Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Viertes Vierteljahr.par in Berlin rechte Körperhälfte der Frau ist bedenklich geschwollen, vielleicht schon infolge Was die einzelnen Richtungen dieser neuen Kunst wollen, ist ja sehr ver¬ par in Berlin rechte Körperhälfte der Frau ist bedenklich geschwollen, vielleicht schon infolge Was die einzelnen Richtungen dieser neuen Kunst wollen, ist ja sehr ver¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0389" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/223973"/> <fw type="header" place="top"> par in Berlin</fw><lb/> <p xml:id="ID_1177" prev="#ID_1176"> rechte Körperhälfte der Frau ist bedenklich geschwollen, vielleicht schon infolge<lb/> der Erkältung, weil sie zu lange in dem Sumpfe stand? Oder ist das, weil<lb/> wir bei Dämmerlicht die Raumverhältnisse und darum auch bisweilen Teile<lb/> ungleich sehen? Wir würden sagen: schlecht gezeichnet, aber ein hervorragender<lb/> Kunstgelehrter sagt uns in einem Aufsatze desselben Heftes (bei Gelegenheit<lb/> von Böcklin), daß es „Dilettantenkritik" sei, an Verzeichnungen Anstoß zu<lb/> nehmen. Wir wissen auch, daß sich bei den hervorragendsten Malern alter<lb/> und neuer Zeit Fehler der Zeichnung finden, daneben aber auch vieles andre,<lb/> was solche Fehler aufwiegt, und weil wir dieses ausgleichende Etwas in dem<lb/> Bilde von Hofmann vermissen und andrerseits sicher sind, daß er einen richtigen<lb/> Umriß hätte zeichnen können, so können wir nicht anders, als in dieser — ob<lb/> wir sie nun fehlerhaft nennen dürfen oder nicht — Besonderheit die Haupt-<lb/> eigenschaft seines Bildes sehen. Gewöhnliche Menschenkinder, die allerdings<lb/> etwas unter dem Einfluß jener „Dilettantenkritik" stehen, werden es ja wohl<lb/> kaum begreifen, wie ein mit Achtung genannter Maler zwei solche Blätter ver¬<lb/> öffentlichen kann, oder auch, wie man jemanden, der vorwiegend in solcher<lb/> Formensprache arbeitet, unter die Maler rechnen kann. Denn für sie fängt<lb/> der Künstler, der diesen Namen verdient, mit der künstlerischen Leistung und<lb/> der Maler mit dem Bilde an. Was aber Hofmann bisher geliefert hat, sind<lb/> nur Andeutungen zu Bildern. Wir sollen uns aus einer Art von Zeichen¬<lb/> sprache entnehmen, was er sich bei seinen Bildern gedacht hat, und das dürfte<lb/> doch nur für einen sehr kleinen Kreis der Mühe wert sein. Das würde der<lb/> Kreis der Gleichen sein, die sich unter einander verständigten, nach dem stolzen<lb/> Wahlspruch: xour 1'art. Für uns andre bleibt es böhmisch. Wir geben<lb/> auch an solchen Bildern noch eine gewisse Stimmung zu, aber die läßt sich<lb/> auch durch Farbenflecke ohne jeden sachlichen Inhalt erreichen oder auf einer<lb/> Tischkarte oder in der „Plakatkunst." Und mit so niedriger Rangstellung<lb/> Würden sich Hofmanns Bilder schwerlich zufrieden geben.</p><lb/> <p xml:id="ID_1178" next="#ID_1179"> Was die einzelnen Richtungen dieser neuen Kunst wollen, ist ja sehr ver¬<lb/> schieden. Die wenigsten suchen jedenfalls das, was wir bisher Natur nannten,<lb/> und was wir z. B., wenn auch einseitig und hart und unschön, bei Liebermann<lb/> noch finden. Die meisten verfolgen Nebenwirkungen, sie wollen in gewisse<lb/> Stimmungen versetzen, das wird dann bei ihnen zur Hauptsache, und dem zu<lb/> gefallen mißhandelt jeder die Natur in seiner besondern Art. und viele geben<lb/> sich gar nicht mehr die Mühe, uns zu überreden, daß sie die Natur wirklich<lb/> so sehen. Es ist eine Symbolik, deren Mittel aus der Kunst vergangner<lb/> Seiten zusammengetragen werden. Wollte man die Richtungen nur ruhig ge¬<lb/> währen lassen, so würden sie entweder, was sie etwa lebensfähiges in sich<lb/> t^gen, entfalten müssen oder vergehen, womit ihnen recht geschähe. Aber der<lb/> neuen Kunst kommt eine neue Kunstwissenschaft teilnehmend entgegen, beobachtet<lb/> liebevoll ihr Keimen und nimmt ihr die ersten grünen Sprossen anerkennend</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0389]
par in Berlin
rechte Körperhälfte der Frau ist bedenklich geschwollen, vielleicht schon infolge
der Erkältung, weil sie zu lange in dem Sumpfe stand? Oder ist das, weil
wir bei Dämmerlicht die Raumverhältnisse und darum auch bisweilen Teile
ungleich sehen? Wir würden sagen: schlecht gezeichnet, aber ein hervorragender
Kunstgelehrter sagt uns in einem Aufsatze desselben Heftes (bei Gelegenheit
von Böcklin), daß es „Dilettantenkritik" sei, an Verzeichnungen Anstoß zu
nehmen. Wir wissen auch, daß sich bei den hervorragendsten Malern alter
und neuer Zeit Fehler der Zeichnung finden, daneben aber auch vieles andre,
was solche Fehler aufwiegt, und weil wir dieses ausgleichende Etwas in dem
Bilde von Hofmann vermissen und andrerseits sicher sind, daß er einen richtigen
Umriß hätte zeichnen können, so können wir nicht anders, als in dieser — ob
wir sie nun fehlerhaft nennen dürfen oder nicht — Besonderheit die Haupt-
eigenschaft seines Bildes sehen. Gewöhnliche Menschenkinder, die allerdings
etwas unter dem Einfluß jener „Dilettantenkritik" stehen, werden es ja wohl
kaum begreifen, wie ein mit Achtung genannter Maler zwei solche Blätter ver¬
öffentlichen kann, oder auch, wie man jemanden, der vorwiegend in solcher
Formensprache arbeitet, unter die Maler rechnen kann. Denn für sie fängt
der Künstler, der diesen Namen verdient, mit der künstlerischen Leistung und
der Maler mit dem Bilde an. Was aber Hofmann bisher geliefert hat, sind
nur Andeutungen zu Bildern. Wir sollen uns aus einer Art von Zeichen¬
sprache entnehmen, was er sich bei seinen Bildern gedacht hat, und das dürfte
doch nur für einen sehr kleinen Kreis der Mühe wert sein. Das würde der
Kreis der Gleichen sein, die sich unter einander verständigten, nach dem stolzen
Wahlspruch: xour 1'art. Für uns andre bleibt es böhmisch. Wir geben
auch an solchen Bildern noch eine gewisse Stimmung zu, aber die läßt sich
auch durch Farbenflecke ohne jeden sachlichen Inhalt erreichen oder auf einer
Tischkarte oder in der „Plakatkunst." Und mit so niedriger Rangstellung
Würden sich Hofmanns Bilder schwerlich zufrieden geben.
Was die einzelnen Richtungen dieser neuen Kunst wollen, ist ja sehr ver¬
schieden. Die wenigsten suchen jedenfalls das, was wir bisher Natur nannten,
und was wir z. B., wenn auch einseitig und hart und unschön, bei Liebermann
noch finden. Die meisten verfolgen Nebenwirkungen, sie wollen in gewisse
Stimmungen versetzen, das wird dann bei ihnen zur Hauptsache, und dem zu
gefallen mißhandelt jeder die Natur in seiner besondern Art. und viele geben
sich gar nicht mehr die Mühe, uns zu überreden, daß sie die Natur wirklich
so sehen. Es ist eine Symbolik, deren Mittel aus der Kunst vergangner
Seiten zusammengetragen werden. Wollte man die Richtungen nur ruhig ge¬
währen lassen, so würden sie entweder, was sie etwa lebensfähiges in sich
t^gen, entfalten müssen oder vergehen, womit ihnen recht geschähe. Aber der
neuen Kunst kommt eine neue Kunstwissenschaft teilnehmend entgegen, beobachtet
liebevoll ihr Keimen und nimmt ihr die ersten grünen Sprossen anerkennend
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |