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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Viertes Vierteljahr.

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Englische Zustände

der großen Herren wegen nicht gefallen lassen. Für Schottland aber muß
Koenig bei aller Vorliebe für die Landlords eingestehen, daß bitter geklagt
wird, und daß die Klagen begründet sind. Genauern Aufschluß über diesen
Punkt erhält man von Steffen. "Nach den Untersuchungen einer königlichen
Kommission hat Schottland zur Zeit mehr als 800000 Hektar Dsörtorsst,.
Eine ansehnliche Ziffer mit der Bedeutung, daß man, um des Jagdvergnügens
weniger reichen Leute willen, nicht nur eine ganze große Landschaft mit frucht¬
barem Boden außer Kultur gebracht, sondern auch viele der schönsten Partien
der schottischen Berge zum Privateigentum gemacht und verboten hat, sie
zu betreten. In Noßshire z. B. besitzt ein reicher Amerikaner über sechs¬
hundert Quadratkilometer Hirschpark. Hierbei kommt auch in Betracht, daß
eine ganze Bevölkerung ausgerottet wird. Das Hirschparkshstem hat nicht
allein ans das anbauwürdigste Land Beschlag gelegt, sondern die Nachbarschaft
eines gefriedigten Wildgeheges bringt schon an und für sich den magern
Kulturen der Kleinbauern großen Nachteil. Entweder müssen sie zwischen
dem Hirschpark und ihren Ackern eine teure Einzäunung errichten oder Tag
für Tag Wache halten, daß das Rotwild nicht herüberkommt und ihre knappe
Ernte verwüstet. Dazu müssen sie obendrein Menschen auf Wache ausstellen,
denn Hunde zu halten ist ihnen ebenso verboten, wie der Besitz von Schu߬
waffen. Schläft der Wächter des Nachts ein, so kann der Kleinbauer beim
Erwachen seine Saaten aufgezehrt und niedergetreten finden. Erkühnt er sich
nun aus Not und Verzweiflung, einen Hirsch zu töten, der auf sein Feldstück
übergetreten war, so erwarten ihn eine Anklage und exemplarische Bestrafung.
Für diese Hochländer ist es zum Verbrechen geworden, ein wildes Tier auf
dem Felde zu schießen, in dem Strome, der von einer besondern Wasserpolizei
behütet wird, einen Fisch zu fangen und sogar nur in die offen liegende Wild-
Mark hinauszugehen. Er genießt oft nur die "Freiheit," in seiner elenden
Hütte zwischen den Klippen auszuharren und langsam zu verhungern oder mit
den Seinigen ins Armenhaus zu kommen."

Auch von den englischen Landlords ist Steffen nicht so entzückt wie Koenig;
er glaubt, daß sie den Fortschritt der englischen Landwirtschaft zurückhalten.
Daß stellenweise über ungünstige Pachtbedingungen, über Einschränkung der
Pächter in der Bewirtschaftung, über nicht genügende Sicherstellung des Päch¬
ters für seine Ausgaben auf Verbesserung, über das Verhalten der Agenten
und Güterdirektoren geklagt wird, teilt auch Koenig mit; im ganzen aber hält
er die Verhältnisse der englischen Pächter für günstiger, als die der kleinen
Besitzer, und die Bemühungen um Wiederherstellung eines Standes bäuerlicher
Eigentümer nach dem Muster des französischen oder des deutschen für verfehlt.
^>n den Händen eines Landlords, der in schlechten Jahren Pachtnachlässe be¬
willigt, befinde sich der Bauer wohler als in den Klauen des Hypotheken¬
gläubigers, der keine Schonung kenne; auch schon die ans dem Kaufmanns-


Grenzlwtcn IV 1896 70
Englische Zustände

der großen Herren wegen nicht gefallen lassen. Für Schottland aber muß
Koenig bei aller Vorliebe für die Landlords eingestehen, daß bitter geklagt
wird, und daß die Klagen begründet sind. Genauern Aufschluß über diesen
Punkt erhält man von Steffen. „Nach den Untersuchungen einer königlichen
Kommission hat Schottland zur Zeit mehr als 800000 Hektar Dsörtorsst,.
Eine ansehnliche Ziffer mit der Bedeutung, daß man, um des Jagdvergnügens
weniger reichen Leute willen, nicht nur eine ganze große Landschaft mit frucht¬
barem Boden außer Kultur gebracht, sondern auch viele der schönsten Partien
der schottischen Berge zum Privateigentum gemacht und verboten hat, sie
zu betreten. In Noßshire z. B. besitzt ein reicher Amerikaner über sechs¬
hundert Quadratkilometer Hirschpark. Hierbei kommt auch in Betracht, daß
eine ganze Bevölkerung ausgerottet wird. Das Hirschparkshstem hat nicht
allein ans das anbauwürdigste Land Beschlag gelegt, sondern die Nachbarschaft
eines gefriedigten Wildgeheges bringt schon an und für sich den magern
Kulturen der Kleinbauern großen Nachteil. Entweder müssen sie zwischen
dem Hirschpark und ihren Ackern eine teure Einzäunung errichten oder Tag
für Tag Wache halten, daß das Rotwild nicht herüberkommt und ihre knappe
Ernte verwüstet. Dazu müssen sie obendrein Menschen auf Wache ausstellen,
denn Hunde zu halten ist ihnen ebenso verboten, wie der Besitz von Schu߬
waffen. Schläft der Wächter des Nachts ein, so kann der Kleinbauer beim
Erwachen seine Saaten aufgezehrt und niedergetreten finden. Erkühnt er sich
nun aus Not und Verzweiflung, einen Hirsch zu töten, der auf sein Feldstück
übergetreten war, so erwarten ihn eine Anklage und exemplarische Bestrafung.
Für diese Hochländer ist es zum Verbrechen geworden, ein wildes Tier auf
dem Felde zu schießen, in dem Strome, der von einer besondern Wasserpolizei
behütet wird, einen Fisch zu fangen und sogar nur in die offen liegende Wild-
Mark hinauszugehen. Er genießt oft nur die »Freiheit,« in seiner elenden
Hütte zwischen den Klippen auszuharren und langsam zu verhungern oder mit
den Seinigen ins Armenhaus zu kommen."

Auch von den englischen Landlords ist Steffen nicht so entzückt wie Koenig;
er glaubt, daß sie den Fortschritt der englischen Landwirtschaft zurückhalten.
Daß stellenweise über ungünstige Pachtbedingungen, über Einschränkung der
Pächter in der Bewirtschaftung, über nicht genügende Sicherstellung des Päch¬
ters für seine Ausgaben auf Verbesserung, über das Verhalten der Agenten
und Güterdirektoren geklagt wird, teilt auch Koenig mit; im ganzen aber hält
er die Verhältnisse der englischen Pächter für günstiger, als die der kleinen
Besitzer, und die Bemühungen um Wiederherstellung eines Standes bäuerlicher
Eigentümer nach dem Muster des französischen oder des deutschen für verfehlt.
^>n den Händen eines Landlords, der in schlechten Jahren Pachtnachlässe be¬
willigt, befinde sich der Bauer wohler als in den Klauen des Hypotheken¬
gläubigers, der keine Schonung kenne; auch schon die ans dem Kaufmanns-


Grenzlwtcn IV 1896 70
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[0561] Englische Zustände der großen Herren wegen nicht gefallen lassen. Für Schottland aber muß Koenig bei aller Vorliebe für die Landlords eingestehen, daß bitter geklagt wird, und daß die Klagen begründet sind. Genauern Aufschluß über diesen Punkt erhält man von Steffen. „Nach den Untersuchungen einer königlichen Kommission hat Schottland zur Zeit mehr als 800000 Hektar Dsörtorsst,. Eine ansehnliche Ziffer mit der Bedeutung, daß man, um des Jagdvergnügens weniger reichen Leute willen, nicht nur eine ganze große Landschaft mit frucht¬ barem Boden außer Kultur gebracht, sondern auch viele der schönsten Partien der schottischen Berge zum Privateigentum gemacht und verboten hat, sie zu betreten. In Noßshire z. B. besitzt ein reicher Amerikaner über sechs¬ hundert Quadratkilometer Hirschpark. Hierbei kommt auch in Betracht, daß eine ganze Bevölkerung ausgerottet wird. Das Hirschparkshstem hat nicht allein ans das anbauwürdigste Land Beschlag gelegt, sondern die Nachbarschaft eines gefriedigten Wildgeheges bringt schon an und für sich den magern Kulturen der Kleinbauern großen Nachteil. Entweder müssen sie zwischen dem Hirschpark und ihren Ackern eine teure Einzäunung errichten oder Tag für Tag Wache halten, daß das Rotwild nicht herüberkommt und ihre knappe Ernte verwüstet. Dazu müssen sie obendrein Menschen auf Wache ausstellen, denn Hunde zu halten ist ihnen ebenso verboten, wie der Besitz von Schu߬ waffen. Schläft der Wächter des Nachts ein, so kann der Kleinbauer beim Erwachen seine Saaten aufgezehrt und niedergetreten finden. Erkühnt er sich nun aus Not und Verzweiflung, einen Hirsch zu töten, der auf sein Feldstück übergetreten war, so erwarten ihn eine Anklage und exemplarische Bestrafung. Für diese Hochländer ist es zum Verbrechen geworden, ein wildes Tier auf dem Felde zu schießen, in dem Strome, der von einer besondern Wasserpolizei behütet wird, einen Fisch zu fangen und sogar nur in die offen liegende Wild- Mark hinauszugehen. Er genießt oft nur die »Freiheit,« in seiner elenden Hütte zwischen den Klippen auszuharren und langsam zu verhungern oder mit den Seinigen ins Armenhaus zu kommen." Auch von den englischen Landlords ist Steffen nicht so entzückt wie Koenig; er glaubt, daß sie den Fortschritt der englischen Landwirtschaft zurückhalten. Daß stellenweise über ungünstige Pachtbedingungen, über Einschränkung der Pächter in der Bewirtschaftung, über nicht genügende Sicherstellung des Päch¬ ters für seine Ausgaben auf Verbesserung, über das Verhalten der Agenten und Güterdirektoren geklagt wird, teilt auch Koenig mit; im ganzen aber hält er die Verhältnisse der englischen Pächter für günstiger, als die der kleinen Besitzer, und die Bemühungen um Wiederherstellung eines Standes bäuerlicher Eigentümer nach dem Muster des französischen oder des deutschen für verfehlt. ^>n den Händen eines Landlords, der in schlechten Jahren Pachtnachlässe be¬ willigt, befinde sich der Bauer wohler als in den Klauen des Hypotheken¬ gläubigers, der keine Schonung kenne; auch schon die ans dem Kaufmanns- Grenzlwtcn IV 1896 70

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_223583/561>, abgerufen am 08.01.2025.