Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Viertes Vierteljahr.Zur Frauenfrage aber die "aus dem Volksleben hervorgegcmgnen Anschauungen," auf die er Zu einem sehr bedenklichen Verlangen verstieg sich auf demselben Kongreß Mau wird gegen die Zeichnung dieser wenig erfreulichen Bilder ein¬ Zur Frauenfrage aber die „aus dem Volksleben hervorgegcmgnen Anschauungen," auf die er Zu einem sehr bedenklichen Verlangen verstieg sich auf demselben Kongreß Mau wird gegen die Zeichnung dieser wenig erfreulichen Bilder ein¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0376" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/223960"/> <fw type="header" place="top"> Zur Frauenfrage</fw><lb/> <p xml:id="ID_1137" prev="#ID_1136"> aber die „aus dem Volksleben hervorgegcmgnen Anschauungen," auf die er<lb/> sich berufe, kenne er nicht. Ebenso halten wir es für einen groben Verstoß,<lb/> das; der letzte Frauenkongreß in Kassel spöttische Bemerkungen über das<lb/> „Puppenheim," worin der Mann bisher die Frau gehalten habe, ungerügt<lb/> ließ. Das liebliche Wort rührt von Ibsen her. Wir meinen: eine richtige<lb/> deutsche Hausfrau wird nie ein Puppendasein führen, auch nicht bei den obern<lb/> Zehntausend; sie wird sich für die zweifelhafte Ehre bedanken, die in dem Jbscnschen<lb/> Ausdruck für sie eingeschlossen liegt. Daß keine von den ans dem Kongreß<lb/> anwesenden Frauen den Mut hatte, den Mund aufzuthun, um eine solche Ent¬<lb/> würdigung des deutschen Hauses zurückzuweisen, ist ebenso traurig wie be¬<lb/> schämend. Es kann kaum eine grausamere Selbstverhöhnung geben, als wenn<lb/> auf einem Frauentage solche Bemerkungen mit Beifallklatschen aufgenommen<lb/> werden. Unsre Mütter waren doch andre Frauen!</p><lb/> <p xml:id="ID_1138"> Zu einem sehr bedenklichen Verlangen verstieg sich auf demselben Kongreß<lb/> eine Fran stritt, die am Schluß ihrer Rede über die Nechtsschutzvereine der<lb/> Frauen ausrief: Es giebt eine Forderung, die heute noch nicht von allen<lb/> meinen Genossinnen vertreten wird und heute auch nicht auf dem Programm<lb/> steht, aber einst darauf erscheinen wird und muß: Vertretung der Frauen in<lb/> Gericht und Gesetzgebung. Also Stimmrecht und Wahlrecht der Frauen! In<lb/> dasselbe Kapitel gehört die Drohung aus anderen Munde: Man solle sich<lb/> nicht wundern, wenn in nächster Zeit von den Frauenvereinen gegen das<lb/> bürgerliche Gesetzbuch eine Agitation eingeleitet werde, wie sie Deutschland<lb/> vielleicht noch nicht gesehen habe. Am meisten aber beklagen wir eS, daß sich<lb/> schon heute Rednerinnen hie und da nicht scheuen, atheistische Anspielungen<lb/> einfließen zu lasten. Einer Frau, die ihre weibliche Würde so vergißt und<lb/> gegen die gute Sitte so verstößt, sollte es doch unmöglich gemacht werden, die<lb/> edeln Bestrebungen der Frauenhände durch derartiges Vorgehen zu diskreditiren.</p><lb/> <p xml:id="ID_1139" next="#ID_1140"> Mau wird gegen die Zeichnung dieser wenig erfreulichen Bilder ein¬<lb/> wenden : Du darfst uicht die leidenschaftlichen Äußerungen einzelner weiblicher<lb/> Heißsporne verallgemeinern, darfst auch uicht die Gesamtheit dafür verant¬<lb/> wortlich machen. Gewiß, das kommt uns much nicht in den Sinn. Aber der<lb/> Geist, der einen Frauenkongreß von gewissermaßen offiziellem Charakter beseelt,<lb/> die Luft, die dort weht, ist eben doch bezeichnend für die ganze Bewegung.<lb/> Es mag sein, daß ein Berein, zumal in seinen Anfängen, nicht anders kann,<lb/> als alle möglichen Strömungen in sich zu vereinigen. Aber der Frauenverein<lb/> hat das doch heute nicht mehr nötig. Er hat die Kinderschuhe ausgezogen<lb/> und ist in das reifere Alter eingetreten. Will er weiter wachsen, will er sich<lb/> vertiefen, so ist unbedingt notwendig, daß er die allzufreien Geister von sich<lb/> abstößt und dem Neformverein oder andern Vereinigungen zuweist. Der<lb/> Frauenverein ist, so scheint es, nu einem wichtigen Punkt angelangt. Seine<lb/> Zukunft häugt davon ab, ob die unweiblichen, revolutionären Stimmen die</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0376]
Zur Frauenfrage
aber die „aus dem Volksleben hervorgegcmgnen Anschauungen," auf die er
sich berufe, kenne er nicht. Ebenso halten wir es für einen groben Verstoß,
das; der letzte Frauenkongreß in Kassel spöttische Bemerkungen über das
„Puppenheim," worin der Mann bisher die Frau gehalten habe, ungerügt
ließ. Das liebliche Wort rührt von Ibsen her. Wir meinen: eine richtige
deutsche Hausfrau wird nie ein Puppendasein führen, auch nicht bei den obern
Zehntausend; sie wird sich für die zweifelhafte Ehre bedanken, die in dem Jbscnschen
Ausdruck für sie eingeschlossen liegt. Daß keine von den ans dem Kongreß
anwesenden Frauen den Mut hatte, den Mund aufzuthun, um eine solche Ent¬
würdigung des deutschen Hauses zurückzuweisen, ist ebenso traurig wie be¬
schämend. Es kann kaum eine grausamere Selbstverhöhnung geben, als wenn
auf einem Frauentage solche Bemerkungen mit Beifallklatschen aufgenommen
werden. Unsre Mütter waren doch andre Frauen!
Zu einem sehr bedenklichen Verlangen verstieg sich auf demselben Kongreß
eine Fran stritt, die am Schluß ihrer Rede über die Nechtsschutzvereine der
Frauen ausrief: Es giebt eine Forderung, die heute noch nicht von allen
meinen Genossinnen vertreten wird und heute auch nicht auf dem Programm
steht, aber einst darauf erscheinen wird und muß: Vertretung der Frauen in
Gericht und Gesetzgebung. Also Stimmrecht und Wahlrecht der Frauen! In
dasselbe Kapitel gehört die Drohung aus anderen Munde: Man solle sich
nicht wundern, wenn in nächster Zeit von den Frauenvereinen gegen das
bürgerliche Gesetzbuch eine Agitation eingeleitet werde, wie sie Deutschland
vielleicht noch nicht gesehen habe. Am meisten aber beklagen wir eS, daß sich
schon heute Rednerinnen hie und da nicht scheuen, atheistische Anspielungen
einfließen zu lasten. Einer Frau, die ihre weibliche Würde so vergißt und
gegen die gute Sitte so verstößt, sollte es doch unmöglich gemacht werden, die
edeln Bestrebungen der Frauenhände durch derartiges Vorgehen zu diskreditiren.
Mau wird gegen die Zeichnung dieser wenig erfreulichen Bilder ein¬
wenden : Du darfst uicht die leidenschaftlichen Äußerungen einzelner weiblicher
Heißsporne verallgemeinern, darfst auch uicht die Gesamtheit dafür verant¬
wortlich machen. Gewiß, das kommt uns much nicht in den Sinn. Aber der
Geist, der einen Frauenkongreß von gewissermaßen offiziellem Charakter beseelt,
die Luft, die dort weht, ist eben doch bezeichnend für die ganze Bewegung.
Es mag sein, daß ein Berein, zumal in seinen Anfängen, nicht anders kann,
als alle möglichen Strömungen in sich zu vereinigen. Aber der Frauenverein
hat das doch heute nicht mehr nötig. Er hat die Kinderschuhe ausgezogen
und ist in das reifere Alter eingetreten. Will er weiter wachsen, will er sich
vertiefen, so ist unbedingt notwendig, daß er die allzufreien Geister von sich
abstößt und dem Neformverein oder andern Vereinigungen zuweist. Der
Frauenverein ist, so scheint es, nu einem wichtigen Punkt angelangt. Seine
Zukunft häugt davon ab, ob die unweiblichen, revolutionären Stimmen die
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