Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Viertes Vierteljahr.Der heutige Gffizierersatz mit Recht als eine Härte empfunden, daß der junge Mann, der die Maturitäts¬ Die dritte und leider nicht weniger zahlreiche Klasse von Offizieraspirauten Dies Ziel kann aber nur dann erreicht werden, wenn die Ausbildung und Der heutige Gffizierersatz mit Recht als eine Härte empfunden, daß der junge Mann, der die Maturitäts¬ Die dritte und leider nicht weniger zahlreiche Klasse von Offizieraspirauten Dies Ziel kann aber nur dann erreicht werden, wenn die Ausbildung und <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0451" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/224035"/> <fw type="header" place="top"> Der heutige Gffizierersatz</fw><lb/> <p xml:id="ID_1358" prev="#ID_1357"> mit Recht als eine Härte empfunden, daß der junge Mann, der die Maturitäts¬<lb/> prüfung erster Ordnung beim Kadettenkorps bestanden hat, ein um ein Jahr<lb/> vordatirtes Patent als Offizier erhält, während der Gymnasialabiturient dieses<lb/> Vorzugs nicht teilhaftig wird.</p><lb/> <p xml:id="ID_1359"> Die dritte und leider nicht weniger zahlreiche Klasse von Offizieraspirauten<lb/> setzt sich zum größten Teil aus solchen zusammen, die ihre Vorbereitung zum<lb/> Fähnrichsexamen auf einem Militärpädagogium erhalten haben, einer jener<lb/> Anstalten, die nnr diesem einen Zweck dienen und im Volksmunde den weniger<lb/> schönen als bezeichnenden Namen „Presse" führen. Hier werden alle die zu<lb/> Fähnrichen „gepreßt." die zu alt oder zu faul, jedenfalls aber unfähig waren,<lb/> dieses Ziel auf dem natürlichen Wege der Schule zu erreichen. Es leuchtet<lb/> ein. daß solche Gesellen, denen es nicht nnr an wissenschaftlicher Bildung,<lb/> sondern besonders an den nötigen Charaktereigenschaften fehlt, selten ihrem<lb/> Stande zur Ehre gereichen werden, und die Thatsache, daß man sie überhaupt<lb/> duldet, ist nicht dazu angethan, das Ansehen des Standes zu heben. Die<lb/> Zeiten sind ja gottlob vorbei, wo dem schwergeprüften Vater die Offizier¬<lb/> laufbahn als letzte Auskunft für den hoffnungslos nichtsnutzigen Sohn erschien<lb/> — dafür sind die Anforderungen zu hoch gesteigert, und die Aussichten auf<lb/> Vorwärtskommen zu gering —, aber man kann es dem Lehrer nicht verargen,<lb/> daß er nicht sonderlich hoch von dem Offizierstande denkt, wenn er seinen<lb/> talentlosesten Schüler, der sich mit Ach und Krach die Reife für die Prima<lb/> ersessen hat, kaum zwei Jahre später im Glanz der goldgestickten Uniform als<lb/> stolzen Leutnant durch die Straßen wandeln sieht. Der Verfasser der er¬<lb/> wähnten Schrift sieht etwas zu schwarz, wenn er sagt, daß „das Fähnrichs-<lb/> excunen häufig recht unlautern Zwecken diene." und daß „auf den Pressen nichts<lb/> weiter geleistet werde, als Dummheit und Faulheit unterstützt"; auch sein<lb/> darauf begründeter Vorschlag, die Militürpädagogien überhaupt abzuschaffen,<lb/> ist eine übertriebne Forderung, und selbst die Altersgrenze ans das vollendete<lb/> Ranzigste Lebensjahr herabzusetzen, wie er empfiehlt, dürfte nicht vorteilhaft<lb/> sein. Es lassen sich für alle diese Dinge keine allgemein giltigen Regeln auf¬<lb/> stellen; in jedem einzelnen Falle muß vielmehr nach der Persönlichkeit und den<lb/> besondern Verhältnissen die Entscheidung getroffen werden. Zu verlangen ist<lb/> "ber, daß diese Prüfung sehr streng genommen werde, daß nicht der Wunsch,<lb/> die Stellen zu füllen, dazu führe, die Bedingungen zu milder», daß also nur<lb/> solche jungen Leute mit der Aussicht auf Beförderung ins Heer eingestellt<lb/> werden, die in jeder Hinsicht die Gewähr bieten, einst gute und brauchbare<lb/> Offiziere zu werden.</p><lb/> <p xml:id="ID_1360" next="#ID_1361"> Dies Ziel kann aber nur dann erreicht werden, wenn die Ausbildung und<lb/> Erziehung gründlich gewesen ist. Nach den augenblicklich geltenden Bestim¬<lb/> mungen geschieht sie auf folgende Weise. Nach seinem Einiritt — einen be¬<lb/> stimmten Termin dafür giebt es nicht — wird der „Avantageur" etwa vier</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0451]
Der heutige Gffizierersatz
mit Recht als eine Härte empfunden, daß der junge Mann, der die Maturitäts¬
prüfung erster Ordnung beim Kadettenkorps bestanden hat, ein um ein Jahr
vordatirtes Patent als Offizier erhält, während der Gymnasialabiturient dieses
Vorzugs nicht teilhaftig wird.
Die dritte und leider nicht weniger zahlreiche Klasse von Offizieraspirauten
setzt sich zum größten Teil aus solchen zusammen, die ihre Vorbereitung zum
Fähnrichsexamen auf einem Militärpädagogium erhalten haben, einer jener
Anstalten, die nnr diesem einen Zweck dienen und im Volksmunde den weniger
schönen als bezeichnenden Namen „Presse" führen. Hier werden alle die zu
Fähnrichen „gepreßt." die zu alt oder zu faul, jedenfalls aber unfähig waren,
dieses Ziel auf dem natürlichen Wege der Schule zu erreichen. Es leuchtet
ein. daß solche Gesellen, denen es nicht nnr an wissenschaftlicher Bildung,
sondern besonders an den nötigen Charaktereigenschaften fehlt, selten ihrem
Stande zur Ehre gereichen werden, und die Thatsache, daß man sie überhaupt
duldet, ist nicht dazu angethan, das Ansehen des Standes zu heben. Die
Zeiten sind ja gottlob vorbei, wo dem schwergeprüften Vater die Offizier¬
laufbahn als letzte Auskunft für den hoffnungslos nichtsnutzigen Sohn erschien
— dafür sind die Anforderungen zu hoch gesteigert, und die Aussichten auf
Vorwärtskommen zu gering —, aber man kann es dem Lehrer nicht verargen,
daß er nicht sonderlich hoch von dem Offizierstande denkt, wenn er seinen
talentlosesten Schüler, der sich mit Ach und Krach die Reife für die Prima
ersessen hat, kaum zwei Jahre später im Glanz der goldgestickten Uniform als
stolzen Leutnant durch die Straßen wandeln sieht. Der Verfasser der er¬
wähnten Schrift sieht etwas zu schwarz, wenn er sagt, daß „das Fähnrichs-
excunen häufig recht unlautern Zwecken diene." und daß „auf den Pressen nichts
weiter geleistet werde, als Dummheit und Faulheit unterstützt"; auch sein
darauf begründeter Vorschlag, die Militürpädagogien überhaupt abzuschaffen,
ist eine übertriebne Forderung, und selbst die Altersgrenze ans das vollendete
Ranzigste Lebensjahr herabzusetzen, wie er empfiehlt, dürfte nicht vorteilhaft
sein. Es lassen sich für alle diese Dinge keine allgemein giltigen Regeln auf¬
stellen; in jedem einzelnen Falle muß vielmehr nach der Persönlichkeit und den
besondern Verhältnissen die Entscheidung getroffen werden. Zu verlangen ist
"ber, daß diese Prüfung sehr streng genommen werde, daß nicht der Wunsch,
die Stellen zu füllen, dazu führe, die Bedingungen zu milder», daß also nur
solche jungen Leute mit der Aussicht auf Beförderung ins Heer eingestellt
werden, die in jeder Hinsicht die Gewähr bieten, einst gute und brauchbare
Offiziere zu werden.
Dies Ziel kann aber nur dann erreicht werden, wenn die Ausbildung und
Erziehung gründlich gewesen ist. Nach den augenblicklich geltenden Bestim¬
mungen geschieht sie auf folgende Weise. Nach seinem Einiritt — einen be¬
stimmten Termin dafür giebt es nicht — wird der „Avantageur" etwa vier
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