1885<lb/>
und vom 27. Juni 1887 vor, und zwar wurde geplant, die Mittelmeerlinie<lb/>
Brindisi-Port Said und die dafür ausgesetzte Beihilfe von 400000 Mark<lb/>
jährlich wegfallen zu lassen und dagegen dem Unternehmer für das Anlaufen<lb/>
eines südeuropäischen Hafens eine Beihilfe bis zum Betrage von 100000 Mark<lb/>
jährlich zu bewilligen. Da die Gesetzesvorlage auch die Herstellung einer Post-<lb/>
dampferverbinduug zwischen Singapore und Neuguinea bezweckte, so müssen<lb/>
wir kurz die Ereignisse anführen, die zur Unterwerfung Neuguineas und seiner<lb/>
Nachbarinseln unter die deutsche Herrschaft geführt haben. In einer vom<lb/>
11. November 1880 datirten Denkschrift hatte der Vorsitzende des Verwaltungs¬<lb/>
rath der &#x201E;Deutschen Seehandelsgesellschaft," Hansemann, dem Reichskanzler<lb/>
mitgeteilt, daß von der Gesellschaft beabsichtigt würde, an der Nordküste von<lb/>
Neuguinea, und zwar von der Ostspitze bis zum 141. Grad östlicher Länge,<lb/>
eine Anzahl Handelsniederlassungen einzurichten. Hieran war die Bitte um<lb/>
Bewilligung einer Reichsuuterstützung zu den Kosten der herzustellenden Dampfer-<lb/>
linie geknüpft. Fürst Bismarck hatte jedoch Hansemann mündlich dahin be¬<lb/>
schickn, &#x201E;daß es nach Ablehnung der Samoavorlage für ihn unthunlich sei,<lb/>
eine kräftige Initiative in einer Richtung zu nehmen, wie sie die Eingabe be¬<lb/>
zwecke." Im Jahre 1884 regten aber Hansemann und Bleichröder die Sache</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0118] Unsre Postdampferlinien der Quarantänemaßregeln war nicht ausgeschlossen. Ferner hatten sich die an die Strecke Triest-Brindisi geknüpften Erwartungen nicht erfüllt, weil der Verkehr auf ihr sehr gering gewesen war. Diese Umstände veranlaßten den Unternehmer zu der Bitte, ihn von der Verpflichtung zur Ausführung der Fahrten auf dieser Strecke zu befreien und den Kurs der Dampfer so zu ändern, daß die der Hauptlinien den Hafen von Genua zu berühren, und daß die Mittelmeerdampfer dauernd statt nach Alexandrien nach Port Said zu fahren hätten. Dabei war hervorgehoben, daß Genua infolge der durch die Gotthardbahn gebotnen bequemen Verbindung zum südlichen Teile Deutsch¬ lands unzweifelhaft günstiger als Triest liege. Da die Regierung diese An¬ träge des Norddeutschen Lloyd als berechtigt anerkannte, legte sie dem Reichs¬ tag im Mai 1887 einen Gesetzentwurf vor, wonach für den Reichskanzler die Ermächtigung verlangt wurde, den Kurs der Mittelmeerlinie abweichend von dem Z 2 des Gesetzes vom 6. April 1885 zu ordnen. In der dem Entwürfe beigegebnen Begründung war bemerkt, daß von einer Kürzung der für die Mittelmeerlinie bewilligten Beihilfe abzusehen sein möchte, weil sich die Haupt¬ linien durch das Anlaufen Genuas um eine größere Strecke, als die wegfallende Triest-Brindisi, verlängern würden. Nachdem das Gesetz vom Reichstage unverändert angenommen und dann vom Kaiser am 27. Juni 1887 vollzogen worden war, wurde der Kurs der Dampfer den Antrügen des Norddeutschen Lloyd entsprechend geändert. Zu Anfang des Jahres 1893 schlug die Reichsregierung den gesetzgebenden Körperschaften wieder eine Änderung der Postdampfergesetze vom 6. April 1885 und vom 27. Juni 1887 vor, und zwar wurde geplant, die Mittelmeerlinie Brindisi-Port Said und die dafür ausgesetzte Beihilfe von 400000 Mark jährlich wegfallen zu lassen und dagegen dem Unternehmer für das Anlaufen eines südeuropäischen Hafens eine Beihilfe bis zum Betrage von 100000 Mark jährlich zu bewilligen. Da die Gesetzesvorlage auch die Herstellung einer Post- dampferverbinduug zwischen Singapore und Neuguinea bezweckte, so müssen wir kurz die Ereignisse anführen, die zur Unterwerfung Neuguineas und seiner Nachbarinseln unter die deutsche Herrschaft geführt haben. In einer vom 11. November 1880 datirten Denkschrift hatte der Vorsitzende des Verwaltungs¬ rath der „Deutschen Seehandelsgesellschaft," Hansemann, dem Reichskanzler mitgeteilt, daß von der Gesellschaft beabsichtigt würde, an der Nordküste von Neuguinea, und zwar von der Ostspitze bis zum 141. Grad östlicher Länge, eine Anzahl Handelsniederlassungen einzurichten. Hieran war die Bitte um Bewilligung einer Reichsuuterstützung zu den Kosten der herzustellenden Dampfer- linie geknüpft. Fürst Bismarck hatte jedoch Hansemann mündlich dahin be¬ schickn, „daß es nach Ablehnung der Samoavorlage für ihn unthunlich sei, eine kräftige Initiative in einer Richtung zu nehmen, wie sie die Eingabe be¬ zwecke." Im Jahre 1884 regten aber Hansemann und Bleichröder die Sache

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_224245
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_224245/118
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_224245/118>, abgerufen am 19.10.2024.