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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Viertes Vierteljahr.

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der Gegenpartei zugestellt werden konnte. Nachdem dann Schumann wieder
unter dem 13. Februar eine ausführliche Gegenschrift eingereicht hatte, erging
ein Erkenntnis des Oberappellationsgerichts in Dresden, zu dessen Publlkatwn
die Parteien für den 28. März vorgeladen wurden. Es bestätigte aber nur
die Entscheidung des Appellationsgerichts vom 4. Januar, und da Wieck nun¬
mehr dem ihm auferlegten Beweis entsagte, so erging endlich im Juli em
Schlußerkenntnis des Appellationsgerichts zu Leipzig, das den Parteien am
1. August eröffnet wurde. Darin heißt es: "Und ist nunmehr tue erforderliche
Einwilligung des Beklagten zu suppliren. wie Wir deun solche kraft dieses von
obrigkeitlichen Amts wegen suppliren und ergänzen, auch der Mitklägerin, daß
sie die Ehe mit Klägerin (so) nach vorgängigen gewöhnlichen Aufgebote durch
priesterliche Trauung vollziehe, billig gestatten." Die Trauung wurde darauf
am 12. September in der Dorfkirche zu Schöncfeld bei Leipzig durch den
Pfarrer Wildcnhahu, einen Jugendfreund Schumanns, vollzogen.

Leider befindet sich die erste Eingabe Wiecks vom 14. Dezember nicht bei
den Akten; er hatte sie nur in einem Exemplar eingereicht, und das Braut¬
paar erhielt keine Abschrift. Da sich aber seine zweite Eingabe vom 26. Januar
nicht auf den ihm ausgegebnen Punkt beschränkt, sondern die Hauptpunkte der
ersten wiederholt und weiter ausführt, auch die Entscheidungsgründe des Er¬
kenntnisses vom 4. Januar auf die einzelnen Pnnkte eingehen, endlich auch
Schumann sich in seiner Gegenschrift überall auf die erste Eingabe Wiecks mit
bezieht, so gewähren die Akten in die Weigeruugsgründe Wiecks einen voll¬
ständigen Einblick.

Der eine Weigeruugsgrund war. daß Schumann uicht imstande sei. sich
selbst den nötigen Lebensunterhalt zu verschaffen. Er habe zwar einiges
Vermögen, dieses sei aber mit den Jahren sehr verringert worden, die
Zinsen allein reichten zu einem standesgemäßen Unterhalt nicht mehr aus.
und die Erwerbsfähigkeit Schumanns sei zweifelhaft. Seine Zeitschrift könne
leicht ..ihre Abnehmer verlieren." seine weitern Kompositionen "weniger an¬
sprechend" sein. "Die Redaktion einer Zeitschrift, heißt es in der Eingabe
Wiecks vom 26. Januar, zumal wenn sie auf eigne Rechnung des Redakteurs
geführt wird, ist an sich uicht notwendig ein Erwerbstitel, da bekanntlich manches
litterarische Unternehmen dieser Art oft kaum die Kosten trägt, und andrerseits
die etwaigen Revenuen daraus so unsicher sind, daß dieselben bei der Frage, ob
Herr Schumann die zu standesgemäßer Bestreitung eines Haushalts erforder¬
lichen Siibsisteuzmittel zu erwerben geeignet sei, kaum zu erwühueu sein dürften.
Wenn ferner Herr Schumann unterweilen eine Klavierkomposition heraus-
gegeben. so liegt zwischen diesem Umstand und der Annahme eines darauf zu
gründenden regelmäßigen und erheblichen Erwerbes so vieles inne, daß eine
Folgerung von ersterem auf letzteres wohl schwerlich sundirt erscheinen
kaun. . . . Wenn ich nachweise, daß Herr Schumann in der besten Blüte lor-


der Gegenpartei zugestellt werden konnte. Nachdem dann Schumann wieder
unter dem 13. Februar eine ausführliche Gegenschrift eingereicht hatte, erging
ein Erkenntnis des Oberappellationsgerichts in Dresden, zu dessen Publlkatwn
die Parteien für den 28. März vorgeladen wurden. Es bestätigte aber nur
die Entscheidung des Appellationsgerichts vom 4. Januar, und da Wieck nun¬
mehr dem ihm auferlegten Beweis entsagte, so erging endlich im Juli em
Schlußerkenntnis des Appellationsgerichts zu Leipzig, das den Parteien am
1. August eröffnet wurde. Darin heißt es: „Und ist nunmehr tue erforderliche
Einwilligung des Beklagten zu suppliren. wie Wir deun solche kraft dieses von
obrigkeitlichen Amts wegen suppliren und ergänzen, auch der Mitklägerin, daß
sie die Ehe mit Klägerin (so) nach vorgängigen gewöhnlichen Aufgebote durch
priesterliche Trauung vollziehe, billig gestatten." Die Trauung wurde darauf
am 12. September in der Dorfkirche zu Schöncfeld bei Leipzig durch den
Pfarrer Wildcnhahu, einen Jugendfreund Schumanns, vollzogen.

Leider befindet sich die erste Eingabe Wiecks vom 14. Dezember nicht bei
den Akten; er hatte sie nur in einem Exemplar eingereicht, und das Braut¬
paar erhielt keine Abschrift. Da sich aber seine zweite Eingabe vom 26. Januar
nicht auf den ihm ausgegebnen Punkt beschränkt, sondern die Hauptpunkte der
ersten wiederholt und weiter ausführt, auch die Entscheidungsgründe des Er¬
kenntnisses vom 4. Januar auf die einzelnen Pnnkte eingehen, endlich auch
Schumann sich in seiner Gegenschrift überall auf die erste Eingabe Wiecks mit
bezieht, so gewähren die Akten in die Weigeruugsgründe Wiecks einen voll¬
ständigen Einblick.

Der eine Weigeruugsgrund war. daß Schumann uicht imstande sei. sich
selbst den nötigen Lebensunterhalt zu verschaffen. Er habe zwar einiges
Vermögen, dieses sei aber mit den Jahren sehr verringert worden, die
Zinsen allein reichten zu einem standesgemäßen Unterhalt nicht mehr aus.
und die Erwerbsfähigkeit Schumanns sei zweifelhaft. Seine Zeitschrift könne
leicht ..ihre Abnehmer verlieren." seine weitern Kompositionen „weniger an¬
sprechend" sein. „Die Redaktion einer Zeitschrift, heißt es in der Eingabe
Wiecks vom 26. Januar, zumal wenn sie auf eigne Rechnung des Redakteurs
geführt wird, ist an sich uicht notwendig ein Erwerbstitel, da bekanntlich manches
litterarische Unternehmen dieser Art oft kaum die Kosten trägt, und andrerseits
die etwaigen Revenuen daraus so unsicher sind, daß dieselben bei der Frage, ob
Herr Schumann die zu standesgemäßer Bestreitung eines Haushalts erforder¬
lichen Siibsisteuzmittel zu erwerben geeignet sei, kaum zu erwühueu sein dürften.
Wenn ferner Herr Schumann unterweilen eine Klavierkomposition heraus-
gegeben. so liegt zwischen diesem Umstand und der Annahme eines darauf zu
gründenden regelmäßigen und erheblichen Erwerbes so vieles inne, daß eine
Folgerung von ersterem auf letzteres wohl schwerlich sundirt erscheinen
kaun. . . . Wenn ich nachweise, daß Herr Schumann in der besten Blüte lor-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_223583/523>, abgerufen am 08.01.2025.