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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Viertes Vierteljahr.

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bedeuten, aber es kann auch Nachteile aller Art zur Folge haben. Unsre Art
ist unsre Stärke, aber zuweilen auch unsre Schwäche.

Wenn die deutschen Frauenvereine bisher in unsrer Mitte nur geringer
Sympathie begegnet sind, wenn ihre Bestrebungen bis heute vielfach mit Mi߬
trauen und Verkennung zu kämpfen haben, so hat das nicht zuletzt seine"
Grund in einem gewissen kleinlichen, engherzigen Wesen, das auch die gebildeten
Stände nicht immer abzustreifen vermögen. Aber ob diese Vereine gut daran
thun, ihrem Unmut über die Gleichgiltigkeit, das Haupthemnis ihrer Pläne
und Unternehmungen, so die Zügel schieße" zu lassen, wie dies neuerdings
mehrfach geschehen ist, erscheint uns doch recht zweifelhaft. Welchen Erfolg
verspricht man sich denn davon? Gewiß ist unter Umständen ein Gewitter,
das sich entlädt, besser als andauernde Gewitterschwüle. Dennoch, solange die
Frauenvereine in der öffentlichen Meinung nicht festen Fuß gefaßt haben, wäre
es besser, in der ruhigen, steten Entwicklung der beiden ersten Jahrzehnte fort¬
zufahren, als sich auf eine Bahn zu begeben, die an gefährlichen Abgründen
vorüber- oder gar hineinführt. Warum sind die genannten Vereine so un¬
zufrieden mit den Erfolgen, die sie unverkennbar aufzuweisen haben? Man
blicke doch nur auf die sechziger Jahre zurück, wer hat denn da bei uns von
der Frauenfrage gesprochen? Welch gewaltiger Umschwung ist in der Zwischen¬
zeit eingetreten! Tagesblätter jeder Schattirung, Wochen- und Monatsschriften
der verschiedensten Richtungen, wissenschaftliche und populär geschriebne Aufsätze
behandeln unausgesetzt dieselbe Frage. Und dabei ist man nicht stehen ge¬
blieben. Eine Fülle von Veranstaltungen ist wie Pilze aus dem Boden empor¬
geschossen, alle erfreuen sich der Unterstützung weiter Kreise, man wird kaum
eine größere deutsche Stadt namhaft machen können, die nicht in das grüße
Netz hineingezogen wäre. Mißtrauen und Vorurteile, die man lange gehegt
hat, schwinden mehr und mehr, die Gegenströmungen werden schwach, der
Geist der Engherzigkeit weicht zurück. Auf der andern Seite steigt das Interesse
für die höhere Bildung des weiblichen Geschlechts, man geht mit Eifer daran,
die Hindernisse wegzuräumen, die die Entfaltung der weiblichen Arbeit hemmen,
es werden die verschiedensten Anstalten ins Leben gerufen, um der gewerblichen,
der wissenschaftlichen und der künstlerischen Berufsbildung des weiblichen Ge¬
schlechts zu dienen.

Ist das alles kein Erfolg? Warum hat man sich dann in den letzten
Monaten zu der Unvorsichtigkeit hinreißen lassen, das Gewonnene aufs Spiel
zu setzen durch Übertreibungen und Ausschreitungen. die nur geeignet sind,
eine an sich gute Sache zu schädigen? Der Geheimrat Professor Dr. Plant,
der hervorragenden Anteil an dem Gelingen des neuen deutschen bürgerlichen
Gesetzbuches hat, wird es zu ertragen wissen, wenn ihn Fräulein Augspurg
"us München des Widerspruchs zeiht, oder wenn ihm die "Neuen Bahnen"
^'on 15. IM 1896) vorwerfen, er möge ein sehr ehrenwerter Beamter sein,


bedeuten, aber es kann auch Nachteile aller Art zur Folge haben. Unsre Art
ist unsre Stärke, aber zuweilen auch unsre Schwäche.

Wenn die deutschen Frauenvereine bisher in unsrer Mitte nur geringer
Sympathie begegnet sind, wenn ihre Bestrebungen bis heute vielfach mit Mi߬
trauen und Verkennung zu kämpfen haben, so hat das nicht zuletzt seine»
Grund in einem gewissen kleinlichen, engherzigen Wesen, das auch die gebildeten
Stände nicht immer abzustreifen vermögen. Aber ob diese Vereine gut daran
thun, ihrem Unmut über die Gleichgiltigkeit, das Haupthemnis ihrer Pläne
und Unternehmungen, so die Zügel schieße» zu lassen, wie dies neuerdings
mehrfach geschehen ist, erscheint uns doch recht zweifelhaft. Welchen Erfolg
verspricht man sich denn davon? Gewiß ist unter Umständen ein Gewitter,
das sich entlädt, besser als andauernde Gewitterschwüle. Dennoch, solange die
Frauenvereine in der öffentlichen Meinung nicht festen Fuß gefaßt haben, wäre
es besser, in der ruhigen, steten Entwicklung der beiden ersten Jahrzehnte fort¬
zufahren, als sich auf eine Bahn zu begeben, die an gefährlichen Abgründen
vorüber- oder gar hineinführt. Warum sind die genannten Vereine so un¬
zufrieden mit den Erfolgen, die sie unverkennbar aufzuweisen haben? Man
blicke doch nur auf die sechziger Jahre zurück, wer hat denn da bei uns von
der Frauenfrage gesprochen? Welch gewaltiger Umschwung ist in der Zwischen¬
zeit eingetreten! Tagesblätter jeder Schattirung, Wochen- und Monatsschriften
der verschiedensten Richtungen, wissenschaftliche und populär geschriebne Aufsätze
behandeln unausgesetzt dieselbe Frage. Und dabei ist man nicht stehen ge¬
blieben. Eine Fülle von Veranstaltungen ist wie Pilze aus dem Boden empor¬
geschossen, alle erfreuen sich der Unterstützung weiter Kreise, man wird kaum
eine größere deutsche Stadt namhaft machen können, die nicht in das grüße
Netz hineingezogen wäre. Mißtrauen und Vorurteile, die man lange gehegt
hat, schwinden mehr und mehr, die Gegenströmungen werden schwach, der
Geist der Engherzigkeit weicht zurück. Auf der andern Seite steigt das Interesse
für die höhere Bildung des weiblichen Geschlechts, man geht mit Eifer daran,
die Hindernisse wegzuräumen, die die Entfaltung der weiblichen Arbeit hemmen,
es werden die verschiedensten Anstalten ins Leben gerufen, um der gewerblichen,
der wissenschaftlichen und der künstlerischen Berufsbildung des weiblichen Ge¬
schlechts zu dienen.

Ist das alles kein Erfolg? Warum hat man sich dann in den letzten
Monaten zu der Unvorsichtigkeit hinreißen lassen, das Gewonnene aufs Spiel
zu setzen durch Übertreibungen und Ausschreitungen. die nur geeignet sind,
eine an sich gute Sache zu schädigen? Der Geheimrat Professor Dr. Plant,
der hervorragenden Anteil an dem Gelingen des neuen deutschen bürgerlichen
Gesetzbuches hat, wird es zu ertragen wissen, wenn ihn Fräulein Augspurg
"us München des Widerspruchs zeiht, oder wenn ihm die „Neuen Bahnen"
^'on 15. IM 1896) vorwerfen, er möge ein sehr ehrenwerter Beamter sein,


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[0375] bedeuten, aber es kann auch Nachteile aller Art zur Folge haben. Unsre Art ist unsre Stärke, aber zuweilen auch unsre Schwäche. Wenn die deutschen Frauenvereine bisher in unsrer Mitte nur geringer Sympathie begegnet sind, wenn ihre Bestrebungen bis heute vielfach mit Mi߬ trauen und Verkennung zu kämpfen haben, so hat das nicht zuletzt seine» Grund in einem gewissen kleinlichen, engherzigen Wesen, das auch die gebildeten Stände nicht immer abzustreifen vermögen. Aber ob diese Vereine gut daran thun, ihrem Unmut über die Gleichgiltigkeit, das Haupthemnis ihrer Pläne und Unternehmungen, so die Zügel schieße» zu lassen, wie dies neuerdings mehrfach geschehen ist, erscheint uns doch recht zweifelhaft. Welchen Erfolg verspricht man sich denn davon? Gewiß ist unter Umständen ein Gewitter, das sich entlädt, besser als andauernde Gewitterschwüle. Dennoch, solange die Frauenvereine in der öffentlichen Meinung nicht festen Fuß gefaßt haben, wäre es besser, in der ruhigen, steten Entwicklung der beiden ersten Jahrzehnte fort¬ zufahren, als sich auf eine Bahn zu begeben, die an gefährlichen Abgründen vorüber- oder gar hineinführt. Warum sind die genannten Vereine so un¬ zufrieden mit den Erfolgen, die sie unverkennbar aufzuweisen haben? Man blicke doch nur auf die sechziger Jahre zurück, wer hat denn da bei uns von der Frauenfrage gesprochen? Welch gewaltiger Umschwung ist in der Zwischen¬ zeit eingetreten! Tagesblätter jeder Schattirung, Wochen- und Monatsschriften der verschiedensten Richtungen, wissenschaftliche und populär geschriebne Aufsätze behandeln unausgesetzt dieselbe Frage. Und dabei ist man nicht stehen ge¬ blieben. Eine Fülle von Veranstaltungen ist wie Pilze aus dem Boden empor¬ geschossen, alle erfreuen sich der Unterstützung weiter Kreise, man wird kaum eine größere deutsche Stadt namhaft machen können, die nicht in das grüße Netz hineingezogen wäre. Mißtrauen und Vorurteile, die man lange gehegt hat, schwinden mehr und mehr, die Gegenströmungen werden schwach, der Geist der Engherzigkeit weicht zurück. Auf der andern Seite steigt das Interesse für die höhere Bildung des weiblichen Geschlechts, man geht mit Eifer daran, die Hindernisse wegzuräumen, die die Entfaltung der weiblichen Arbeit hemmen, es werden die verschiedensten Anstalten ins Leben gerufen, um der gewerblichen, der wissenschaftlichen und der künstlerischen Berufsbildung des weiblichen Ge¬ schlechts zu dienen. Ist das alles kein Erfolg? Warum hat man sich dann in den letzten Monaten zu der Unvorsichtigkeit hinreißen lassen, das Gewonnene aufs Spiel zu setzen durch Übertreibungen und Ausschreitungen. die nur geeignet sind, eine an sich gute Sache zu schädigen? Der Geheimrat Professor Dr. Plant, der hervorragenden Anteil an dem Gelingen des neuen deutschen bürgerlichen Gesetzbuches hat, wird es zu ertragen wissen, wenn ihn Fräulein Augspurg "us München des Widerspruchs zeiht, oder wenn ihm die „Neuen Bahnen" ^'on 15. IM 1896) vorwerfen, er möge ein sehr ehrenwerter Beamter sein,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_223583/375>, abgerufen am 06.01.2025.