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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Viertes Vierteljahr.

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Der Postzeitungswrif

Eine Ergänzung seit jedoch die Zeitungstcixe durch das Gesetz vom 28. Oktober
1871, betreffend das Posttaxmesen im Gebiet des deutscheu Reichs, erfahren,
daß ein niedrigster Betrag der für jede abonnirte Zeitung zu entrichtenden
Provision, eingeführt worden ist, nämlich 4 Silbergroschen.

Nun wird die Ansicht, daß der Einkaufspreis im allgemeinen im rich¬
tigen Verhältnis zu dem äußern Umfange der Zeitungen, sowie zu ihrem
innern Werte stehe, anfangs gewiß zutreffend gewesen sein. In der zweiten
Hälfte unsers Jahrhunderts haben jedoch zwei Dinge, die die Höhe der Zeitungs¬
preise wesentlich beeinflussen, so große Änderung erfahren, daß jene Ansicht
nicht mehr zutrifft. Zunächst ist durch die Verwendung der im Jahre 1845
erfundnen Rotationsschnellpresfe die technische Herstellung der Zeitungen be¬
trächtlich billiger geworden. Sodann hat das Annoneenwesen in neuerer Zeit
einen solchen Aufschwung genommen, daß die den Zeitungen daraus zufließenden
Einnahmen die Nbonnementgelder bei weitem übersteigen. Beides kommt natürlich
vorwiegend den größern Zeitungen zu gute. Deren Bezugspreise werden daher
jetzt verhältnismäßig billiger sein, als die der kleinern. Hieraus ist aber weiter
zu folgern, daß der Preis einer Zeitung keinen Maßstab mehr für deren Um¬
fang und Wert bietet, und daß die auf einen bestimmten Bruchteil des Preises
festgesetzte Zeitungsgebühr nicht mehr rationell ist. Wie wenig diese jetzt den
Erfordernissen eiuer Gebühr -- das Wort im finanzwisfenschaftlichen Sinne
genommen - entspricht, trat vor einigen Jahren besonders grell hervor, als
eine große, bis dahin täglich einmal erschienene Berliner Zeitung plötzlich
täglich zweimal erschien, ohne daß ihr Bezugspreis entsprechend erhöht wurde.
Die Post hatte mithin für dieses Blatt von diesem Augenblicke an die doppelte
Beförderungsleistung zu übernehmen, empfing aber dafür nicht einen Pfennig
mehr, als schon vorher. Das zeigt doch, wie notwendig eine baldige Reform ist.

Prüfen wir die in dem innern PostVerkehr der einzelnen Staaten Europas
geltenden Tarife, so finden wir, daß im großen und ganzen hinsichtlich der
Berechnung des Portos bei den verschiednen Pvstverwaltungen Übereinstimmung
herrscht. Briefe, Drucksachen und Wareilproben werden im allgemeinen nach
dem Gewicht, Packete nach dem Gewicht und der von ihnen zurücklegenden
Entfernung, Wertsendungen nach dem Gewicht, der Beförderungsstrecke und
dem angegebnen Werte, Postanweisungen nach dem eingezahlten Betrage be¬
rechnet. Ganz anders liegt die Sache bei der Zeitungsgebühr- Hier herrscht
in den verschiednen Ländern die größte Verschiedenheit, ein Zeichen dasür, wie
schwierig es ist, einen Zeitungstarif aufzustellen, der den Leistungen der Post
entspricht und doch keinen Hemmschuh für die Entwicklung der periodischen
Presse bildet. Wir können die Postverwaltnngen hier in drei Gruppen teilen.

Zur ersten Gruppe sind die Postverwaltuugeu zu rechnen, die ein
Abonnement auf Zeitungen durch Vermittlung der Postanstalten überhaupt nicht
oder in sehr beschränktem Umfange (ans amtliche Verordnungsblätter u. dergl.)


Der Postzeitungswrif

Eine Ergänzung seit jedoch die Zeitungstcixe durch das Gesetz vom 28. Oktober
1871, betreffend das Posttaxmesen im Gebiet des deutscheu Reichs, erfahren,
daß ein niedrigster Betrag der für jede abonnirte Zeitung zu entrichtenden
Provision, eingeführt worden ist, nämlich 4 Silbergroschen.

Nun wird die Ansicht, daß der Einkaufspreis im allgemeinen im rich¬
tigen Verhältnis zu dem äußern Umfange der Zeitungen, sowie zu ihrem
innern Werte stehe, anfangs gewiß zutreffend gewesen sein. In der zweiten
Hälfte unsers Jahrhunderts haben jedoch zwei Dinge, die die Höhe der Zeitungs¬
preise wesentlich beeinflussen, so große Änderung erfahren, daß jene Ansicht
nicht mehr zutrifft. Zunächst ist durch die Verwendung der im Jahre 1845
erfundnen Rotationsschnellpresfe die technische Herstellung der Zeitungen be¬
trächtlich billiger geworden. Sodann hat das Annoneenwesen in neuerer Zeit
einen solchen Aufschwung genommen, daß die den Zeitungen daraus zufließenden
Einnahmen die Nbonnementgelder bei weitem übersteigen. Beides kommt natürlich
vorwiegend den größern Zeitungen zu gute. Deren Bezugspreise werden daher
jetzt verhältnismäßig billiger sein, als die der kleinern. Hieraus ist aber weiter
zu folgern, daß der Preis einer Zeitung keinen Maßstab mehr für deren Um¬
fang und Wert bietet, und daß die auf einen bestimmten Bruchteil des Preises
festgesetzte Zeitungsgebühr nicht mehr rationell ist. Wie wenig diese jetzt den
Erfordernissen eiuer Gebühr — das Wort im finanzwisfenschaftlichen Sinne
genommen - entspricht, trat vor einigen Jahren besonders grell hervor, als
eine große, bis dahin täglich einmal erschienene Berliner Zeitung plötzlich
täglich zweimal erschien, ohne daß ihr Bezugspreis entsprechend erhöht wurde.
Die Post hatte mithin für dieses Blatt von diesem Augenblicke an die doppelte
Beförderungsleistung zu übernehmen, empfing aber dafür nicht einen Pfennig
mehr, als schon vorher. Das zeigt doch, wie notwendig eine baldige Reform ist.

Prüfen wir die in dem innern PostVerkehr der einzelnen Staaten Europas
geltenden Tarife, so finden wir, daß im großen und ganzen hinsichtlich der
Berechnung des Portos bei den verschiednen Pvstverwaltungen Übereinstimmung
herrscht. Briefe, Drucksachen und Wareilproben werden im allgemeinen nach
dem Gewicht, Packete nach dem Gewicht und der von ihnen zurücklegenden
Entfernung, Wertsendungen nach dem Gewicht, der Beförderungsstrecke und
dem angegebnen Werte, Postanweisungen nach dem eingezahlten Betrage be¬
rechnet. Ganz anders liegt die Sache bei der Zeitungsgebühr- Hier herrscht
in den verschiednen Ländern die größte Verschiedenheit, ein Zeichen dasür, wie
schwierig es ist, einen Zeitungstarif aufzustellen, der den Leistungen der Post
entspricht und doch keinen Hemmschuh für die Entwicklung der periodischen
Presse bildet. Wir können die Postverwaltnngen hier in drei Gruppen teilen.

Zur ersten Gruppe sind die Postverwaltuugeu zu rechnen, die ein
Abonnement auf Zeitungen durch Vermittlung der Postanstalten überhaupt nicht
oder in sehr beschränktem Umfange (ans amtliche Verordnungsblätter u. dergl.)


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[0327] Der Postzeitungswrif Eine Ergänzung seit jedoch die Zeitungstcixe durch das Gesetz vom 28. Oktober 1871, betreffend das Posttaxmesen im Gebiet des deutscheu Reichs, erfahren, daß ein niedrigster Betrag der für jede abonnirte Zeitung zu entrichtenden Provision, eingeführt worden ist, nämlich 4 Silbergroschen. Nun wird die Ansicht, daß der Einkaufspreis im allgemeinen im rich¬ tigen Verhältnis zu dem äußern Umfange der Zeitungen, sowie zu ihrem innern Werte stehe, anfangs gewiß zutreffend gewesen sein. In der zweiten Hälfte unsers Jahrhunderts haben jedoch zwei Dinge, die die Höhe der Zeitungs¬ preise wesentlich beeinflussen, so große Änderung erfahren, daß jene Ansicht nicht mehr zutrifft. Zunächst ist durch die Verwendung der im Jahre 1845 erfundnen Rotationsschnellpresfe die technische Herstellung der Zeitungen be¬ trächtlich billiger geworden. Sodann hat das Annoneenwesen in neuerer Zeit einen solchen Aufschwung genommen, daß die den Zeitungen daraus zufließenden Einnahmen die Nbonnementgelder bei weitem übersteigen. Beides kommt natürlich vorwiegend den größern Zeitungen zu gute. Deren Bezugspreise werden daher jetzt verhältnismäßig billiger sein, als die der kleinern. Hieraus ist aber weiter zu folgern, daß der Preis einer Zeitung keinen Maßstab mehr für deren Um¬ fang und Wert bietet, und daß die auf einen bestimmten Bruchteil des Preises festgesetzte Zeitungsgebühr nicht mehr rationell ist. Wie wenig diese jetzt den Erfordernissen eiuer Gebühr — das Wort im finanzwisfenschaftlichen Sinne genommen - entspricht, trat vor einigen Jahren besonders grell hervor, als eine große, bis dahin täglich einmal erschienene Berliner Zeitung plötzlich täglich zweimal erschien, ohne daß ihr Bezugspreis entsprechend erhöht wurde. Die Post hatte mithin für dieses Blatt von diesem Augenblicke an die doppelte Beförderungsleistung zu übernehmen, empfing aber dafür nicht einen Pfennig mehr, als schon vorher. Das zeigt doch, wie notwendig eine baldige Reform ist. Prüfen wir die in dem innern PostVerkehr der einzelnen Staaten Europas geltenden Tarife, so finden wir, daß im großen und ganzen hinsichtlich der Berechnung des Portos bei den verschiednen Pvstverwaltungen Übereinstimmung herrscht. Briefe, Drucksachen und Wareilproben werden im allgemeinen nach dem Gewicht, Packete nach dem Gewicht und der von ihnen zurücklegenden Entfernung, Wertsendungen nach dem Gewicht, der Beförderungsstrecke und dem angegebnen Werte, Postanweisungen nach dem eingezahlten Betrage be¬ rechnet. Ganz anders liegt die Sache bei der Zeitungsgebühr- Hier herrscht in den verschiednen Ländern die größte Verschiedenheit, ein Zeichen dasür, wie schwierig es ist, einen Zeitungstarif aufzustellen, der den Leistungen der Post entspricht und doch keinen Hemmschuh für die Entwicklung der periodischen Presse bildet. Wir können die Postverwaltnngen hier in drei Gruppen teilen. Zur ersten Gruppe sind die Postverwaltuugeu zu rechnen, die ein Abonnement auf Zeitungen durch Vermittlung der Postanstalten überhaupt nicht oder in sehr beschränktem Umfange (ans amtliche Verordnungsblätter u. dergl.)

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_223583/327>, abgerufen am 08.01.2025.