Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Viertes Vierteljahr.Die Juristen in der Verwaltung der Staatseisenliahnen Die nachteilige Wirkung einer rein juristischen Verwaltung läßt sich aber Was ferner an Hinein- und Auslegungen klarer und für den Fachmann Die Juristen in der Verwaltung der Staatseisenliahnen Die nachteilige Wirkung einer rein juristischen Verwaltung läßt sich aber Was ferner an Hinein- und Auslegungen klarer und für den Fachmann <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0268" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/223852"/> <fw type="header" place="top"> Die Juristen in der Verwaltung der Staatseisenliahnen</fw><lb/> <p xml:id="ID_841"> Die nachteilige Wirkung einer rein juristischen Verwaltung läßt sich aber<lb/> auch in den Beziehungen der Behörde zu der breiten Masse des verkehr¬<lb/> treibenden Mittelstandes erkennen. Die schon so oft gehörten Klagen über das<lb/> unzulängliche Verständnis der Eisenbahnverwaltung gegenüber den Wünschen<lb/> und Bedürfnissen der Verkehrtreibenden beziehen sich mehr oder weniger auf<lb/> die büreaukratische Behandlung solcher Angelegenheiten. Es fehlt eben für<lb/> ihre richtige wirtschaftliche Beurteilung bei der Verwaltung an Fachleuten,<lb/> die, mit den Anforderungen des Verkehrs vertraut, nicht bloß seinem Wachstum<lb/> zu folgen, sondern ihm vorauszueilen verstünden. Die heute vorherrschende<lb/> Neigung, auch reine Verkehrsfragen vom juristischen Standpunkt aus anzusehen,<lb/> führt zu Entscheidungen, die ja juristisch unanfechtbar sein mögen, mit denen<lb/> aber den Bedürfnissen des Publikums so wenig gedient ist wie dem Interesse<lb/> der Verwaltung. Mau kommt damit in das vielbeklagte Regieren vom grünen<lb/> Tisch. Diesen Übelstand hatte seinerzeit der Eisenbahnminister von Maybach<lb/> richtig erkannt, als er Anfang der achtziger Jahre kaufmännisch vorgebildete<lb/> Männer in seinem Ressort verwendete. Daß der Erfolg nicht überall den<lb/> Erwartungen entsprochen hat, lag nur daran, daß der Kaufmann so wenig<lb/> wie der Jurist mit seiner oberflächlichen Kenntnis der verwickelten Eisenbahn-<lb/> Verwaltung imstande ist, diese Verwaltung zu leiten. Neuerdings sind mit<lb/> der Neuordnung der Staatseisenbahnverwaltung sogenannte Streckendezernate<lb/> geschaffen worden, deren juristische Leiter das Recht und die Pflicht haben,<lb/> sich, indem sie die ihnen zugewiesenen Strecken bereisen, durch Besichtigung<lb/> und Besprechung an Ort und Stelle in unmittelbare Verbindung mit dem<lb/> Publikum zu setzen. Man darf sich aber auch hiervon keine wesentliche Besse¬<lb/> rung versprechen, weil eben auch den mit diesen Dezernaten betrauten Assessoren<lb/> oder Negierungsräten die Fachkenntnisse fehlen, die nur durch praktische Thätig¬<lb/> keit im äußern Dienst erlangt werden können.</p><lb/> <p xml:id="ID_842"> Was ferner an Hinein- und Auslegungen klarer und für den Fachmann<lb/> wie für den Verkehrtreibenden verständlicher Gesetze, Verordnungen und Ver-<lb/> waltungs- und Tarifvorschriften geleistet wird, ist geradezu erstaunlich. Ein<lb/> beredtes Zeugnis davon liefert die Unmenge juristischer Litteratur auf diesem<lb/> Gebiete. Eine Folge dieses „Kommentirens" ist das Bestreben, alle, selbst<lb/> die kleinsten Dienstverrichtungen zu „reglementiren." Aber der Mangel an<lb/> praktischer Erfahrung, wie sie nur in verantwortlichen Stellungen des äußern<lb/> Verkehrsdienstes erworben werden kann, hat dazu geführt, auch die so<lb/> schon dem Wechsel unterworfnen Anforderungen des täglichen Verkehrs auf<lb/> rein formalistischen Boden zu stellen und in die Schablone zu pressen. Nur<lb/> unter diesem Zwange und Widerspruch erscheint manche schroffe Behandlung<lb/> des Publikums verständlich; die Beamten müssen eben stets fürchten, sie mögen<lb/> so oder anders handeln, gegen eine ihnen augenblicklich nicht gegenwärtige<lb/> Verfügung zu verstoßen.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0268]
Die Juristen in der Verwaltung der Staatseisenliahnen
Die nachteilige Wirkung einer rein juristischen Verwaltung läßt sich aber
auch in den Beziehungen der Behörde zu der breiten Masse des verkehr¬
treibenden Mittelstandes erkennen. Die schon so oft gehörten Klagen über das
unzulängliche Verständnis der Eisenbahnverwaltung gegenüber den Wünschen
und Bedürfnissen der Verkehrtreibenden beziehen sich mehr oder weniger auf
die büreaukratische Behandlung solcher Angelegenheiten. Es fehlt eben für
ihre richtige wirtschaftliche Beurteilung bei der Verwaltung an Fachleuten,
die, mit den Anforderungen des Verkehrs vertraut, nicht bloß seinem Wachstum
zu folgen, sondern ihm vorauszueilen verstünden. Die heute vorherrschende
Neigung, auch reine Verkehrsfragen vom juristischen Standpunkt aus anzusehen,
führt zu Entscheidungen, die ja juristisch unanfechtbar sein mögen, mit denen
aber den Bedürfnissen des Publikums so wenig gedient ist wie dem Interesse
der Verwaltung. Mau kommt damit in das vielbeklagte Regieren vom grünen
Tisch. Diesen Übelstand hatte seinerzeit der Eisenbahnminister von Maybach
richtig erkannt, als er Anfang der achtziger Jahre kaufmännisch vorgebildete
Männer in seinem Ressort verwendete. Daß der Erfolg nicht überall den
Erwartungen entsprochen hat, lag nur daran, daß der Kaufmann so wenig
wie der Jurist mit seiner oberflächlichen Kenntnis der verwickelten Eisenbahn-
Verwaltung imstande ist, diese Verwaltung zu leiten. Neuerdings sind mit
der Neuordnung der Staatseisenbahnverwaltung sogenannte Streckendezernate
geschaffen worden, deren juristische Leiter das Recht und die Pflicht haben,
sich, indem sie die ihnen zugewiesenen Strecken bereisen, durch Besichtigung
und Besprechung an Ort und Stelle in unmittelbare Verbindung mit dem
Publikum zu setzen. Man darf sich aber auch hiervon keine wesentliche Besse¬
rung versprechen, weil eben auch den mit diesen Dezernaten betrauten Assessoren
oder Negierungsräten die Fachkenntnisse fehlen, die nur durch praktische Thätig¬
keit im äußern Dienst erlangt werden können.
Was ferner an Hinein- und Auslegungen klarer und für den Fachmann
wie für den Verkehrtreibenden verständlicher Gesetze, Verordnungen und Ver-
waltungs- und Tarifvorschriften geleistet wird, ist geradezu erstaunlich. Ein
beredtes Zeugnis davon liefert die Unmenge juristischer Litteratur auf diesem
Gebiete. Eine Folge dieses „Kommentirens" ist das Bestreben, alle, selbst
die kleinsten Dienstverrichtungen zu „reglementiren." Aber der Mangel an
praktischer Erfahrung, wie sie nur in verantwortlichen Stellungen des äußern
Verkehrsdienstes erworben werden kann, hat dazu geführt, auch die so
schon dem Wechsel unterworfnen Anforderungen des täglichen Verkehrs auf
rein formalistischen Boden zu stellen und in die Schablone zu pressen. Nur
unter diesem Zwange und Widerspruch erscheint manche schroffe Behandlung
des Publikums verständlich; die Beamten müssen eben stets fürchten, sie mögen
so oder anders handeln, gegen eine ihnen augenblicklich nicht gegenwärtige
Verfügung zu verstoßen.
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