Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Viertes Vierteljahr.vor. Das Brautpaar erschien -- Wieck blieb aus. Und aus welchem Grunde? Wieck ließ sich nun von seinem Rechtsanwalt eine umfängliche Eingabe Am 18. Dezember fand der zweite Termin statt, und diesmal war Wieck Wieck reichte darauf eine Beschwerde gegen diese Entscheidung ein, worin *) Das eine dieser beiden Zeugnisse hat sich in den Zeugnisbüchern des Leipziger Rats
erhalten; es lautet- Der Nuth der Stadt Leipzig bezeugt hierdurch auf Ansuchen in Gemäßheit glaubhaft ein¬ gezogner Erkundigungen, das; der Redacteur einer musikalischen Zeitschrift Herr Robert Schu¬ mann aus Zwickau, welcher sich seit 8 Jahren hier aufhält, während seines Aufenthalts nllhiev sich stets ruhig und wohl verhalten und den Gesetzen gemäß bezeigt, auch als Redacteur der Theilnahme und des Wohlwollens der hiesigen Kunstfreunde sich zu erfreuen gehabt hat. Nrkundl, usw. Leipzig den >, September !W8, Der Rath der Stadt Leipzig. vor. Das Brautpaar erschien — Wieck blieb aus. Und aus welchem Grunde? Wieck ließ sich nun von seinem Rechtsanwalt eine umfängliche Eingabe Am 18. Dezember fand der zweite Termin statt, und diesmal war Wieck Wieck reichte darauf eine Beschwerde gegen diese Entscheidung ein, worin *) Das eine dieser beiden Zeugnisse hat sich in den Zeugnisbüchern des Leipziger Rats
erhalten; es lautet- Der Nuth der Stadt Leipzig bezeugt hierdurch auf Ansuchen in Gemäßheit glaubhaft ein¬ gezogner Erkundigungen, das; der Redacteur einer musikalischen Zeitschrift Herr Robert Schu¬ mann aus Zwickau, welcher sich seit 8 Jahren hier aufhält, während seines Aufenthalts nllhiev sich stets ruhig und wohl verhalten und den Gesetzen gemäß bezeigt, auch als Redacteur der Theilnahme und des Wohlwollens der hiesigen Kunstfreunde sich zu erfreuen gehabt hat. Nrkundl, usw. Leipzig den >, September !W8, Der Rath der Stadt Leipzig. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0522" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/224106"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_1559" prev="#ID_1558"> vor. Das Brautpaar erschien — Wieck blieb aus. Und aus welchem Grunde?<lb/> Es klingt unglaublich: weil nach dem Gesetz ein Sühneversuch vor dem Geist¬<lb/> lichen vorhergehen und darüber ein Zeugnis beigebracht werden müsse. Er<lb/> stellte sich also jetzt — wohl auf Anraten seines Nechtsanwalts Brandt —<lb/> scheinbar auf den Standpunkt, den das Appellationsgericht aufgegeben hatte,<lb/> und wollte gesetzlicher scheinen als das Gericht. Natürlich verwarf das<lb/> Appellationsgericht seinen Einwand, belehrte ihn, daß „keine Partei verlangen<lb/> könne, daß eine Behörde immer dieselbe Meinung beibehalte," und setzte einen<lb/> zweiten Termin für den 18. Dezember an, worauf Clara wieder nach Berlin<lb/> zurückkehrte.</p><lb/> <p xml:id="ID_1560"> Wieck ließ sich nun von seinem Rechtsanwalt eine umfängliche Eingabe<lb/> an das Appellationsgericht ausarbeiten, worin er seine Weigerungsgründe dar¬<lb/> legte, und die er kurz vor dein zweiten Termin ^ datirt ist sie vom 14. De¬<lb/> zember — einreichte. „Auf die Erklärung des Herrn W. freue ich mich<lb/> wahrhaft — schreibt Schumann am 13. an Eiuert. Was ich darüber gehört,<lb/> ist gar zu lächerlich toll. Ich bitte Sie, lassen wir ihm nichts durch, er ver¬<lb/> dient keine Schonung. Was er zusammenlügt, können Sie daraus ersehen,<lb/> daß er z. B. an seine Bekannten schreibt, Sie selbst thäten alles mögliche,<lb/> um Klara von mir loszumachen. Ist das nicht spaßhaft?"</p><lb/> <p xml:id="ID_1561"> Am 18. Dezember fand der zweite Termin statt, und diesmal war Wieck<lb/> erschienen. Es muß eine höchst peinliche Verhandlung gewesen sein. Wieck<lb/> überhäufte den Bräutigam seiner Tochter mit den beleidigendsten Vorwürfen:<lb/> er focht die Ehrbarkeit seines „Lebenswandels" an, sodaß Schumann sofort<lb/> in den nächsten Tagen dem Gericht die beiden Zeugnisse einsandte, die ihm<lb/> im Jahre zuvor bei seiner Übersiedlung nach Wien der Rat und die Polizei¬<lb/> behörde der Stadt Leipzig ausgestellt hatten.") Am 4. Januar 1840 wurde die<lb/> Entscheidung des Appellationsgerichts publizirt: von allen Einwänden Wiecks<lb/> wurde nur ein einziger als „erheblich" angesehen, und diesen — so wurde ihm<lb/> aufgegeben — solle er beweisen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1562"> Wieck reichte darauf eine Beschwerde gegen diese Entscheidung ein, worin<lb/> er eine weitere, ausführliche Darlegung seiner Beschwerdegründe ankündigte.<lb/> Diese folgte unter dem 26. Januar in zwei Exemplaren, sodaß das eine davon</p><lb/> <note xml:id="FID_59" place="foot"> <p xml:id="ID_1563"> *) Das eine dieser beiden Zeugnisse hat sich in den Zeugnisbüchern des Leipziger Rats<lb/> erhalten; es lautet-</p> <p xml:id="ID_1564"> Der Nuth der Stadt Leipzig bezeugt hierdurch auf Ansuchen in Gemäßheit glaubhaft ein¬<lb/> gezogner Erkundigungen, das; der Redacteur einer musikalischen Zeitschrift Herr Robert Schu¬<lb/> mann aus Zwickau, welcher sich seit 8 Jahren hier aufhält, während seines Aufenthalts nllhiev<lb/> sich stets ruhig und wohl verhalten und den Gesetzen gemäß bezeigt, auch als Redacteur der<lb/> Theilnahme und des Wohlwollens der hiesigen Kunstfreunde sich zu erfreuen gehabt hat.</p> <p xml:id="ID_1565" next="#ID_1566"> Nrkundl, usw.<lb/> Leipzig den >, September !W8,</p> <note type="bibl"> Der Rath der Stadt Leipzig.</note> </note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0522]
vor. Das Brautpaar erschien — Wieck blieb aus. Und aus welchem Grunde?
Es klingt unglaublich: weil nach dem Gesetz ein Sühneversuch vor dem Geist¬
lichen vorhergehen und darüber ein Zeugnis beigebracht werden müsse. Er
stellte sich also jetzt — wohl auf Anraten seines Nechtsanwalts Brandt —
scheinbar auf den Standpunkt, den das Appellationsgericht aufgegeben hatte,
und wollte gesetzlicher scheinen als das Gericht. Natürlich verwarf das
Appellationsgericht seinen Einwand, belehrte ihn, daß „keine Partei verlangen
könne, daß eine Behörde immer dieselbe Meinung beibehalte," und setzte einen
zweiten Termin für den 18. Dezember an, worauf Clara wieder nach Berlin
zurückkehrte.
Wieck ließ sich nun von seinem Rechtsanwalt eine umfängliche Eingabe
an das Appellationsgericht ausarbeiten, worin er seine Weigerungsgründe dar¬
legte, und die er kurz vor dein zweiten Termin ^ datirt ist sie vom 14. De¬
zember — einreichte. „Auf die Erklärung des Herrn W. freue ich mich
wahrhaft — schreibt Schumann am 13. an Eiuert. Was ich darüber gehört,
ist gar zu lächerlich toll. Ich bitte Sie, lassen wir ihm nichts durch, er ver¬
dient keine Schonung. Was er zusammenlügt, können Sie daraus ersehen,
daß er z. B. an seine Bekannten schreibt, Sie selbst thäten alles mögliche,
um Klara von mir loszumachen. Ist das nicht spaßhaft?"
Am 18. Dezember fand der zweite Termin statt, und diesmal war Wieck
erschienen. Es muß eine höchst peinliche Verhandlung gewesen sein. Wieck
überhäufte den Bräutigam seiner Tochter mit den beleidigendsten Vorwürfen:
er focht die Ehrbarkeit seines „Lebenswandels" an, sodaß Schumann sofort
in den nächsten Tagen dem Gericht die beiden Zeugnisse einsandte, die ihm
im Jahre zuvor bei seiner Übersiedlung nach Wien der Rat und die Polizei¬
behörde der Stadt Leipzig ausgestellt hatten.") Am 4. Januar 1840 wurde die
Entscheidung des Appellationsgerichts publizirt: von allen Einwänden Wiecks
wurde nur ein einziger als „erheblich" angesehen, und diesen — so wurde ihm
aufgegeben — solle er beweisen.
Wieck reichte darauf eine Beschwerde gegen diese Entscheidung ein, worin
er eine weitere, ausführliche Darlegung seiner Beschwerdegründe ankündigte.
Diese folgte unter dem 26. Januar in zwei Exemplaren, sodaß das eine davon
*) Das eine dieser beiden Zeugnisse hat sich in den Zeugnisbüchern des Leipziger Rats
erhalten; es lautet-
Der Nuth der Stadt Leipzig bezeugt hierdurch auf Ansuchen in Gemäßheit glaubhaft ein¬
gezogner Erkundigungen, das; der Redacteur einer musikalischen Zeitschrift Herr Robert Schu¬
mann aus Zwickau, welcher sich seit 8 Jahren hier aufhält, während seines Aufenthalts nllhiev
sich stets ruhig und wohl verhalten und den Gesetzen gemäß bezeigt, auch als Redacteur der
Theilnahme und des Wohlwollens der hiesigen Kunstfreunde sich zu erfreuen gehabt hat.
Nrkundl, usw.
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