Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Viertes Vierteljahr.Englische Zustände andrer Erwerb mis gerade dieser schimpfliche übrig blieb. Der glänzendste Englische Zustände andrer Erwerb mis gerade dieser schimpfliche übrig blieb. Der glänzendste <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0613" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/224197"/> <fw type="header" place="top"> Englische Zustände</fw><lb/> <p xml:id="ID_1815" prev="#ID_1814" next="#ID_1816"> andrer Erwerb mis gerade dieser schimpfliche übrig blieb. Der glänzendste<lb/> Beweis dafür, daß die Iren unter der auf Zerstörung ihres Wirtschaftslebens<lb/> gerichteten Engländerherrschaft nicht einmal ihre wirtschaftlichen Tugenden<lb/> eingebüßt haben, ist ihr gutes Fortkommen im Auslande und die hervor¬<lb/> ragende Rolle, die sie in den Bereinigten Staaten spielen, namentlich aber die<lb/> großartige Unterstützung, die sie ihren daheim gebliebner Brüdern angedeihen<lb/> lassen. Bei Rathgen liest man S. 197: „Es ist hier von den Rimessen der<lb/> irischen Auswandrer die Rede gewesen. Seit die Auswcmdrung aus Irland<lb/> größern Umfang angenommen hat, haben diese Geldsendungen die größte Be¬<lb/> deutung gewonnen. Sie sind die Mittel gewesen, die Kosten der Auswcmd¬<lb/> rung der Zurückgebliebnen zu bezahlen. Ist erst ein Glied der Familie in<lb/> Amerika, so ermöglicht es durch seine Ersparnisse, daß immer mehr An¬<lb/> gehörige nachkommen. Aber die Rimessen haben einen viel größern Umfang<lb/> angenommen, als die Kosten der Answandrung betragen. Sie sind in manchen<lb/> Gegenden das Mittel gewesen, die Bevölkerung überhaupt zu erhalte», sie<lb/> haben es in zahlreichen Füllen ermöglicht, die baren Ausgaben zu bestreiten.<lb/> Und wenn man sich in England darüber beschwert hat, daß die Agitation der<lb/> Nationalpartei von den Ersparnissen armer irischer Arbeiter und Dienstmädchen<lb/> in Amerika lebe, so hat man in Irland mit Bitterkeit darauf hingewiesen, daß<lb/> diese selben Ersparnisse in viel größerm Umfange dazu dienen, abwesenden<lb/> Englischen!j Grundherren den Pacht zu zahlen. Man hat versucht, den Betrag<lb/> der jährlich nach Irland remittirteu Summen mit Hilfe der Banken wenigstens<lb/> annähernd und in Minimalzahlen festzustellen. Für die vierzig Jahre von<lb/> 1848 bis 1887 ist so eine Gesamtsumme von etwas über 34 Millionen Pfund<lb/> Sterling ermittelt worden. Von 1852 bis 1854 und 1880 bis 1887 über¬<lb/> stieg die Summe jährlich eine Million Pfund. 1889 wurden durch die Post<lb/> 1700000 Pfund Sterling aus deu Vereinigten Staaten nach Irland über¬<lb/> wiesen." Gegen 35 Millionen Mark! Und diese Wohlthäter, die doch daneben<lb/> gewiß auch für sich noch etwas zurücklegen, sind bettelarm ausgewandert und<lb/> sind Sprößlinge eines Volks, das vor dreihundert Jahren von den Engländern<lb/> gewaltsam in den Zustand der Verlumpung hinabgestoßen worden und seitdem<lb/> darin festgehalten worden ist! Nein, nicht dnrch ungeborne Unmirtschaftlichkeit<lb/> sind die Iren herunter, und nicht durch ihre wirtschaftlichen Tugenden allein<lb/> sind die Engländer heraufgekommen! Das einzige Unglück der Iren besteht<lb/> darin, daß ihr Land klein ist, und daß sie einen ebenso übermächtigen, als<lb/> gewissenlosen und habgierigen Nachbar haben. Nicht immer ist die Weltgeschichte<lb/> das Weltgericht, aber in diesem Falle könnte sie es wohl werden. Es ist<lb/> Wohl möglich, daß die Iren vollständig von ihrer Insel verdrängt und die<lb/> Engländer Alleinbesitzer werden. Aber diesen wird bei der gegenwärtigen<lb/> Organisation der Arbeit, die die Volksmassen in Industriebezirken und Gro߬<lb/> städten anhäuft, anstatt sie über das Land zu verteilen, der neue Erwerb nichts</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0613]
Englische Zustände
andrer Erwerb mis gerade dieser schimpfliche übrig blieb. Der glänzendste
Beweis dafür, daß die Iren unter der auf Zerstörung ihres Wirtschaftslebens
gerichteten Engländerherrschaft nicht einmal ihre wirtschaftlichen Tugenden
eingebüßt haben, ist ihr gutes Fortkommen im Auslande und die hervor¬
ragende Rolle, die sie in den Bereinigten Staaten spielen, namentlich aber die
großartige Unterstützung, die sie ihren daheim gebliebner Brüdern angedeihen
lassen. Bei Rathgen liest man S. 197: „Es ist hier von den Rimessen der
irischen Auswandrer die Rede gewesen. Seit die Auswcmdrung aus Irland
größern Umfang angenommen hat, haben diese Geldsendungen die größte Be¬
deutung gewonnen. Sie sind die Mittel gewesen, die Kosten der Auswcmd¬
rung der Zurückgebliebnen zu bezahlen. Ist erst ein Glied der Familie in
Amerika, so ermöglicht es durch seine Ersparnisse, daß immer mehr An¬
gehörige nachkommen. Aber die Rimessen haben einen viel größern Umfang
angenommen, als die Kosten der Answandrung betragen. Sie sind in manchen
Gegenden das Mittel gewesen, die Bevölkerung überhaupt zu erhalte», sie
haben es in zahlreichen Füllen ermöglicht, die baren Ausgaben zu bestreiten.
Und wenn man sich in England darüber beschwert hat, daß die Agitation der
Nationalpartei von den Ersparnissen armer irischer Arbeiter und Dienstmädchen
in Amerika lebe, so hat man in Irland mit Bitterkeit darauf hingewiesen, daß
diese selben Ersparnisse in viel größerm Umfange dazu dienen, abwesenden
Englischen!j Grundherren den Pacht zu zahlen. Man hat versucht, den Betrag
der jährlich nach Irland remittirteu Summen mit Hilfe der Banken wenigstens
annähernd und in Minimalzahlen festzustellen. Für die vierzig Jahre von
1848 bis 1887 ist so eine Gesamtsumme von etwas über 34 Millionen Pfund
Sterling ermittelt worden. Von 1852 bis 1854 und 1880 bis 1887 über¬
stieg die Summe jährlich eine Million Pfund. 1889 wurden durch die Post
1700000 Pfund Sterling aus deu Vereinigten Staaten nach Irland über¬
wiesen." Gegen 35 Millionen Mark! Und diese Wohlthäter, die doch daneben
gewiß auch für sich noch etwas zurücklegen, sind bettelarm ausgewandert und
sind Sprößlinge eines Volks, das vor dreihundert Jahren von den Engländern
gewaltsam in den Zustand der Verlumpung hinabgestoßen worden und seitdem
darin festgehalten worden ist! Nein, nicht dnrch ungeborne Unmirtschaftlichkeit
sind die Iren herunter, und nicht durch ihre wirtschaftlichen Tugenden allein
sind die Engländer heraufgekommen! Das einzige Unglück der Iren besteht
darin, daß ihr Land klein ist, und daß sie einen ebenso übermächtigen, als
gewissenlosen und habgierigen Nachbar haben. Nicht immer ist die Weltgeschichte
das Weltgericht, aber in diesem Falle könnte sie es wohl werden. Es ist
Wohl möglich, daß die Iren vollständig von ihrer Insel verdrängt und die
Engländer Alleinbesitzer werden. Aber diesen wird bei der gegenwärtigen
Organisation der Arbeit, die die Volksmassen in Industriebezirken und Gro߬
städten anhäuft, anstatt sie über das Land zu verteilen, der neue Erwerb nichts
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