Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Viertes Vierteljahr.Juristische Randbemerkungen zum Fall Aotze von den genannten Justizbcamtcn, von denen der eine die Führung der Unter¬ Sollte er es dabei beharrlich unterlassen haben, die schweren und offen¬ Die Unwissenheit, die Friedmann hochgestellten und verdienten Justizbeamten Was in aller Welt hätte denn auch die Herren Brüggemann und Heinrich, Für das deutsche Publikum hätte es mithin auch in Bezug auf diesen Juristische Randbemerkungen zum Fall Aotze von den genannten Justizbcamtcn, von denen der eine die Führung der Unter¬ Sollte er es dabei beharrlich unterlassen haben, die schweren und offen¬ Die Unwissenheit, die Friedmann hochgestellten und verdienten Justizbeamten Was in aller Welt hätte denn auch die Herren Brüggemann und Heinrich, Für das deutsche Publikum hätte es mithin auch in Bezug auf diesen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0026" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/223610"/> <fw type="header" place="top"> Juristische Randbemerkungen zum Fall Aotze</fw><lb/> <p xml:id="ID_51" prev="#ID_50"> von den genannten Justizbcamtcn, von denen der eine die Führung der Unter¬<lb/> suchung von dem andern übernommen hat, jeder die Auffassung seines Vor¬<lb/> gängers geteilt, und ebenso offenbar ist diese Auffassung von der obersten<lb/> militärischen Justizbehörde, dem Generalauditoriat, gebilligt worden. Fried¬<lb/> mann erwähnt ja selbst, daß er persönlich wiederholt die Intervention dieser<lb/> Behörde angerufen habe, und rühmt, daß er bei ihr stets bereitwilliges Gehör<lb/> gefunden habe.</p><lb/> <p xml:id="ID_52"> Sollte er es dabei beharrlich unterlassen haben, die schweren und offen¬<lb/> kundiger Rechtsverletzungen zu rügen, die nach seiner Meinung fort und fort<lb/> zum Nachteile seines Klienten geschahen? Wer Friedmann den Verteidiger<lb/> gekannt hat, wird dies nimmermehr glauben.</p><lb/> <p xml:id="ID_53"> Die Unwissenheit, die Friedmann hochgestellten und verdienten Justizbeamten<lb/> vorwarf, war uach seiner Schilderung zu himmelschreiend, als daß sie hätte<lb/> glaubhaft fein können. Der Gedanke an eine absichtliche Verdrehung des<lb/> Rechts war vollends zu absurd, als daß sich jemand im Ernste damit hätte<lb/> beschäftigen sollen. Der Deutsche ist im ganzen kein Freund der pharisäischen<lb/> Denkungsweise, die gern die Worte im Munde führt: „Dergleichen kommt<lb/> Gott sei Dank bei uus nicht vor." Aber manches kommt bei uns wirklich<lb/> nicht vor. Und dazu gehören, Gott sei Dank, die Schändlichkeiten, die Fried¬<lb/> mann mit dürren Worten den Beamten unsrer preußischen Militärgerichte<lb/> vorwirft.</p><lb/> <p xml:id="ID_54"> Was in aller Welt hätte denn auch die Herren Brüggemann und Heinrich,<lb/> die doch angeblich den Intriguen des Hofes persönlich ganz fern standen, dazu<lb/> bestimmen sollen, ohne weiteres für Schröder gegen Kotze Partei zu nehmen<lb/> und Schröder zuliebe das Recht zum Nachteile des Angeschuldigten zu beugen?<lb/> Die Sache war hierzulande für jeden Unbefangnen klar genug: Auditoriat<lb/> und Verteidigung waren eben, wie ähnliches auch sonst zuweilen vorkommt,<lb/> in mancherlei Punkten über die Auslegung des Gesetzes verschiedner Meinung<lb/> gewesen, und das hatte dem Verteidiger genügt, ein Wehgeschrei über diesen<lb/> Z?In-ä6-ZiL<z1ö-Prozeß zu erheben und sein Vaterland vor aller Welt als<lb/> das Land rechtloser Willkür und strafloser Rechtsbeugung an den Pranger<lb/> zu stellen!</p><lb/> <p xml:id="ID_55" next="#ID_56"> Für das deutsche Publikum hätte es mithin auch in Bezug auf diesen<lb/> Teil der Friedmcmnschen Schrift, fo autoritativ er sich auch geberdete, kaum<lb/> einer ausführlichen kritischen Widerlegung bedurft. Schweigen ist auch eure<lb/> Antwort, und mitunter die beste. Mochte das Buch auch Zeile für Zeile<lb/> die Kritik zur Aufdeckung seiner thatsächlichen Irrtümer, seiner sophistischen<lb/> Trugschlüsse und seiner Widersprüche förmlich herausfordern: ich würde schwerlich<lb/> mit meinem Urteil an die Öffentlichkeit getreten sein, wäre es seiner Sprache,<lb/> dem Orte seines Erscheinens und seiner offenbaren Tendenz nach in der ersten<lb/> Linie für deutsche Leser bestimmt gewesen. Aber das Buch ist für aus-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0026]
Juristische Randbemerkungen zum Fall Aotze
von den genannten Justizbcamtcn, von denen der eine die Führung der Unter¬
suchung von dem andern übernommen hat, jeder die Auffassung seines Vor¬
gängers geteilt, und ebenso offenbar ist diese Auffassung von der obersten
militärischen Justizbehörde, dem Generalauditoriat, gebilligt worden. Fried¬
mann erwähnt ja selbst, daß er persönlich wiederholt die Intervention dieser
Behörde angerufen habe, und rühmt, daß er bei ihr stets bereitwilliges Gehör
gefunden habe.
Sollte er es dabei beharrlich unterlassen haben, die schweren und offen¬
kundiger Rechtsverletzungen zu rügen, die nach seiner Meinung fort und fort
zum Nachteile seines Klienten geschahen? Wer Friedmann den Verteidiger
gekannt hat, wird dies nimmermehr glauben.
Die Unwissenheit, die Friedmann hochgestellten und verdienten Justizbeamten
vorwarf, war uach seiner Schilderung zu himmelschreiend, als daß sie hätte
glaubhaft fein können. Der Gedanke an eine absichtliche Verdrehung des
Rechts war vollends zu absurd, als daß sich jemand im Ernste damit hätte
beschäftigen sollen. Der Deutsche ist im ganzen kein Freund der pharisäischen
Denkungsweise, die gern die Worte im Munde führt: „Dergleichen kommt
Gott sei Dank bei uus nicht vor." Aber manches kommt bei uns wirklich
nicht vor. Und dazu gehören, Gott sei Dank, die Schändlichkeiten, die Fried¬
mann mit dürren Worten den Beamten unsrer preußischen Militärgerichte
vorwirft.
Was in aller Welt hätte denn auch die Herren Brüggemann und Heinrich,
die doch angeblich den Intriguen des Hofes persönlich ganz fern standen, dazu
bestimmen sollen, ohne weiteres für Schröder gegen Kotze Partei zu nehmen
und Schröder zuliebe das Recht zum Nachteile des Angeschuldigten zu beugen?
Die Sache war hierzulande für jeden Unbefangnen klar genug: Auditoriat
und Verteidigung waren eben, wie ähnliches auch sonst zuweilen vorkommt,
in mancherlei Punkten über die Auslegung des Gesetzes verschiedner Meinung
gewesen, und das hatte dem Verteidiger genügt, ein Wehgeschrei über diesen
Z?In-ä6-ZiL<z1ö-Prozeß zu erheben und sein Vaterland vor aller Welt als
das Land rechtloser Willkür und strafloser Rechtsbeugung an den Pranger
zu stellen!
Für das deutsche Publikum hätte es mithin auch in Bezug auf diesen
Teil der Friedmcmnschen Schrift, fo autoritativ er sich auch geberdete, kaum
einer ausführlichen kritischen Widerlegung bedurft. Schweigen ist auch eure
Antwort, und mitunter die beste. Mochte das Buch auch Zeile für Zeile
die Kritik zur Aufdeckung seiner thatsächlichen Irrtümer, seiner sophistischen
Trugschlüsse und seiner Widersprüche förmlich herausfordern: ich würde schwerlich
mit meinem Urteil an die Öffentlichkeit getreten sein, wäre es seiner Sprache,
dem Orte seines Erscheinens und seiner offenbaren Tendenz nach in der ersten
Linie für deutsche Leser bestimmt gewesen. Aber das Buch ist für aus-
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