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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Viertes Vierteljahr.

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Großniederland

Unregelmäßigkeit. So ist Antwerpen im Laufe der Zeiten auf sechsundzwanzig
verschiedne Weisen geschrieben worden, Limburg auf sechzig, Zierikzee auf zwei-
unddreißig.

In Holland hat man einen Sprachfonds gestiftet, mit der Absicht, die
niederländische Sprache in Südafrika zu unterstützen, den Buchhandel dorthin
zu begünstigen und die Auswanderung hinzulenken. Der Fonds besteht schon
aus mehr als 100000 Gulden. Man will auch ein Rundschreiben an alle
vlämischen Lehrer und Lehrerinnen schicken und ihnen anheimgeben, den geo¬
graphischen Unterricht dazu zu benutzen, das jüngere Geschlecht mit den nieder¬
deutschen Kolonien in Südafrika bekannt zu macheu. Man hofft, daß, wenn
die Kinder auf diese Art Liebe zu Laud und Leuten gefaßt haben, sie später
lieber dorthin auswandern werden, als nach Argentinien oder Brasilien. Gewiß
ein richtiges Mittel, das man auch im Reiche anwenden sollte! Die Gelder
des "Allgemeen Nederlandsch Verbond" sollen dazu verwendet werden, junge
Afrikaner an niederländischen Hochschulen studiren zu lassen, Land in Südafrika
anzukaufen und armen Auswaudrern zu übergeben u, a. Der Afrikaner selbst
kommt durch das rücksichtslose Vorgehen der Engländer immer mehr zum
Bewußtein seiner bedrohten Stellung.

Mit ihrem zähen, hartnäckigen, um nicht zu sagen eigensinnigen Charakter
werden die Buren aller Wahrscheinlichkeit nach sämtliche Hindernisse besiegen.
Sie gleichen in dieser Hinsicht den mackcrn Schweizer Bauern. In dem
Parlament der Kapkolonie sprechen dreißig Abgeordnete der Buren ihre
Muttersprache. Ferner haben sich die Buren ausgebreitet in Natal, in den
deutschen Besitzungen der Westküste, in Portugiesisch-Angola, im Vetschuanen-
land usw. Kurz, in ganz Südafrika trifft man niederdeutsche Kolonien, sodasz
man die niederdeutsche Bevölkerung dort auf etwa anderthalb Millionen schützen
kaun. Sie drängen ihre Sprache auch einem großen Teile der schwarzen Be¬
völkerung auf. In der Kapkolonie erscheinen nicht weniger als siebzehn nieder¬
ländische Zeitungen, in Natal eine, in Transval sieben, im Oranje-Freistaat zwei,
im Betschunneulnnd eine. Wenn die Buren zusammenhalten und moralisch wie
materiell unterstützt werden, muß ihnen die Zukunft gehören. Um den Vlä-
mingen die Einwandrung nach Transvaal zu erleichtern, hat der "Nationaal
Blaamsch Verboud" ein Schreiben an den dortigen Volksrat gerichtet mit der
Bitte, die Verfassung zu ändern, die nur den Protestanten die Zulassung zu
öffentlichen Ämtern gestattet. Die Belgier sind bekanntlich katholisch.
'

Dnß es auch in Amerika eine umfängliche niederländische Presse giebt,
dürfte so wenig bekannt sein wie die Thatsache, daß bei der Trennung der
Kolonien von England nur mit geringer Mehrheit die Einführung des Eng¬
lischen als Amtssprache durchgesetzt wurde. Heute erscheinen noch immer
mehr als ein Dutzend holländischer Blätter in den Vereinigten Staaten.
Die Macht der gesamten niederländischen Presse wird man bald sehen können.


Großniederland

Unregelmäßigkeit. So ist Antwerpen im Laufe der Zeiten auf sechsundzwanzig
verschiedne Weisen geschrieben worden, Limburg auf sechzig, Zierikzee auf zwei-
unddreißig.

In Holland hat man einen Sprachfonds gestiftet, mit der Absicht, die
niederländische Sprache in Südafrika zu unterstützen, den Buchhandel dorthin
zu begünstigen und die Auswanderung hinzulenken. Der Fonds besteht schon
aus mehr als 100000 Gulden. Man will auch ein Rundschreiben an alle
vlämischen Lehrer und Lehrerinnen schicken und ihnen anheimgeben, den geo¬
graphischen Unterricht dazu zu benutzen, das jüngere Geschlecht mit den nieder¬
deutschen Kolonien in Südafrika bekannt zu macheu. Man hofft, daß, wenn
die Kinder auf diese Art Liebe zu Laud und Leuten gefaßt haben, sie später
lieber dorthin auswandern werden, als nach Argentinien oder Brasilien. Gewiß
ein richtiges Mittel, das man auch im Reiche anwenden sollte! Die Gelder
des „Allgemeen Nederlandsch Verbond" sollen dazu verwendet werden, junge
Afrikaner an niederländischen Hochschulen studiren zu lassen, Land in Südafrika
anzukaufen und armen Auswaudrern zu übergeben u, a. Der Afrikaner selbst
kommt durch das rücksichtslose Vorgehen der Engländer immer mehr zum
Bewußtein seiner bedrohten Stellung.

Mit ihrem zähen, hartnäckigen, um nicht zu sagen eigensinnigen Charakter
werden die Buren aller Wahrscheinlichkeit nach sämtliche Hindernisse besiegen.
Sie gleichen in dieser Hinsicht den mackcrn Schweizer Bauern. In dem
Parlament der Kapkolonie sprechen dreißig Abgeordnete der Buren ihre
Muttersprache. Ferner haben sich die Buren ausgebreitet in Natal, in den
deutschen Besitzungen der Westküste, in Portugiesisch-Angola, im Vetschuanen-
land usw. Kurz, in ganz Südafrika trifft man niederdeutsche Kolonien, sodasz
man die niederdeutsche Bevölkerung dort auf etwa anderthalb Millionen schützen
kaun. Sie drängen ihre Sprache auch einem großen Teile der schwarzen Be¬
völkerung auf. In der Kapkolonie erscheinen nicht weniger als siebzehn nieder¬
ländische Zeitungen, in Natal eine, in Transval sieben, im Oranje-Freistaat zwei,
im Betschunneulnnd eine. Wenn die Buren zusammenhalten und moralisch wie
materiell unterstützt werden, muß ihnen die Zukunft gehören. Um den Vlä-
mingen die Einwandrung nach Transvaal zu erleichtern, hat der „Nationaal
Blaamsch Verboud" ein Schreiben an den dortigen Volksrat gerichtet mit der
Bitte, die Verfassung zu ändern, die nur den Protestanten die Zulassung zu
öffentlichen Ämtern gestattet. Die Belgier sind bekanntlich katholisch.
'

Dnß es auch in Amerika eine umfängliche niederländische Presse giebt,
dürfte so wenig bekannt sein wie die Thatsache, daß bei der Trennung der
Kolonien von England nur mit geringer Mehrheit die Einführung des Eng¬
lischen als Amtssprache durchgesetzt wurde. Heute erscheinen noch immer
mehr als ein Dutzend holländischer Blätter in den Vereinigten Staaten.
Die Macht der gesamten niederländischen Presse wird man bald sehen können.


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[0605] Großniederland Unregelmäßigkeit. So ist Antwerpen im Laufe der Zeiten auf sechsundzwanzig verschiedne Weisen geschrieben worden, Limburg auf sechzig, Zierikzee auf zwei- unddreißig. In Holland hat man einen Sprachfonds gestiftet, mit der Absicht, die niederländische Sprache in Südafrika zu unterstützen, den Buchhandel dorthin zu begünstigen und die Auswanderung hinzulenken. Der Fonds besteht schon aus mehr als 100000 Gulden. Man will auch ein Rundschreiben an alle vlämischen Lehrer und Lehrerinnen schicken und ihnen anheimgeben, den geo¬ graphischen Unterricht dazu zu benutzen, das jüngere Geschlecht mit den nieder¬ deutschen Kolonien in Südafrika bekannt zu macheu. Man hofft, daß, wenn die Kinder auf diese Art Liebe zu Laud und Leuten gefaßt haben, sie später lieber dorthin auswandern werden, als nach Argentinien oder Brasilien. Gewiß ein richtiges Mittel, das man auch im Reiche anwenden sollte! Die Gelder des „Allgemeen Nederlandsch Verbond" sollen dazu verwendet werden, junge Afrikaner an niederländischen Hochschulen studiren zu lassen, Land in Südafrika anzukaufen und armen Auswaudrern zu übergeben u, a. Der Afrikaner selbst kommt durch das rücksichtslose Vorgehen der Engländer immer mehr zum Bewußtein seiner bedrohten Stellung. Mit ihrem zähen, hartnäckigen, um nicht zu sagen eigensinnigen Charakter werden die Buren aller Wahrscheinlichkeit nach sämtliche Hindernisse besiegen. Sie gleichen in dieser Hinsicht den mackcrn Schweizer Bauern. In dem Parlament der Kapkolonie sprechen dreißig Abgeordnete der Buren ihre Muttersprache. Ferner haben sich die Buren ausgebreitet in Natal, in den deutschen Besitzungen der Westküste, in Portugiesisch-Angola, im Vetschuanen- land usw. Kurz, in ganz Südafrika trifft man niederdeutsche Kolonien, sodasz man die niederdeutsche Bevölkerung dort auf etwa anderthalb Millionen schützen kaun. Sie drängen ihre Sprache auch einem großen Teile der schwarzen Be¬ völkerung auf. In der Kapkolonie erscheinen nicht weniger als siebzehn nieder¬ ländische Zeitungen, in Natal eine, in Transval sieben, im Oranje-Freistaat zwei, im Betschunneulnnd eine. Wenn die Buren zusammenhalten und moralisch wie materiell unterstützt werden, muß ihnen die Zukunft gehören. Um den Vlä- mingen die Einwandrung nach Transvaal zu erleichtern, hat der „Nationaal Blaamsch Verboud" ein Schreiben an den dortigen Volksrat gerichtet mit der Bitte, die Verfassung zu ändern, die nur den Protestanten die Zulassung zu öffentlichen Ämtern gestattet. Die Belgier sind bekanntlich katholisch. ' Dnß es auch in Amerika eine umfängliche niederländische Presse giebt, dürfte so wenig bekannt sein wie die Thatsache, daß bei der Trennung der Kolonien von England nur mit geringer Mehrheit die Einführung des Eng¬ lischen als Amtssprache durchgesetzt wurde. Heute erscheinen noch immer mehr als ein Dutzend holländischer Blätter in den Vereinigten Staaten. Die Macht der gesamten niederländischen Presse wird man bald sehen können.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_223583/605>, abgerufen am 08.01.2025.