Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Viertes Vierteljahr.Juristische Randbemerkungen zum Fall Rotze Privatklage -- ein für allemal den Ablauf der Antragsfrist. War also der Es bleibt deshalb nach Friedmanns Darstellung einfach unbegreiflich, Welches Vertrauen dürfen wir wohl einem Schriftsteller entgegenbringen, Juristische Randbemerkungen zum Fall Rotze Privatklage — ein für allemal den Ablauf der Antragsfrist. War also der Es bleibt deshalb nach Friedmanns Darstellung einfach unbegreiflich, Welches Vertrauen dürfen wir wohl einem Schriftsteller entgegenbringen, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0029" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/223613"/> <fw type="header" place="top"> Juristische Randbemerkungen zum Fall Rotze</fw><lb/> <p xml:id="ID_63" prev="#ID_62"> Privatklage — ein für allemal den Ablauf der Antragsfrist. War also der<lb/> Antrag bei der Staatsanwaltschaft einmal rechtzeitig gestellt, so war es gleich-<lb/> giltig. wann die Privatklage bei Gericht einging. Nun ist aber nach Friedmanns<lb/> Darstellung mit Sicherheit anzunehmen, daß die Strafanzeige der Privatklage<lb/> vorausgegangen ist; es wird das namentlich aus seinen Worten: uns üsriüsrs<lb/> vis s'ollrait, (S. 104) gefolgert werden dürfen. Es folgt das aber auch mit<lb/> zwingender Notwendigkeit daraus, daß zu der Zeit, wo die Strafanzeige bei<lb/> der Staatsanwaltschaft eingereicht wurde, die Antragsfrist noch nicht verstrichen<lb/> gewesen sein kann; die Staatsanwaltschaft würde sonst nicht einen Augenblick<lb/> gezögert haben, die Anzeige kurzer Hand als verspätet zurückzuweisen, während<lb/> sie thatsächlich ihr Einschreiten erst nach Monaten und zwar aus sachlichen<lb/> Gründen abgelehnt hat.</p><lb/> <p xml:id="ID_64"> Es bleibt deshalb nach Friedmanns Darstellung einfach unbegreiflich,<lb/> wie das Amtsgericht, obwohl die Antragsfrist allem Anscheine nach durch die<lb/> frühere Strafanzeige gewahrt worden war, die Privatklage gleichwohl als<lb/> verspätet hat zurückweisen können. Ein Versehen des Gerichts erscheint aus¬<lb/> geschlossen: gegen ein solches würde in der Beschwerdeinstanz unfehlbar Abhilfe<lb/> geschaffen worden sein. Friedmann macht auch dem Amtsgericht gar keinen<lb/> Vorwurf, erkennt vielmehr die Verspätung ausdrücklich an. Er sucht aber die<lb/> Verantwortung für diese unverzeihliche Versäumnis auf seinen leichtlebigen,<lb/> der Formen und Fristen des Rechts unkundigen Klienten abzuwälzen, der es<lb/> übernommen gehabt habe, die Klageschrift einzureichen. Als ob dies den Anwalt<lb/> entschuldigen könnte! Da der Ablauf der Frist unmittelbar bevorstand, durfte<lb/> er es mindestens nicht unterlassen, seinen Klienten über die schlechterdings<lb/> uicht wieder gut zu machenden Folgen einer Versäumung eindringlich zu be¬<lb/> lehren.</p><lb/> <p xml:id="ID_65" next="#ID_66"> Welches Vertrauen dürfen wir wohl einem Schriftsteller entgegenbringen,<lb/> dessen Darstellung schon bei so einfachen und dabei so wichtigen Vorgängen<lb/> an einer Verworrenheit leidet, die jedes Verständnis ausschließt? Aber es<lb/> kommt noch weit ärger, als man hiernach vermuten durfte. Friedmann erzählt,<lb/> daß der Kaiser, als sich durch die Auffindung der später zu besprechenden<lb/> Löschblätter der Verdacht mit aller Bestimmtheit auf Leberecht v. Kotze gelenkt<lb/> hatte, dessen Verhaftung befohlen habe. Diese Verhaftung nun, behauptet<lb/> Friedmann, sei selbst uuter der Voraussetzung, daß Kotze der Thäter gewesen<lb/> sei, eine handgreifliche Ungesetzlichkeit gewesen (uns aves as ig. plus Araras<lb/> UIsMlits S. 36). Es sind wohl gelegentlich gegen die Form, in der die<lb/> Verhaftung angeordnet und ausgeführt worden ist, rechtliche Bedenken geäußert<lb/> worden, aber, wie ich überzeugt bin, mit Unrecht. Doch gehe ich auf<lb/> diese Frage nicht weiter ein, da sie Friedmann selbst gar nicht anregt. Auch<lb/> er scheint mit mir anzunehmen, daß der Kaiser als oberster Kriegsherr die<lb/> Verhaftung eines zur Disposition gestellten und deshalb nach Z 1^ der</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0029]
Juristische Randbemerkungen zum Fall Rotze
Privatklage — ein für allemal den Ablauf der Antragsfrist. War also der
Antrag bei der Staatsanwaltschaft einmal rechtzeitig gestellt, so war es gleich-
giltig. wann die Privatklage bei Gericht einging. Nun ist aber nach Friedmanns
Darstellung mit Sicherheit anzunehmen, daß die Strafanzeige der Privatklage
vorausgegangen ist; es wird das namentlich aus seinen Worten: uns üsriüsrs
vis s'ollrait, (S. 104) gefolgert werden dürfen. Es folgt das aber auch mit
zwingender Notwendigkeit daraus, daß zu der Zeit, wo die Strafanzeige bei
der Staatsanwaltschaft eingereicht wurde, die Antragsfrist noch nicht verstrichen
gewesen sein kann; die Staatsanwaltschaft würde sonst nicht einen Augenblick
gezögert haben, die Anzeige kurzer Hand als verspätet zurückzuweisen, während
sie thatsächlich ihr Einschreiten erst nach Monaten und zwar aus sachlichen
Gründen abgelehnt hat.
Es bleibt deshalb nach Friedmanns Darstellung einfach unbegreiflich,
wie das Amtsgericht, obwohl die Antragsfrist allem Anscheine nach durch die
frühere Strafanzeige gewahrt worden war, die Privatklage gleichwohl als
verspätet hat zurückweisen können. Ein Versehen des Gerichts erscheint aus¬
geschlossen: gegen ein solches würde in der Beschwerdeinstanz unfehlbar Abhilfe
geschaffen worden sein. Friedmann macht auch dem Amtsgericht gar keinen
Vorwurf, erkennt vielmehr die Verspätung ausdrücklich an. Er sucht aber die
Verantwortung für diese unverzeihliche Versäumnis auf seinen leichtlebigen,
der Formen und Fristen des Rechts unkundigen Klienten abzuwälzen, der es
übernommen gehabt habe, die Klageschrift einzureichen. Als ob dies den Anwalt
entschuldigen könnte! Da der Ablauf der Frist unmittelbar bevorstand, durfte
er es mindestens nicht unterlassen, seinen Klienten über die schlechterdings
uicht wieder gut zu machenden Folgen einer Versäumung eindringlich zu be¬
lehren.
Welches Vertrauen dürfen wir wohl einem Schriftsteller entgegenbringen,
dessen Darstellung schon bei so einfachen und dabei so wichtigen Vorgängen
an einer Verworrenheit leidet, die jedes Verständnis ausschließt? Aber es
kommt noch weit ärger, als man hiernach vermuten durfte. Friedmann erzählt,
daß der Kaiser, als sich durch die Auffindung der später zu besprechenden
Löschblätter der Verdacht mit aller Bestimmtheit auf Leberecht v. Kotze gelenkt
hatte, dessen Verhaftung befohlen habe. Diese Verhaftung nun, behauptet
Friedmann, sei selbst uuter der Voraussetzung, daß Kotze der Thäter gewesen
sei, eine handgreifliche Ungesetzlichkeit gewesen (uns aves as ig. plus Araras
UIsMlits S. 36). Es sind wohl gelegentlich gegen die Form, in der die
Verhaftung angeordnet und ausgeführt worden ist, rechtliche Bedenken geäußert
worden, aber, wie ich überzeugt bin, mit Unrecht. Doch gehe ich auf
diese Frage nicht weiter ein, da sie Friedmann selbst gar nicht anregt. Auch
er scheint mit mir anzunehmen, daß der Kaiser als oberster Kriegsherr die
Verhaftung eines zur Disposition gestellten und deshalb nach Z 1^ der
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