Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Viertes Vierteljahr.Die Ernennung der Mitglieder des Reichsgerichts der drei Staaten, der in die Lage kam, einen Vorschlag zu machen, traf mit In einem Großstaat wie Preußen wird es nicht leicht an Kräften ersten Außerdem machen sich gerade im Großstaat leicht auch andre Rücksichten Vor einiger Zeit rief es eine gewisse Entrüstung hervor, als es hieß, Was hat man aber gesagt, als man erfuhr, daß zum Neichsgerichtsrat Die Ernennung der Mitglieder des Reichsgerichts der drei Staaten, der in die Lage kam, einen Vorschlag zu machen, traf mit In einem Großstaat wie Preußen wird es nicht leicht an Kräften ersten Außerdem machen sich gerade im Großstaat leicht auch andre Rücksichten Vor einiger Zeit rief es eine gewisse Entrüstung hervor, als es hieß, Was hat man aber gesagt, als man erfuhr, daß zum Neichsgerichtsrat <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0500" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/224084"/> <fw type="header" place="top"> Die Ernennung der Mitglieder des Reichsgerichts</fw><lb/> <p xml:id="ID_1480" prev="#ID_1479"> der drei Staaten, der in die Lage kam, einen Vorschlag zu machen, traf mit<lb/> einem Nachbarstaate eine Vereinbarung, wodurch er das Vorschlagsrecht für<lb/> diesmal diesem übertrug. Dadurch wurde die Gefahr, eine ungeeignete Person<lb/> in das Reichsgericht zu bringen, befriedigend abgewandt. Weniger günstig war<lb/> der Ausgang, als auch die beiden andern Staaten an die Reihe kamen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1481"> In einem Großstaat wie Preußen wird es nicht leicht an Kräften ersten<lb/> Ranges fehlen, aber hier hat das leidige, leicht zu breit angelegte Anciennitäts-<lb/> prinzip zur Folge, daß besonders hervorragende Kräfte dem Reichsgerichte,<lb/> wenn sie ihnen nicht inzwischen durch anderweitige Beförderung ganz entgehen,<lb/> erst zugeführt werden, nachdem die Jahre ihrer besten Kraft vorüber sind.</p><lb/> <p xml:id="ID_1482"> Außerdem machen sich gerade im Großstaat leicht auch andre Rücksichten<lb/> geltend, sei es daß ein Justizbeamter zu einer Stellung befördert worden ist,<lb/> für die er sich als wenig geeignet zeigt, oder aus der er selbst zu scheiden ge¬<lb/> neigt ist, und daß es deshalb wünschenswert erscheint, ihm im Reichsgericht<lb/> ein Amt anbieten zu können, sei es daß Sonderinteresfen andrer Art in Frage<lb/> kommen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1483"> Vor einiger Zeit rief es eine gewisse Entrüstung hervor, als es hieß,<lb/> daß ein Landgerichtsrat von einem kleinern Staate zum Reichsgerichtsrat vor¬<lb/> geschlagen worden sei. Und doch ist es keineswegs ausgeschlossen, daß sich ein<lb/> Landrichter als besonders geeignet bewährt hat und nur deshalb nicht schon<lb/> längst zum Oberlandgerichtsrat befördert worden ist, weil es dafür in diesem<lb/> Staate, der nur ein Oberlandgericht hat, an Gelegenheit dazu gefehlt, sodaß<lb/> also jenes so scharf betonte Bedenken leicht dahin führen kann, daß das<lb/> Reichsgericht für eine in Aussicht genommene tüchtige Kraft eine weniger<lb/> tüchtige erhält.</p><lb/> <p xml:id="ID_1484" next="#ID_1485"> Was hat man aber gesagt, als man erfuhr, daß zum Neichsgerichtsrat<lb/> ein preußischer Verwaltungsbeamter ernannt worden sei, der nur reichlich vier<lb/> Jahre als Amtsrichter in der Justiz angestellt gewesen war, als er am<lb/> 1. September 1883 zur Verwaltung überging, wo er dann neun bis zehn<lb/> Jahre in Landeskultursachen Verwendung fand, zuletzt im Oberlandeskultur¬<lb/> gericht, dem er seit dem 1. Januar 1892 als Rat angehörte, bis er am<lb/> 29. Juli 1893 zum Oberverwaltungsgerichtsrat ernannt wurde? Ich habe<lb/> bald nachher Gelegenheit gehabt, bei einem hervorragenden Mitgliede des Reichs¬<lb/> gerichts, der sich für dessen Emporsteigen ebenso lebhaft interessirte, wie ich<lb/> selbst, eine tiefgehende Verstimmung wahrzunehmen. In der That macht es<lb/> doch auch einen peinlichen Eindruck, sich gewissermaßen vor die Frage gestellt<lb/> zu sehen: will Preußen, das durch ein Landesgesetz die Urteile seines Ober¬<lb/> landeskulturgerichts der Revision des Reichsgerichts mit sehr beschränkter<lb/> Kompetenz unterstellt hat, für diese nur in verschwindend kleiner Zahl im<lb/> Reichsgericht zur Verhandlung kommenden Sachen, deren Entscheidung für die<lb/> Revisionsinstanz, wie ich aus Erfahrung weiß, keine nennenswerte Schwierigkeit</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0500]
Die Ernennung der Mitglieder des Reichsgerichts
der drei Staaten, der in die Lage kam, einen Vorschlag zu machen, traf mit
einem Nachbarstaate eine Vereinbarung, wodurch er das Vorschlagsrecht für
diesmal diesem übertrug. Dadurch wurde die Gefahr, eine ungeeignete Person
in das Reichsgericht zu bringen, befriedigend abgewandt. Weniger günstig war
der Ausgang, als auch die beiden andern Staaten an die Reihe kamen.
In einem Großstaat wie Preußen wird es nicht leicht an Kräften ersten
Ranges fehlen, aber hier hat das leidige, leicht zu breit angelegte Anciennitäts-
prinzip zur Folge, daß besonders hervorragende Kräfte dem Reichsgerichte,
wenn sie ihnen nicht inzwischen durch anderweitige Beförderung ganz entgehen,
erst zugeführt werden, nachdem die Jahre ihrer besten Kraft vorüber sind.
Außerdem machen sich gerade im Großstaat leicht auch andre Rücksichten
geltend, sei es daß ein Justizbeamter zu einer Stellung befördert worden ist,
für die er sich als wenig geeignet zeigt, oder aus der er selbst zu scheiden ge¬
neigt ist, und daß es deshalb wünschenswert erscheint, ihm im Reichsgericht
ein Amt anbieten zu können, sei es daß Sonderinteresfen andrer Art in Frage
kommen.
Vor einiger Zeit rief es eine gewisse Entrüstung hervor, als es hieß,
daß ein Landgerichtsrat von einem kleinern Staate zum Reichsgerichtsrat vor¬
geschlagen worden sei. Und doch ist es keineswegs ausgeschlossen, daß sich ein
Landrichter als besonders geeignet bewährt hat und nur deshalb nicht schon
längst zum Oberlandgerichtsrat befördert worden ist, weil es dafür in diesem
Staate, der nur ein Oberlandgericht hat, an Gelegenheit dazu gefehlt, sodaß
also jenes so scharf betonte Bedenken leicht dahin führen kann, daß das
Reichsgericht für eine in Aussicht genommene tüchtige Kraft eine weniger
tüchtige erhält.
Was hat man aber gesagt, als man erfuhr, daß zum Neichsgerichtsrat
ein preußischer Verwaltungsbeamter ernannt worden sei, der nur reichlich vier
Jahre als Amtsrichter in der Justiz angestellt gewesen war, als er am
1. September 1883 zur Verwaltung überging, wo er dann neun bis zehn
Jahre in Landeskultursachen Verwendung fand, zuletzt im Oberlandeskultur¬
gericht, dem er seit dem 1. Januar 1892 als Rat angehörte, bis er am
29. Juli 1893 zum Oberverwaltungsgerichtsrat ernannt wurde? Ich habe
bald nachher Gelegenheit gehabt, bei einem hervorragenden Mitgliede des Reichs¬
gerichts, der sich für dessen Emporsteigen ebenso lebhaft interessirte, wie ich
selbst, eine tiefgehende Verstimmung wahrzunehmen. In der That macht es
doch auch einen peinlichen Eindruck, sich gewissermaßen vor die Frage gestellt
zu sehen: will Preußen, das durch ein Landesgesetz die Urteile seines Ober¬
landeskulturgerichts der Revision des Reichsgerichts mit sehr beschränkter
Kompetenz unterstellt hat, für diese nur in verschwindend kleiner Zahl im
Reichsgericht zur Verhandlung kommenden Sachen, deren Entscheidung für die
Revisionsinstanz, wie ich aus Erfahrung weiß, keine nennenswerte Schwierigkeit
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |