Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Viertes Vierteljahr.Die Reform unsers Zeichenunterrichts Verdient gemacht hat, den Zeichenunterricht für überflüssig hält und in eigner Alle diese Leute hatte ich ja absichtlich nicht mit Namen genannt, da Ganz besonders hat sich der "Verein deutscher Zeichenlehrer" "ge¬ Wenn man bedenkt, welchen Aufschwung der Dilettantismus besonders in Grenzboten IV 18S6 M
Die Reform unsers Zeichenunterrichts Verdient gemacht hat, den Zeichenunterricht für überflüssig hält und in eigner Alle diese Leute hatte ich ja absichtlich nicht mit Namen genannt, da Ganz besonders hat sich der „Verein deutscher Zeichenlehrer" „ge¬ Wenn man bedenkt, welchen Aufschwung der Dilettantismus besonders in Grenzboten IV 18S6 M
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0425" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/224009"/> <fw type="header" place="top"> Die Reform unsers Zeichenunterrichts</fw><lb/> <p xml:id="ID_1266" prev="#ID_1265"> Verdient gemacht hat, den Zeichenunterricht für überflüssig hält und in eigner<lb/> Person die Kunstbedürfnisse der Schüler befriedigen möchte. Da ist der städtische<lb/> Zeicheninspektor, der sich einbildet, nicht nur den Zeichenunterricht der ihm<lb/> miterstellten Schulen, sondern des ganzen deutschen Vaterlandes in die wahr¬<lb/> haft pädagogischen und systematischen Bahnen gelenkt zu haben, und der sich<lb/> nun gar nicht darüber beruhigen kann, daß ich — unter dem einstimmigen<lb/> Beifall der Künstler und der mit Schulkindern begabten Eltern — diesen<lb/> „systematischen" Zeichenunterricht für einen pedantischen Unsinn erkläre.</p><lb/> <p xml:id="ID_1267"> Alle diese Leute hatte ich ja absichtlich nicht mit Namen genannt, da<lb/> sich meine Polemik nicht gegen Personen, sondern nur gegen Sachen richten<lb/> sollte, und da sich die entsprechenden Ideen auch thatsächlich nicht immer nur<lb/> auf eine Person beschränken. Allein „wers juckt, der kratzt sich." sagt das<lb/> Sprichwort, und so weiß ich denn jetzt ganz genau, wer sich einbildet, daß<lb/> ich ihn gemeint habe. Und wenn ich nach der Heftigkeit der Erwiderungen<lb/> schließen darf, daß meine Hiebe gesessen haben, so kann ich mit dem Erfolg<lb/> leidlich zufrieden sein. Jedenfalls dürfen die Herren, nachdem sie sich unauf¬<lb/> gefordert selbst genannt haben, auch nicht erstaunt darüber sein, wenn ich jetzt<lb/> etwas deutlicher als früher mit Fingern auf sie weise.</p><lb/> <p xml:id="ID_1268"> Ganz besonders hat sich der „Verein deutscher Zeichenlehrer" „ge¬<lb/> troffen gefühlt," was ja auch kein Wunder ist, daß ich das Ideal der jetzt<lb/> herrschenden Zeichenmethode, die ich bekämpfte, im wesentlichen den von ihm<lb/> herausgegebnen „Grundsätzen" entnommen hatte. Dennoch fällt es mir gar<lb/> uicht ein, diesen ganzen Verein als einen Vertreter der erwähnten Methode<lb/> M betrachten. Denn ich weiß sehr wohl, daß auch zu ihm eine Menge<lb/> Mische und reformlustige Zeichenlehrer gehören, die sich schon lange darnach<lb/> sehnen, den Terrorismus einiger verknöcherten Methodiker zu durchbrechen.<lb/> ^ gerade aus diesen Kreisen, besonders aber von süddeutschen und öster¬<lb/> reichischen Zeichenlehrern, habe ich seit dem Erscheinen meiner „Künstlerischen<lb/> Erziehung" so viele zustimmende Äußerungen erhalten, daß ich geradezu den<lb/> Eindruck gewonnen habe, als ob wir gegenwärtig unmittelbar vor der Durch¬<lb/> führung der so entschieden von mir befürworteten Reformen stünden. Da ist<lb/> ^ denn vielleicht am Platze, der künftigen Bewegung ein wenig nachzuhelfen,<lb/> gleichzeitig aber auch ein größeres Publikum von dem Wesen dieser Reformen<lb/> unterrichten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1269" next="#ID_1270"> Wenn man bedenkt, welchen Aufschwung der Dilettantismus besonders in<lb/> °en Damenkreisen unsrer größern Städte seit einigen Jahren genommen hat, so<lb/> uwß man staunen, wie wenig noch immer die Schule dieser Bewegung Rechnung<lb/> trägt. Das Gefühl von der Unzulänglichkeit des Zeichenunterrichts auf unsern<lb/> humanistische« Gymnasien und höhern Mädchenschulen ist seit Jahren in den<lb/> weitesten Kreisen lebendig. Die neuen Methodiker behaupten zwar das Gegenteil<lb/> und wollen uns glauben machen, erst seit der Einführung der neuen Methode</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten IV 18S6 M</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0425]
Die Reform unsers Zeichenunterrichts
Verdient gemacht hat, den Zeichenunterricht für überflüssig hält und in eigner
Person die Kunstbedürfnisse der Schüler befriedigen möchte. Da ist der städtische
Zeicheninspektor, der sich einbildet, nicht nur den Zeichenunterricht der ihm
miterstellten Schulen, sondern des ganzen deutschen Vaterlandes in die wahr¬
haft pädagogischen und systematischen Bahnen gelenkt zu haben, und der sich
nun gar nicht darüber beruhigen kann, daß ich — unter dem einstimmigen
Beifall der Künstler und der mit Schulkindern begabten Eltern — diesen
„systematischen" Zeichenunterricht für einen pedantischen Unsinn erkläre.
Alle diese Leute hatte ich ja absichtlich nicht mit Namen genannt, da
sich meine Polemik nicht gegen Personen, sondern nur gegen Sachen richten
sollte, und da sich die entsprechenden Ideen auch thatsächlich nicht immer nur
auf eine Person beschränken. Allein „wers juckt, der kratzt sich." sagt das
Sprichwort, und so weiß ich denn jetzt ganz genau, wer sich einbildet, daß
ich ihn gemeint habe. Und wenn ich nach der Heftigkeit der Erwiderungen
schließen darf, daß meine Hiebe gesessen haben, so kann ich mit dem Erfolg
leidlich zufrieden sein. Jedenfalls dürfen die Herren, nachdem sie sich unauf¬
gefordert selbst genannt haben, auch nicht erstaunt darüber sein, wenn ich jetzt
etwas deutlicher als früher mit Fingern auf sie weise.
Ganz besonders hat sich der „Verein deutscher Zeichenlehrer" „ge¬
troffen gefühlt," was ja auch kein Wunder ist, daß ich das Ideal der jetzt
herrschenden Zeichenmethode, die ich bekämpfte, im wesentlichen den von ihm
herausgegebnen „Grundsätzen" entnommen hatte. Dennoch fällt es mir gar
uicht ein, diesen ganzen Verein als einen Vertreter der erwähnten Methode
M betrachten. Denn ich weiß sehr wohl, daß auch zu ihm eine Menge
Mische und reformlustige Zeichenlehrer gehören, die sich schon lange darnach
sehnen, den Terrorismus einiger verknöcherten Methodiker zu durchbrechen.
^ gerade aus diesen Kreisen, besonders aber von süddeutschen und öster¬
reichischen Zeichenlehrern, habe ich seit dem Erscheinen meiner „Künstlerischen
Erziehung" so viele zustimmende Äußerungen erhalten, daß ich geradezu den
Eindruck gewonnen habe, als ob wir gegenwärtig unmittelbar vor der Durch¬
führung der so entschieden von mir befürworteten Reformen stünden. Da ist
^ denn vielleicht am Platze, der künftigen Bewegung ein wenig nachzuhelfen,
gleichzeitig aber auch ein größeres Publikum von dem Wesen dieser Reformen
unterrichten.
Wenn man bedenkt, welchen Aufschwung der Dilettantismus besonders in
°en Damenkreisen unsrer größern Städte seit einigen Jahren genommen hat, so
uwß man staunen, wie wenig noch immer die Schule dieser Bewegung Rechnung
trägt. Das Gefühl von der Unzulänglichkeit des Zeichenunterrichts auf unsern
humanistische« Gymnasien und höhern Mädchenschulen ist seit Jahren in den
weitesten Kreisen lebendig. Die neuen Methodiker behaupten zwar das Gegenteil
und wollen uns glauben machen, erst seit der Einführung der neuen Methode
Grenzboten IV 18S6 M
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