Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Viertes Vierteljahr.Die MißstLnde in der Kleider- und WLscheindustrie des Vorsitzenden des Gewerbegerichts in Dortmund, Gerichtsassessor Gerstein, Nicht immer werden die Lohnsätze selbst in die Arbeitsordnungen aufzu¬ Die MißstLnde in der Kleider- und WLscheindustrie des Vorsitzenden des Gewerbegerichts in Dortmund, Gerichtsassessor Gerstein, Nicht immer werden die Lohnsätze selbst in die Arbeitsordnungen aufzu¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0461" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/224045"/> <fw type="header" place="top"> Die MißstLnde in der Kleider- und WLscheindustrie</fw><lb/> <p xml:id="ID_1383" prev="#ID_1382"> des Vorsitzenden des Gewerbegerichts in Dortmund, Gerichtsassessor Gerstein,<lb/> „Festsetzung des Arbeitvertrags durch Arbeitsordnung" im dritten Heft 1895<lb/> der Zeitschrift „Der Arbeiterfreund" zu verweisen. Aber die Werkstatt- und<lb/> Fabrikarbeiter — auch die letztern sind bisher nur zum Teil des Segens der<lb/> Arbeitsordnungen teilhaftig — sind bei der dringend notwendigen Reform des<lb/> Vertragsschlusses in der Konfektion viel weniger beteiligt als die Außenarbeiter,<lb/> die Heimarbeiter im Werkvertragsverhältnisse. Wie kann man diesen durch<lb/> Arbeitsordnungen helfen, die für die Werkstatt erlassen und angeschlagen<lb/> werden? Gerade die Verhältnisse in der Konfektion zeigen das handgreiflich,<lb/> sodaß man den Zwang, eine Arbeitsordnung zu erlassen und aufzuhängen nur<lb/> dringend für jeden Betrieb, jedes Geschäft empfehlen kann, wo Arbeit an<lb/> Hausgewerbetreibende ausgegeben wird. Vorzuschreibeu als Inhalt der Arbeits¬<lb/> ordnungen wäre für diese Betriebe namentlich Zeit und Form der Ausgabe<lb/> und Abnahme der Arbeit, damit die geradezu unerhörte „Bummelei" und Rück¬<lb/> sichtslosigkeit aufhört, daß die Außenarbeiter fast allgemein gezwungen werden,<lb/> beim Empfangen und Abliefern der Arbeit stundenlang auf die Abfertigung zu<lb/> warten. Ferner würden Angaben aufzunehmen sein über das. was der Arbeiter<lb/> an Zuthaten auf seine Kosten zu beschaffen hat, woher er die Zuthaten, das<lb/> Garn usw. zu beziehen hat, wie und wann abgerechnet und bezahlt wird. Auch<lb/> darüber kann in den Arbeitsordnungen sehr wohl eine Bestimmung, wenigstens<lb/> bei Stapelartikeln, getroffen werden, wie viel Arbeit dem Arbeiter für den Tag.<lb/> die Woche höchstens zugemutet werden darf, und dergleichen mehr. Es liegt<lb/> auch nicht der geringste Grund vor, weshalb sich solche Arbeitsordnungen für<lb/> die Betriebe mit Außenarbeit nicht ebenso segensreich sollten gestalten können,<lb/> wie sie es für Fabrikbetriebe mit Akkordarbeit geworden sind. Natürlich<lb/> Müssen die Bestimmungen des Z 134V entsprechend ergänzt werden. Man<lb/> Mache sich die Sache nur ja nicht durch theoretische Bedenken unnötig schwer;<lb/> die Konfektionäre werden dieser Aufgabe, wenn sie einmal dazu gezwungen sind,<lb/> "wstergiltig zu entsprechen wissen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1384" next="#ID_1385"> Nicht immer werden die Lohnsätze selbst in die Arbeitsordnungen aufzu¬<lb/> nehmen sein. Wenigstens zur Zeit scheinen solche Tarife nicht einmal für eine<lb/> "Saison," geschweige denn für länger praktische Bedeutung gewinnen zu können.<lb/> In den meisten Zweigen der Konfektion sind die Muster („Fayons") zahllos und<lb/> wechseln fortwährend, sodaß in jedem Falle eine neue Berechnung der Lohn¬<lb/> satze unvermeidlich wird. Auch das Verlangen, daß der sogenannte Zwischen-<lb/> weister immer einen bestimmten Prozentsatz von dem Stücklohn oder Preise,<lb/> den er vom Konfektionär erhält, dem Heimarbeiter abgeben soll, ist sehr schwer<lb/> durchführbar. Schon wie viel dieser oder jener Meister an diesem oder jenem<lb/> Stück selbst leistet oder doch neben der Leistung des Heimarbeiters auf seine<lb/> besondern Kosten ausführen läßt, ist so verschieden, daß eine einheitliche Ver¬<lb/> teilung nicht einmal in demselben Betriebe einzuhalten sein würde. Aber auch</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0461]
Die MißstLnde in der Kleider- und WLscheindustrie
des Vorsitzenden des Gewerbegerichts in Dortmund, Gerichtsassessor Gerstein,
„Festsetzung des Arbeitvertrags durch Arbeitsordnung" im dritten Heft 1895
der Zeitschrift „Der Arbeiterfreund" zu verweisen. Aber die Werkstatt- und
Fabrikarbeiter — auch die letztern sind bisher nur zum Teil des Segens der
Arbeitsordnungen teilhaftig — sind bei der dringend notwendigen Reform des
Vertragsschlusses in der Konfektion viel weniger beteiligt als die Außenarbeiter,
die Heimarbeiter im Werkvertragsverhältnisse. Wie kann man diesen durch
Arbeitsordnungen helfen, die für die Werkstatt erlassen und angeschlagen
werden? Gerade die Verhältnisse in der Konfektion zeigen das handgreiflich,
sodaß man den Zwang, eine Arbeitsordnung zu erlassen und aufzuhängen nur
dringend für jeden Betrieb, jedes Geschäft empfehlen kann, wo Arbeit an
Hausgewerbetreibende ausgegeben wird. Vorzuschreibeu als Inhalt der Arbeits¬
ordnungen wäre für diese Betriebe namentlich Zeit und Form der Ausgabe
und Abnahme der Arbeit, damit die geradezu unerhörte „Bummelei" und Rück¬
sichtslosigkeit aufhört, daß die Außenarbeiter fast allgemein gezwungen werden,
beim Empfangen und Abliefern der Arbeit stundenlang auf die Abfertigung zu
warten. Ferner würden Angaben aufzunehmen sein über das. was der Arbeiter
an Zuthaten auf seine Kosten zu beschaffen hat, woher er die Zuthaten, das
Garn usw. zu beziehen hat, wie und wann abgerechnet und bezahlt wird. Auch
darüber kann in den Arbeitsordnungen sehr wohl eine Bestimmung, wenigstens
bei Stapelartikeln, getroffen werden, wie viel Arbeit dem Arbeiter für den Tag.
die Woche höchstens zugemutet werden darf, und dergleichen mehr. Es liegt
auch nicht der geringste Grund vor, weshalb sich solche Arbeitsordnungen für
die Betriebe mit Außenarbeit nicht ebenso segensreich sollten gestalten können,
wie sie es für Fabrikbetriebe mit Akkordarbeit geworden sind. Natürlich
Müssen die Bestimmungen des Z 134V entsprechend ergänzt werden. Man
Mache sich die Sache nur ja nicht durch theoretische Bedenken unnötig schwer;
die Konfektionäre werden dieser Aufgabe, wenn sie einmal dazu gezwungen sind,
"wstergiltig zu entsprechen wissen.
Nicht immer werden die Lohnsätze selbst in die Arbeitsordnungen aufzu¬
nehmen sein. Wenigstens zur Zeit scheinen solche Tarife nicht einmal für eine
"Saison," geschweige denn für länger praktische Bedeutung gewinnen zu können.
In den meisten Zweigen der Konfektion sind die Muster („Fayons") zahllos und
wechseln fortwährend, sodaß in jedem Falle eine neue Berechnung der Lohn¬
satze unvermeidlich wird. Auch das Verlangen, daß der sogenannte Zwischen-
weister immer einen bestimmten Prozentsatz von dem Stücklohn oder Preise,
den er vom Konfektionär erhält, dem Heimarbeiter abgeben soll, ist sehr schwer
durchführbar. Schon wie viel dieser oder jener Meister an diesem oder jenem
Stück selbst leistet oder doch neben der Leistung des Heimarbeiters auf seine
besondern Kosten ausführen läßt, ist so verschieden, daß eine einheitliche Ver¬
teilung nicht einmal in demselben Betriebe einzuhalten sein würde. Aber auch
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