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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Erstes Vierteljahr.

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Unsre Postdampferlinien

von neuem an. Da England kurz vorher Miene gemacht hatte, sich Neu¬
guinea, soweit es nicht Holland gehörte, nebst seinen Nachbarinseln anzueignen,
so ließ Fürst Bismarck am 17. Dezember 1834 die deutsche Flagge über dem
ganzen Neubritannia-Archipel und über der Nordostküste Neuguineas bisher.
Durch den der Nenguineagesellschast erteilten kaiserlichen Schutzbrief vom
17. Mai 1885 wurde dann bestimmt, daß der deutsche Teil der Hauptinsel
fortan Kaiser Wilhelmland und die davor liegenden Inseln nebst denen des
Neubritannia-Archipels Bismarck-Archipel heißen sollten. Der erwähnte Gesetz¬
entwurf war nun folgendermaßen begründet: Obwohl die Herstellung der Post-
dampferliuien einen bedeutenden Aufschwung des Gllteraustauschs zwischen
Deutschland einerseits, Ostasien und Australien andrerseits zur Folge gehabt
habe, seien doch die finanziellen Ergebnisse für den Unternehmer hinter den
gehegten Erwartungen zurückgeblieben. Namentlich erfordere die Unterhaltung
der Mittelmcerlinie und der australischen Zweiglinie einen Kostenaufwand, der
zu dem wirtschaftlichen Erfolg nicht in dem richtigen Verhältnis stehe. Nachdem
die Mittelmeerlinie auf die Strecke Brindisi-Port Said beschränkt worden sei,
diene sie fast nur noch zur Beförderung der Post, ihr Fracht- und Reiseverkehr
sei ganz unbedeutend. Ebensowenig aber habe sich die australische Zweiglinie
(Südseelinie) als wirtschaftlich lebensfähig erwiesen; für die Post komme sie
nicht mehr in Betracht, seitdem die Schiffe der Postdampferlinie Sydney-
Auckland-San Francisco, die der Oosanie, LwamZiiix Loirixan^ in San Francisco
und der Union Lrsam Lnix Ooinxan^ ok ^og,1s.na gehören, die Samoa-
inseln anliefen. Bei den unter Berücksichtigung dieser Verhältnisse mit dem
Norddeutschen Lloyd geführten Verhandlungen sei nun folgendes vereinbart
worden: 1. Die Mittelmcerlinie und die dafür gewährte Beihilfe von
400000 Mark jährlich fällt weg; die Dampfer der Hauptlinien laufen in
Zukunft zur Aufnahme und Abgabe der Post außer Genua Neapel an; als
Ersatz für die hierdurch entstehenden Hafenkosten erhält der Unternehmer eine
jährliche Entschädigung von höchstens 100000 Mark. 2. Die Südseelinie
wird aufgehoben und durch eine an die ostasiatische Hauptlinie sich anschließende
Zweiglinie von Singapore nach niederländisch-Ostindien und Neuguinea ersetzt.
Durch diese Linie werde einerseits das deutsche Schutzgebiet auf Neuguinea in
eine regelmäßige und sichere Verbindung mit dem Mutterlande gebracht werden,
andrerseits der ostasiatischen Hauptlinie in verstärktem Maße der Verkehr nach
und von niederländisch-Ostindien zugeführt werden. Für die neue Linie
genüge eine Dampfergeschwindigkcit von weniger als 11^/z Knoten.

Bei der Beratung des Gesetzes im Reichstage hielten die Abgeordneten
Bamberger und Barth den grundsätzlich ablehnenden Standpunkt aufrecht, den
die deutsch-freisinnige Partei gegenüber der Unterstützung der deutschen Post-
dampfer bis dahin eingenommen hatte. Durch einen Antrag Barths wurde
der Reichskanzler aufgefordert, mit dem Norddeutschen Lloyd über Wegfall der


Unsre Postdampferlinien

von neuem an. Da England kurz vorher Miene gemacht hatte, sich Neu¬
guinea, soweit es nicht Holland gehörte, nebst seinen Nachbarinseln anzueignen,
so ließ Fürst Bismarck am 17. Dezember 1834 die deutsche Flagge über dem
ganzen Neubritannia-Archipel und über der Nordostküste Neuguineas bisher.
Durch den der Nenguineagesellschast erteilten kaiserlichen Schutzbrief vom
17. Mai 1885 wurde dann bestimmt, daß der deutsche Teil der Hauptinsel
fortan Kaiser Wilhelmland und die davor liegenden Inseln nebst denen des
Neubritannia-Archipels Bismarck-Archipel heißen sollten. Der erwähnte Gesetz¬
entwurf war nun folgendermaßen begründet: Obwohl die Herstellung der Post-
dampferliuien einen bedeutenden Aufschwung des Gllteraustauschs zwischen
Deutschland einerseits, Ostasien und Australien andrerseits zur Folge gehabt
habe, seien doch die finanziellen Ergebnisse für den Unternehmer hinter den
gehegten Erwartungen zurückgeblieben. Namentlich erfordere die Unterhaltung
der Mittelmcerlinie und der australischen Zweiglinie einen Kostenaufwand, der
zu dem wirtschaftlichen Erfolg nicht in dem richtigen Verhältnis stehe. Nachdem
die Mittelmeerlinie auf die Strecke Brindisi-Port Said beschränkt worden sei,
diene sie fast nur noch zur Beförderung der Post, ihr Fracht- und Reiseverkehr
sei ganz unbedeutend. Ebensowenig aber habe sich die australische Zweiglinie
(Südseelinie) als wirtschaftlich lebensfähig erwiesen; für die Post komme sie
nicht mehr in Betracht, seitdem die Schiffe der Postdampferlinie Sydney-
Auckland-San Francisco, die der Oosanie, LwamZiiix Loirixan^ in San Francisco
und der Union Lrsam Lnix Ooinxan^ ok ^og,1s.na gehören, die Samoa-
inseln anliefen. Bei den unter Berücksichtigung dieser Verhältnisse mit dem
Norddeutschen Lloyd geführten Verhandlungen sei nun folgendes vereinbart
worden: 1. Die Mittelmcerlinie und die dafür gewährte Beihilfe von
400000 Mark jährlich fällt weg; die Dampfer der Hauptlinien laufen in
Zukunft zur Aufnahme und Abgabe der Post außer Genua Neapel an; als
Ersatz für die hierdurch entstehenden Hafenkosten erhält der Unternehmer eine
jährliche Entschädigung von höchstens 100000 Mark. 2. Die Südseelinie
wird aufgehoben und durch eine an die ostasiatische Hauptlinie sich anschließende
Zweiglinie von Singapore nach niederländisch-Ostindien und Neuguinea ersetzt.
Durch diese Linie werde einerseits das deutsche Schutzgebiet auf Neuguinea in
eine regelmäßige und sichere Verbindung mit dem Mutterlande gebracht werden,
andrerseits der ostasiatischen Hauptlinie in verstärktem Maße der Verkehr nach
und von niederländisch-Ostindien zugeführt werden. Für die neue Linie
genüge eine Dampfergeschwindigkcit von weniger als 11^/z Knoten.

Bei der Beratung des Gesetzes im Reichstage hielten die Abgeordneten
Bamberger und Barth den grundsätzlich ablehnenden Standpunkt aufrecht, den
die deutsch-freisinnige Partei gegenüber der Unterstützung der deutschen Post-
dampfer bis dahin eingenommen hatte. Durch einen Antrag Barths wurde
der Reichskanzler aufgefordert, mit dem Norddeutschen Lloyd über Wegfall der


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[0119] Unsre Postdampferlinien von neuem an. Da England kurz vorher Miene gemacht hatte, sich Neu¬ guinea, soweit es nicht Holland gehörte, nebst seinen Nachbarinseln anzueignen, so ließ Fürst Bismarck am 17. Dezember 1834 die deutsche Flagge über dem ganzen Neubritannia-Archipel und über der Nordostküste Neuguineas bisher. Durch den der Nenguineagesellschast erteilten kaiserlichen Schutzbrief vom 17. Mai 1885 wurde dann bestimmt, daß der deutsche Teil der Hauptinsel fortan Kaiser Wilhelmland und die davor liegenden Inseln nebst denen des Neubritannia-Archipels Bismarck-Archipel heißen sollten. Der erwähnte Gesetz¬ entwurf war nun folgendermaßen begründet: Obwohl die Herstellung der Post- dampferliuien einen bedeutenden Aufschwung des Gllteraustauschs zwischen Deutschland einerseits, Ostasien und Australien andrerseits zur Folge gehabt habe, seien doch die finanziellen Ergebnisse für den Unternehmer hinter den gehegten Erwartungen zurückgeblieben. Namentlich erfordere die Unterhaltung der Mittelmcerlinie und der australischen Zweiglinie einen Kostenaufwand, der zu dem wirtschaftlichen Erfolg nicht in dem richtigen Verhältnis stehe. Nachdem die Mittelmeerlinie auf die Strecke Brindisi-Port Said beschränkt worden sei, diene sie fast nur noch zur Beförderung der Post, ihr Fracht- und Reiseverkehr sei ganz unbedeutend. Ebensowenig aber habe sich die australische Zweiglinie (Südseelinie) als wirtschaftlich lebensfähig erwiesen; für die Post komme sie nicht mehr in Betracht, seitdem die Schiffe der Postdampferlinie Sydney- Auckland-San Francisco, die der Oosanie, LwamZiiix Loirixan^ in San Francisco und der Union Lrsam Lnix Ooinxan^ ok ^og,1s.na gehören, die Samoa- inseln anliefen. Bei den unter Berücksichtigung dieser Verhältnisse mit dem Norddeutschen Lloyd geführten Verhandlungen sei nun folgendes vereinbart worden: 1. Die Mittelmcerlinie und die dafür gewährte Beihilfe von 400000 Mark jährlich fällt weg; die Dampfer der Hauptlinien laufen in Zukunft zur Aufnahme und Abgabe der Post außer Genua Neapel an; als Ersatz für die hierdurch entstehenden Hafenkosten erhält der Unternehmer eine jährliche Entschädigung von höchstens 100000 Mark. 2. Die Südseelinie wird aufgehoben und durch eine an die ostasiatische Hauptlinie sich anschließende Zweiglinie von Singapore nach niederländisch-Ostindien und Neuguinea ersetzt. Durch diese Linie werde einerseits das deutsche Schutzgebiet auf Neuguinea in eine regelmäßige und sichere Verbindung mit dem Mutterlande gebracht werden, andrerseits der ostasiatischen Hauptlinie in verstärktem Maße der Verkehr nach und von niederländisch-Ostindien zugeführt werden. Für die neue Linie genüge eine Dampfergeschwindigkcit von weniger als 11^/z Knoten. Bei der Beratung des Gesetzes im Reichstage hielten die Abgeordneten Bamberger und Barth den grundsätzlich ablehnenden Standpunkt aufrecht, den die deutsch-freisinnige Partei gegenüber der Unterstützung der deutschen Post- dampfer bis dahin eingenommen hatte. Durch einen Antrag Barths wurde der Reichskanzler aufgefordert, mit dem Norddeutschen Lloyd über Wegfall der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_224245/119>, abgerufen am 27.09.2024.